„Operation Gomorrha“: Dieser Mann wollte Hamburg von der Landkarte bomben
Während des Zweiten Weltkriegs wurde Arthur Harris, seines Zeichens englischer Luftmarschall, wegen einer Geschwindigkeitsübertretung von der Polizei gestoppt. Als ein Bobby ihm vorhielt: „Sir, Sie hätten jemanden umbringen können!“ antwortete Harris‘ knochentrocken: „Junger Mann, ich bringe jede Nacht Tausende von Leuten um.“
Sir Arthur Harris ist eine der umstrittensten Figuren der britischen Geschichte. Er war es, der vor 80 Jahren alles daran setzte, Hamburg dem Erdboden gleichzumachen. Er schickte die Flugzeuge, die einen Feuersturm auslösten und in einer einzigen Nacht zigtausende Hamburger töteten. Premierminister Winston Churchill segnete die Strategie des „morale bombing“ gegen deutsche Städte ausdrücklich ab. Die Moral der Deutschen sollte gebrochen werden. Bis Kriegsende kamen im Bombenhagel eine halbe Million Zivilisten ums Leben.
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Während des Zweiten Weltkriegs wurde Arthur Harris, seines Zeichens englischer Luftmarschall, wegen einer Geschwindigkeitsübertretung von der Polizei gestoppt. Als ein Bobby ihm vorhielt: „Sir, Sie hätten jemanden umbringen können!“ antwortete Harris‘ knochentrocken: „Junger Mann, ich bringe jede Nacht Tausende von Leuten um.“
Sir Arthur Harris ist eine der umstrittensten Figuren der britischen Geschichte. Er war es, der vor 80 Jahren alles daran setzte, Hamburg dem Erdboden gleichzumachen. Er schickte die Flugzeuge, die einen Feuersturm auslösten und in einer einzigen Nacht zigtausende Hamburger töteten. Premierminister Winston Churchill segnete die Strategie des „morale bombing“ gegen deutsche Städte ausdrücklich ab. Die Moral der Deutschen sollte gebrochen werden. Bis Kriegsende kamen im Bombenhagel eine halbe Million Zivilisten ums Leben.
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Arthur Harris wurde 1892 in Cheltenham in Südwestengland geboren. Mit 16 floh er aus der Privatschule, die er widerwillig besucht hatte, und schiffte nach Rhodesien ein, dem heutigen Simbabwe, wo er als Goldgräber, Taxifahrer und Tabakpflanzer sein Glück versuchte. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs meldete er sich 1914 zur rhodesischen Armee und kam 1915 nach England, wo er dem Royal Flying Corps beitrat.
„Eine 250- oder 500-Pfund-Bombe in jedes aufmüpfige Dorf“
Bei Kriegsende hatte Harris den Rang eines Majors und blieb der neu aufgestellten Royal Air Force treu. Unter anderem in Mesopotamien (dem heutigen Irak) und in Palästina ließ er als Staffelkommandeur Aufständische aus der Luft bekämpfen. Seine Piloten warfen Brandbomben auf Dörfer und setzten die strohgedeckten Häuser in Brand. Harris hatte offensichtlich seine Berufung gefunden. „Eine 250- oder 500-Pfund-Bombe in jedes aufmüpfige Dorf“ würde das Problem schon lösen, sagte er einmal.

1925 befehligte Harris das erste Geschwader der Royal Air Force, das mit schweren Bombern ausgestattet war. 1937 wurde er zum General befördert und sprach sich angesichts des absehbaren Krieges gegen Hitler-Deutschland für die Entwicklung strategischer Bomber aus, schließlich hegte er einen geradezu religiösen Glauben an die „Luftmacht“ als alles dominierende Waffengattung.
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Arthur Harris entwickelte die neue Strategie: Flächenbombardements
Anfangs hatte die Royal Air Force gehofft, Nazi-Deutschland durch gezielte Luftschläge gegen strategisch bedeutende Ziele schwächen zu können. Allerdings war die Technik noch nicht so weit, deshalb trafen die Bomben meist nicht ihr Ziel. Im Herbst 1941 wurde Arthur Harris Chef des Bomber Command und entwickelte eine neue Strategie: die des Flächenbombardements.
Das Vorbild für diese Form der Luftkriegsführung hatte ausgerechnet Hitler-Deutschland selbst geliefert: Bei Angriffen auf Guernica und Warschau, auf London, Birmingham und Coventry hatte die deutsche Luftwaffe ihre todbringende Fracht wahllos abgeworfen: auf Munitionslager und Wohnhäuser gleichermaßen.

Der Erfinder des Luftkrieges war Arthur Harris also nicht, aber er perfektionierte ihn. In der Überzeugung, dass durch gezielte Angriffe auf die Zivilbevölkerung der Krieg gewonnen oder zumindest verkürzt werden könne, ließ er Fachleute testen, wie es möglich wäre, eine ganz Stadt in Brand zu setzen. Harris‘ Stäbe suchten gezielt die Städte aus, die am besten Feuer fangen würden. Schrittweise wurde die Zahl der Brandbomben gegenüber den Sprengbomben erhöht. Die größten Schäden wurden durch Brände hervorgerufen.
Harris‘ erste Schläge trafen im Frühjahr 1942 Lübeck und Rostock. Noch hielt sich der Schaden in Grenzen. Für Mai 1942 war eigentlich ein Angriff auf Hamburg geplant, aber weil die Witterung nicht mitspielte, lenkte Harris seine 1000 „Lancaster“- und „Halifax“-Bomber Richtung Köln um. Teile der Domstadt wurden innerhalb von 90 Minuten in Schutt und Asche gelegt.
Der Angriff auf Hamburg sollte eigentlich schon im Mai 1942 erfolgen
Hamburg war im Sommer 1943 an der Reihe: Die über zehn Tage andauernden Angriffe durch fast 3000 britische und amerikanische Bomber waren so verheerend, dass manche Historiker heute Vergleiche ziehen zum Atombombenabwurf auf Hiroshima 1945. Niemand weiß genau, wie viele Menschen ums Leben kamen. Die Zahl schwankt: zwischen 35.000 und 50.000.

Es ist eine Ironie des Schicksals, dass zum Erfolg der Alliierten simple Metallstreifen einen entscheidenden Beitrag leisteten. Beim Anflug auf Hamburg warfen die britischen Flugzeugbesatzungen Millionen sogenannter „Düppel“ über Bord: Die 27,8 Zentimeter langen, zwei Zentimeter breiten und schwarz eingefärbten Streifen setzten die deutschen Radargeräte außer Betrieb.
Die Besatzungen der deutschen Flugabwehrkanonen konnten nur noch blind in den Himmel schießen, während die Bomberpiloten ihre tödliche Fracht abwarfen: zuerst Luftminen, sogenannte „Wohnblockknacker“, die eine so große Druckwelle erzeugten, dass im Umkreis von 100 Metern alle Gebäude zertrümmert und die Dächer abgedeckt wurden. Anschließend die Phosphorbrandbomben, die daraufhin genügend brennbare Nahrung fanden.
„Eine Art Dantes Inferno: Sogar das Wasser brannte“
Beim zweiten von insgesamt sechs Angriffen auf Hamburg kam es am 28. Juli 1943 zu einem Inferno, das alles bisher Dagewesene in den Schatten stellte: Der Feuersturm verwandelte eine Fläche von 25 Quadratkilometern – dazu gehörten Hamm, Hammerbrook, Rothenburgsort und Borgfelde – in ein einziges Flammenmeer. Das Feuer breitete sich nicht nur aus, es explodierte regelrecht. Der britische Pilot Richard Mayce erinnert sich, dass er auf „eine Art Dantes Inferno“ hinabblickte, „sogar das Wasser brannte“.
Nach Hamburg ließ das Bomber Command noch viele weitere deutsche Städte angreifen: Leipzig, Braunschweig, Kassel, Magdeburg und Nürnberg beispielsweise. Großes Entsetzen löste die Bombardierung Dresdens Mitte Februar 1945 aus – zu einem Zeitpunkt, als der Krieg längst entschieden war. Rund 25.000 Menschen kamen dabei ums Leben.

Bis dahin hatte der britische Premierminister Winston Churchill immer die Hand über Harris gehalten. Nun änderte sich das. „Butcher Harris“ (Schlächter Harris), wie er zuweilen genannt wurde, geriet zunehmend in die Kritik.
Arthur Harris sagte nach dem Krieg, dass er nichts bedauere
Am 15. September 1945 schied Harris aus der Royal Air Force aus und zog sich verbittert nach Südafrika zurück, wo er ein Schifffahrtsunternehmen leitete: die „South African Marine Corporation“. Da die Labour-Regierung den Angehörigen des Bomber Command eine umfassende Ehrung verweigerte, lehnte es Harris 1946 ab, sich zum Lord adeln zu lassen. Später nahm er auf Druck von Winston Churchill den Titel eines Barons an.
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Bevor er 1984 starb, wies Harris im Hinblick auf den Bombenkrieg mehrfach darauf hin, dass er nichts bedaure und wieder so handeln würde. Die Luftangriffe auf deutsche Städte hätten den Krieg um mindestens ein Jahr verkürzt, so seine Überzeugung.

Was war die „Operation Gomorrha“ nun: ein Kriegsverbrechen oder ein militärisch notwendiges Übel?
Hätte Deutschland den Krieg nicht begonnen, wäre es nicht zur „Operation Gomorrha“ gekommen
Tatsache ist, dass nach der immensen Zerstörung Hamburgs die Zahl der Deutschen, die noch an einen „Endsieg“ glaubten, deutlich zurückging. Außerdem sah sich Nazi-Deutschland gezwungen, die Produktion von Bombern herunterzufahren – zugunsten von Jagdflugzeugen, denn die wurden gebraucht, um weitere Luftangriffe zu verhindern. Ohne Bomber allerdings hatte Nazi-Deutschland nicht mehr die Möglichkeiten, eigene Offensiven durchzuführen.

Tatsache ist auch, dass aufgrund der massiven Bombenangriffe große Teile der deutschen Artillerie für die Verteidigung des Luftraums eingesetzt werden mussten – und deshalb für einen Angriffskrieg ausfielen.
Und schließlich ist auch dies Fakt: Hätte Deutschland den Zweiten Weltkrieg nicht begonnen, wäre es nie zur „Operation Gomorrha“ gekommen.