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  • Der ehemalige Flakbunker im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg liefert jetzt Energie für die Anwohner. 
  • Foto: picture alliance/dpa

In 3500 Metern Tiefe: Unter Hamburg liegt ein heißer Schatz

Wilhelmsburg –

Ausgerechnet ein Flakbunker aus dem Zweiten Weltkrieg dient in Hamburg als Leuchtturm für die Nutzung aller möglichen Arten der regenerativen Energie. Es fehlt eigentlich nur die Erdwärme. Noch. Im Energiebunker hofft man jetzt auf grünes Licht aus Berlin.

In 3500 Metern Tiefe unter der Elbinsel Wilhelmsburg liegt ein Schatz. Zumindest haben das seismische Untersuchungen ergeben. Kein Gold, kein Öl, sondern Wasser soll es dort im tiefen Hamburger Untergrund geben. Heißes Wasser. So heiß, dass damit einmal viele Wilhelmsburger mit regenerativer Wärme versorgt werden können, glaubt Michael Prinz, Geschäftsführer von Hamburg Energie.

Was der städtische Versorger rund um den Wilhelmsburger Flakbunker aus dem Zweiten Weltkrieg – der heute als Energiebunker regenerative Energie liefert – plant, soll in der Geothermie Standards setzen und eine Blaupause für Norddeutschland werden.

Viele regenerative Wärmequellen bereits in Wilhelmsburg

„Wir haben für Wilhelmsburg gekämpft, weil wir dort sonst alles, was man sich an regenerativen Wärmequellen vorstellen kann, schon realisiert haben“, sagt Prinz. „Wir haben eine große Solarthermieanlage, wir haben Industrieabwärme, wir haben Biomethan-Blockheizkraftwerke, wir haben einen riesigen Warmwasserspeicher im Energiebunker. Uns fehlt eigentlich nur die Geothermie, um dieses erneuerbare Wärmekonzept einmal komplett an einem Standort zu leben.“

Der Wärmespeicher des Energiebunkers in Wilhelmsburg.

Der Wärmespeicher des Energiebunkers in Wilhelmsburg.

Foto:

Florian Quandt

Genau dieses besondere Konzept ist eines von bundesweit 20, dem das Bundeswirtschaftsministerium im vergangenen Jahr im Rahmen eines sogenannten „Reallabors der Energiewende“ Förderung in Aussicht gestellt hat – aber das einzige Geothermieprojekt. 

Wilhelmsburg: 17 Millionen Euro für erste Bohrung

Und Förderung braucht es, denn bei der Geothermie gilt: Aller Anfang ist teuer. Etwa 17 Millionen Euro wird allein die erste Bohrung kosten, sagte Thomas-Tim Sävecke. Er ist Bereichsleiter Produktion bei Hamburg Energie und einer der Väter des Projekts, das mit dieser ersten Bohrung steht und fällt. „Wir haben von da unten nur seismische Untersuchungen. Wir interpretieren bisher also nur die Daten und wir müssen dort gewesen sein, um zu wissen, was da wirklich ist.“ Wird man fündig, braucht es eine zweite Bohrung. Zusammen liegt man dann schon bei rund 30 Millionen Euro.

Geothermiebohrung: Energie für 40 bis 50 Jahre 

Vermutet wird in 3500 Metern 130 Grad heißes Wasser. „Das Wasser, das wir entnehmen, wird dem Boden wieder zugeführt. “ Deshalb die zweite Bohrung. „Und daher gibt es im Untergrund auch keine Veränderungen“, sagt Sävecke. Anders als bei Geothermieprojekten wie in Schwerin, wo man nur auf eine geringere Tiefe mit entsprechend geringer Temperatur gegangen sei, reichten die 130 Grad aus, um sie direkt zum Heizen oder zur Stromgewinnung zu nutzen. 

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„Wir gehen davon aus, dass so eine Geothermiebohrung zwischen 40 und 50 Jahre regenerative Energie liefert. Und wir erwarten eine thermische Leistung von mehr als 10 Megawatt.“ Da die laufenden Betriebskosten einer Anlage gering seien, sei die Wärme aus der Erde über die lange Laufzeit im Vergleich zu fossiler Erzeugung unschlagbar günstig und CO2-neutral.

CO2-neutrale Wärme für mehr Wilhelmsburger

Die im Sommer nicht benötigte Wärme soll in einem sogenannten Aquiferspeicher gelagert und dann im Winter genutzt werden. Das Prinzip ähnelt dem der Erdwärmenutzung, nur dass in diesem Fall einer Wasser führenden Gesteinsformation Wärme zugeführt wird. „Wir haben bei einem Pilotprojekt schon die Erfahrung gemacht, dass der Aquifer grundsätzlich funktioniert, und müssen ihn jetzt in Wilhelmsburg tatsächlich nur noch installieren“, sagt Sävecke.

Rohre verlaufen in der Energiezentrale im Energiebunker von Wilhelmsburg.

Rohre verlaufen in der Energiezentrale im Energiebunker von Wilhelmsburg.

Foto:

picture alliance/dpa

2000 Haushalte in Wilhelmsburg werden aktuell schon vom Bunker aus mit Wärme versorgt. Mit der Geothermie sollen in dem stark wachsenden Stadtteil möglichst viele Einwohner CO2-neutrale Wärme erhalten können, sagt Prinz. „Wir erschließen uns das Quartier mit regenerativer Nahwärmeversorgung. Und das ist das Besondere: Ein abgeschlossener Bereich mit Bestandsbauten und Neubauten – eigentlich ist Wilhelmsburg eine Blaupause für viele Städte in ganz Deutschland.“

Geoothermie: Norden eignet sich besonders gut

Die Möglichkeiten für die Erdwärmenutzung seien im Norden besonders gut, sagt Sävecke. „Wir sind hier in der Norddeutschen Tiefebene. Und diese Tiefebene hat das größte geothermische Potenzial in ganz Deutschland.“ Infolge des Wilhelmsburger Projektes könnten deshalb viele Kommunen überlegen, „ob sie unter sich ähnliche geologische Verhältnisse finden. Und sie müssen nicht mehr von Null anfangen“.

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Bisher seien Geothermieprojekte eher „Wurschtelprojekte gewesen, bei denen jeder die Probleme für sich selbst gelöst hat“. Nur die Stadtwerke München gingen bereits andere Wege. „Die Münchner sind die ersten und einzigen, die das sehr systematisch betreiben.“

Risiken laut Projektleiter beherrschbar

Die Risiken eines solchen Projekts seien durchaus beherrschbar. „Wir haben da unten nur sandige und tonige Gründe in unterschiedlichen Konstellationen. Deshalb hält sich das Erdbebenrisiko in Norddeutschland grundsätzlich sehr in Grenzen“, sagt Sävecke. Auch Gips-Quellungen, die zu Hebungen des Boden führen können, seien in diesen Breiten nicht zu erwarten. „Dafür haben wir einfach nicht den richtigen Untergrund.“ Außerdem gebe es heutzutage Techniken, um dies auszuschließen.

„Das ist das bestuntersuchte Projekt in ganz Deutschland“, versichert auch Prinz. Von oben könne man nichts mehr machen. „Wir müssen jetzt da unten wirklich nachgucken, was wir finden.“ Das führe dann aber zum größten Risiko: „Nämlich dem wirtschaftlichen, dass wir da unten nichts finden.“ Dieses Risiko könne die Stadt allein nicht tragen. Auch deshalb brauche es die Förderung als Reallabor. 

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