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  • Fordert die Öffnung kleiner Geschäfte: Mirko Beyer (43) vor seinem geschlossenen Laden „Casual Couture" in der Neustadt.
  • Foto: hfr

Hamburger Einzelhändler warnt: „Wenn nichts geschieht, sterben kleine Läden für immer“

Endlich Frühling! Weg mit den Winterklamotten und her mit was Neuem. So geht es vielen zu dieser Jahreszeit. Die Sonne und steigenden Temperaturen wirken positiv aufs Gemüt und lassen die Shoppinglust wachsen. Für uns Klamottenladen-Besitzer beginnt im März die gute Zeit. Nach dem Jahresbeginn, in dem durch den Sale zwar Umsatz generiert, aber wenig Gewinn hängen geblieben ist, kann nun endlich wieder Vollgas gegeben werden. Aber Moment, nicht in diesem Jahr, die Welt steht Kopf und wir mit ihr.

Mein Laden „Casual Couture“ in der Neustadt  sonst ein Anlaufpunkt für Fußball-Casuals und Männer mit gutem Modegeschmack – ist seit der Verkündung der Corona-Maßnahmen Mitte März geschlossen. Zwar haben wir einen Onlineshop, doch dieser ist wirtschaftlich von meinem Laden getrennt. Das bedeutet: Aktuell gibt es keine Einnahmen in meinem Geschäft und auch keine Möglichkeiten, welche zu generieren.

Miet-Stundung, Kredite, Gutscheine – das Problem wird nur verschoben

Demgegenüber stehen die laufenden Kosten. Vor allem für die Miete. Für meinen Mitarbeiter konnte ich immerhin 100 Prozent Kurzarbeit beantragen. Was allerdings auch kein gutes Gefühl ihm gegenüber ist. Ob Stundung der Miete, günstige Kredite oder Verkauf von Gutscheinen – das alles bringt mir nichts, es schiebt das Problem nur weg. Denn die Gleichung ist ganz simpel: Keine Einnahmen bedeutet kein Geld für irgendwas. Weder jetzt, noch nach der Krise.

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Denn wenn wir die Tür irgendwann wieder öffnen, werden die Leute ja nicht doppelt so viel einkaufen, um die Verluste der Zeit der Schließung auszugleichen. Da nützt auch die anvisierte Förderung durch Stadt und Staat nur bedingt etwas. Sie hilft mir zwar meine Kosten zu decken, doch schiebt sie auch das Problem weiter vor uns allen her. Denn wenn ich die Gleichung anpasse, bedeutet die Förderung: Keine Einnahmen gleich kein Geld für den Lebensunterhalt. Und gerade für den gehen wir ja arbeiten.

„Soll ich warten, bis ich endgültig bankrott bin?“

Das Hauptproblem ist die Unplanbarkeit. Keiner kann sagen, wie lange die Maßnahmen noch Bestand haben sollen. Denn mal ganz ehrlich, was soll sich bis nach Ostern geändert haben?

Was sollen ich und viele andere Ladenbetreiber also tun? Abwarten, bis das Ersparte aufgebraucht ist und uns dann in den Bankrott verabschieden?

Nur um es klarzustellen: Ich halte die Abstands- und Hygieneregeln für richtig und notwendig, um die Ausbreitung der Pandemie zu stoppen. Auch das schnelle Handeln der Regierung fand ich bewundernswert. Doch ich denke, es ist an der Zeit, über das „Sofort“ hinauszudenken.

„Warum darf ein Blumengeschäft wieder öffnen und ich nicht?“

Denn wie kann es sein, dass die Menschen vor den Baumärkten Schlange stehen und im Supermarkt versuchen, sich mit ihren Einkaufswagen zu umkurven, während meine Tür geschlossen bleibt? Warum darf ein Blumengeschäft wieder öffnen? Und vor allem: Warum dürfen die großen Supermarktketten weiter lustig Textilien verkaufen und ich nicht?

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Mein Laden ist wie viele andere unabhängige Geschäfte in Hamburg bekannt für seine individuelle Beratung. Das liegt vor allem daran, dass – außerhalb der Stoßzeiten am Wochenende oder bei Veranstaltungen – eh meist nur ein Kunde im Laden ist. Selbst wenn zwei da wären, könnten sie sich bei uns bequem aus dem Weg gehen. Stellen wir uns also mal vor: Ein Kunde kommt in den Laden, klingelt und wird hereingelassen, er sieht sich um, probiert die Sachen an, entscheidet sich, bezahlt und geht glücklich nach Hause. Sollte in der Zwischenzeit tatsächlich ein weiterer Kunde klingeln, würde ich ihn bitten, in 15 Minuten wiederzukommen. Ich selbst würde einen Mundschutz zum Schutz der Kunden tragen und nach jedem Besuch die Kontaktfelder desinfizieren.

„Kontaktverbot ist bei kleinen Läden viel einfacher umzusetzen“

Das Kontaktverbot wäre bei kleinen Einzelhändlern viel leichter umzusetzen und einzuhalten als bei großen Lebensmittelversorgern oder Baumärkten. Meiner Ansicht nach muss hier dringend und schnell nachjustiert werden. Denn sonst erleben wir binnen kürzester Zeit ein Ladensterben ungeahnten Ausmaßes.

Es sind gerade die individuellen Geschäfte, die bedroht sind. Die Lieblingsläden, die besonderen Shops oft mit nachhaltigen Produkten, die sich von den großen Ketten mit ihrer Einheitsware unterscheiden. Sind diese Läden erstmal weg, kommen sie auch so schnell nicht wieder. Oder nie wieder. Die Folgen kann man sich nur ausmalen: Leerstand in St. Georg, in der Neustadt, im Karoviertel oder in der Schanze. Vielleicht ziehen später Handy-Shops in die leergeräumten Geschäfte. Oder Kette X&Y macht noch eine Filiale auf. Aber das gemütliche Bummeln, das den Charme ganzer Stadtteile in Hamburg ausmacht, könnte bald der Vergangenheit angehören. Und das ist in niemandes Interesse.

Deshalb sage ich: Nehmt uns Shop-Betreiber in die Verantwortung und lasst uns unseren Job machen!

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