„Rassismus-Studie“: Forscher widerspricht Aussagen der Polizei-Gewerkschaft
Rassismus und rechte Strukturen bei der Polizei? Wissenschaftliche Studien sollen das untersuchen und die Ursachen erforschen. Alle Bundesländer machen mit – nur Hamburg und Baden-Württemberg weigern sich. Gegenüber der MOPO erklärte die Gewerkschaft der Polizei (GdP) jüngst, warum sie die Studie ablehnt. Professor Joachim Häfele ist darüber verärgert. Er gehört zum Leitungsteam, das die DeWePol-Studie für Hamburg konzipiert hat. Im Interview mit der MOPO widerspricht er vehement den Aussagen der GdP.
Hat die Hamburger Polizei ein Rassismus-Problem?
Das ist eine empirische Frage, die nur über unabhängige Forschung beantwortbar ist. Fest steht: Wir wissen sehr wenig über demokratiebezogene Einstellungen und Werthaltungen in der Polizei. Dass es Rassismus und rassistische Handlungen wie Racial Profiling gibt, ist keine neue Erkenntnis. Allerdings wissen wir kaum etwas über Ausmaß und Ursachen, die solche Einstellungen und Handlungen begünstigen.
Die Grüne Jugend unterstellt der Hamburger Polizei, sie wolle sich nicht mit dem Rassismus in den eigenen Reihen auseinandersetzen. Sehen Sie das auch so?
Rassismus und rechte Strukturen bei der Polizei? Wissenschaftliche Studien sollen das untersuchen und die Ursachen erforschen. Alle Bundesländer machen mit – nur Hamburg und Baden-Württemberg weigern sich. Gegenüber der MOPO erklärte die Gewerkschaft der Polizei (GdP) jüngst, warum sie die Studie ablehnt. Professor Joachim Häfele ist darüber verärgert. Er gehört zum Leitungsteam, das die DeWePol-Studie für Hamburg konzipiert hat. Im Interview mit der MOPO widerspricht er vehement den Aussagen der GdP.
Hat die Hamburger Polizei ein Rassismus-Problem?
Das ist eine empirische Frage, die nur über unabhängige Forschung beantwortbar ist. Fest steht: Wir wissen sehr wenig über demokratiebezogene Einstellungen und Werthaltungen in der Polizei. Dass es Rassismus und rassistische Handlungen wie Racial Profiling gibt, ist keine neue Erkenntnis. Allerdings wissen wir kaum etwas über Ausmaß und Ursachen, die solche Einstellungen und Handlungen begünstigen.
Die Grüne Jugend unterstellt der Hamburger Polizei, sie wolle sich nicht mit dem Rassismus in den eigenen Reihen auseinandersetzen. Sehen Sie das auch so?
Momentan erleben wir insbesondere von Seiten der Polizeigewerkschaften sehr viel Widerstand gegen die Durchführung unserer DeWePol-Studie. Das verwundert, da Annahmen über problematische Einstellungen- oder Praktiken ohne empirische Forschung sehr vage bleiben und gerade aufgrund dieser Vagheit eher zu Lasten der Polizei ausgelegt werden.

Die Polizeigewerkschaften schaden der Polizei demnach, wenn sie die Studie ablehnen?
Die Polizei sollte ein gesteigertes Interesse haben, solchen Fragen wissenschaftlich fundiert nachgehen zu lassen. Nur so lassen sich Stellschrauben identifizieren, mit denen demokratiefeindlichen Einstellungen präventiv begegnet werden kann. Die Polizei als Trägerin des Gewaltmonopols ist in besonderem Maße verpflichtet, sich transparent zu positionieren. Diese Professionalität wird auch von der Bevölkerung erwartet.
Was wollen Sie mit der DeWePol-Studie herausfinden?
Unsere Studie ist sehr breit angelegt und reicht von den oben bereits angesprochenen Fragen zu demokratiebezogenen Einstellungen und Werthaltungen über berufliche Belastungen bis hin zur allgemeinen Lebenssituation und Lebenszufriedenheit. Zentrales Ziel: Herauszufinden, ob und inwieweit berufliche Belastungen oder Stress einen Einfluss haben auf demokratiebezogene Einstellungen.
Sie gehen in Ihrer Studie auf die Belastung der Polizisten und deren Auswirkungen ein? Damit entsprechen Sie der Forderung der GdP, die eine Belastungsstudie anstatt einer „Rassismus-Studie“ fordern.
Ja, sogar explizit. Die Effekte von Negativerfahrungen wie Stress oder der einseitige Kontakt zu bestimmten Personen und Gruppen auf die „Weltbilder“ der Polizistinnen und Polizisten stehen im Mittelpunkt unserer Studie. Daher können wir unsere Studie auch guten Gewissens als Belastungsstudie bezeichnen.
Ein Kritikpunkt der Gewerkschaft an der DeWePol-Studie ist der unzureichende Datenschutz. Die Fragen seien so kleinteilig, dass Rückschlüsse auf einzelne Mitarbeiter problemlos möglich seien. Stimmt das?
Das Gesetz verlangt von Forschenden, dass sie ausreichende Maßnahmen zum Schutz der Daten vornehmen müssen. Dem sind wir verpflichtet und haben entsprechende Vorkehrungen getroffen. Zudem verfügen wir über keinerlei Personaldaten oder andere Informationen, die eine Identifizierbarkeit einzelner Personen ermöglichen würden. Die gewonnen Daten bleiben ausschließlich bei den Forscher:innen, die Polizei selbst hat keinen Zugriff.
Sie zeigen in der Studie Bilder von Personen und fragen nach deren Bedrohlichkeit. Wie verhindern Sie, dass Auswahl und Ausrichtung der Bilder bereits eine Tendenz vorgeben?
Der Vorwurf von Seiten der Gewerkschaft geht ja dahin, dass auch Frauen strafrechtlich relevante Handlungen begehen. Das ist zweifellos richtig. Aber um Ergebnisse nicht durch verschiedene Geschlechter zu verzerren, werden bei solchen Fragen stets Bilder des gleichen Geschlechts genommen. Hier werden Probleme konstruiert. Wir orientieren uns bei dieser Frage an international etablierten Messvorschlägen, nicht zuletzt um eine hohe Vergleichbarkeit unserer Ergebnisse zu gewährleisten. Alle Fragen können zudem übersprungen werden.
Polizisten sind dort im Einsatz, wo es Probleme gibt. Die Kriminalstatistik 2021 zeigt, dass Ausländer bei vielen Deliktfeldern unter den erfassten Tatverdächtigen deutlich überrepräsentiert sind. Was schließen Sie daraus?
Die polizeiliche Kriminalstatistik ist vor allem eine Tatverdächtigen-Statistik. Sie spiegelt eher das Registrierungsverhalten der Polizei wider und gibt kaum ein valides Bild der Kriminalitätswirklichkeit. Darüber hinaus sagen diese Zahlen wenig darüber aus, ob ein Tatverdacht vor Gericht bestehen bleibt. Während es in den Verurteilungszahlen kaum Unterschiede zwischen Deutschen und Nicht-Deutschen gibt, sind die Nicht-Deutschen im Bereich der offiziell registrierten Tatverdächtigen typischerweise deutlich überrepräsentiert.
Woran liegt das?
Das hat vielfältige Gründe – dazu gehört jedoch nicht, dass Nicht-Deutsche krimineller wären als Deutsche. Verantwortlich für diese Überrepräsentanz sind vor allem Verzerrungen. So ist die Wahrscheinlichkeit angezeigt zu werden für Nicht-Deutsche deutlich höher als für Deutsche und gut 95 % der offiziell registrierten Straftaten sind durch die Bevölkerung angezeigte Delikte. Außerdem gibt es Straftaten, die nur von Nicht-Deutschen begangen werden können – ausländerrechtliche Verstöße – nicht zuletzt werden auch Tourist:innen und Durchreisende als Tatverdächtige registriert, die jedoch nicht in der Bevölkerungsstatistik aufgeführt sind.
Was folgt daraus?
Beziehe ich diese Zahlen in polizeiliche „Lageerkenntnisse“ ein, wird schnell klar, dass diese Gruppe dann auch mit höherer Wahrscheinlichkeit kontrolliert wird. Im Grunde ist es eine einfache Mathematik: Kontrolliere ich eine Gruppe, die in der Bevölkerung nur eine Minderheit darstellt, gleich häufig oder sogar häufiger als andere, so steigt allein dadurch die „Tatverdächtigenzahl“ dieser Gruppe deutlich an. Wird dies nicht reflektiert, sind hochproblematische Folgen vorprogrammiert – nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für die Polizei und die Gesellschaft im Ganzen.
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Haben Sie mit den Gewerkschaften (GdP, DPolG, BdK) über deren Bedenken und persönliche Einsatz-Erfahrungen gesprochen und die Erkenntnisse in die Studie einfließen lassen?
Es gab dazu Vorgespräche und weitere Gespräche sind terminiert. Insofern haben uns die Äußerungen von Herrn Osburg (GdP) in der MOPO nicht nur sehr irritiert, sondern auch sehr verärgert.