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  • Dirk Kienscherf, Fraktionsvorsitzender der SPD in der Hamburgischen Bürgerschaft.
  • Foto: dpa

Gastkommentar: „Wir brauchen beim Impfstoff endlich Verlässlichkeit“

Dirk Kienscherf (55) ist seit April 2018 Fraktionschef der SPD in der Hamburgischen Bürgerschaft. Auch seine Fraktion arbeitet derzeit überwiegend im Homeoffice. In einem Gastbeitrag für die MOPO kritisiert er die Impfstoff-Hersteller für die Benachteiligung Europas gegenüber den USA.

Wo bleibt der Corona-Impfstoff? Mitten in der Pandemie drosselt US-Konzern Pfizer die Produktion in Europa und nimmt damit in Kauf, dass Lieferkapazitäten schrumpfen. Das ist für Deutschland und Europa doppelt hart: Denn während Vakzine, die in den Vereinigten Staaten hergestellt werden, vorerst auch nur in den USA zum Einsatz kommen, muss die europäische Produktion auch alle weiteren Länder der Welt allein versorgen. 

Kapazitäten in der Impfstoff-Produktion müssen ausgebaut werden

Völlig klar, die Kapazitäten in der Impfstoff-Produktion müssen kurz- und mittelfristig kräftig ausgebaut werden – aber nicht auf Kosten der laufenden Produktion. Dieses Agieren ist verantwortungslos vor dem Hintergrund neuer, sich leichter verbreitender SARS-Cov-2-Mutationen. Auch der britisch-schwedische Entwickler AstraZeneca scheint seine Lieferzusagen gegenüber der EU aktuell nicht einhalten zu können. Doch die europäischen Impfprogramme stehen und fallen mit der Verfügbarkeit des Impfstoffs.

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Es war richtig, in der Impfstoffbeschaffung europäisch zu handeln und die Verhandlungen mit den Herstellern gemeinsam zu führen. Unser Kontinent wird nur gemeinsam die Pandemie besiegen können – das haben die nationalen Egoismen im Frühjahr 2020 ganz deutlich gezeigt. Die EU muss zusammen mit den nationalen Gesundheitsministerien dafür sorgen, dass Europa von allen Beteiligten ernst genommen wird, und deutlich machen, dass Verträge einzuhalten sind.

Hamburger Messehallen: Impfzentrum ermöglicht 7000 Impfungen am Tag

Die Aufgabenteilung ist seit Langem klar: Europa und der Bund sorgen für Impfstoff, die Bundesländer organisieren die Verabreichung. Hamburg hat in den vergangenen Wochen eine umfassende Impf­logistik aufgebaut. Mobile Teams stehen bereit, um den flüchtigen Impfstoff, der bei -70 Grad gelagert werden muss, in besonders schützenswerten Bereichen wie etwa der Altenpflege einzusetzen. In den Messehallen ist ein zentrales Impfzentrum mit medizinischem Personal entstanden, dass am Tag 7000 Impfungen vornehmen kann. Vor diesem Hintergrund ist es umso schwerer zu fassen, dass alles, woran es jetzt noch fehlt, die auch von einem deutschen Unternehmen entwickelten Impfstoffe sind.

Alles zu Corona in Hamburg in unseren Newsticker

Aber es geht in diesen Tagen nicht darum, wer für die Knappheit der Impfstoffe verantwortlich ist. Es geht darum, genügend Impfstoff zur Verfügung zu stellen. Deshalb müssen wir schnell aus unseren Fehlern lernen und sie korrigieren. Auch in Hamburg ist der Impfstart nicht reibungslos gelaufen. Die Kritik von Betroffenen, die schier endlose Zeiten in Telefon-Warteschleifen verbringen mussten, ist berechtigt. Es ist gut, dass hier nachgebessert wird – etwa indem die Kapazitäten der Hotline ausgeweitet werden und Paare künftig gemeinsam Termine wahrnehmen können. Wohlfahrtsverbände sollen mehr Handlungsspielräume zur Unterstützung der Betroffenen erhalten, und auch notwendige Fahrdienste werden derzeit organisiert.

Hamburg: Alle die möchten, werden ein Impfangebot bekommen

Engpass bleiben mithin die Impfstoffe. Sie werden erst einmal ein knappes, sehr begehrtes Gut bleiben. Die zunehmende Vielfalt wird schon bald breitere dezentrale Impfungen ermöglichen. Doch pünktliche Lieferungen sind entscheidend, damit Länder und Städte verlässliche Impfplanungen treffen können. Ich wünsche mir, dass die EU und das Bundesgesundheitsministerium endlich ihr ganzes Gewicht in die Waagschale werfen, um die Impfstoff-Lieferungen anzukurbeln. Das ist besser, als Zeitpläne für den Sommer auszugeben, die bei der nächstbesten Gelegenheit von der Realität eingeholt werden.

Für Hamburg steht fest: Alle die möchten, werden ein Impfangebot bekommen. Doch bis dahin braucht es Geduld und vor allem: eine intensivere Zusammenarbeit im Bund, in Europa und auf Seite der Impf-Unternehmen.

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