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  • FDP-Politikerin Katja Suding.
  • Foto: picture alliance/dpa

FDP-Politikerin Katja Suding: „Es muss ab jetzt Lockerungen geben“

FDP-Politikerin Katja Suding kritisiert in ihrem Gastbeitrag für die MOPO Bundeskanzlerin Angela Merkel: Eine Debatte über das Ende der Ausnahmeregelungen sei dringend nötig, schreibt die Vize-Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion

„Um die Ausbreitung des neuartigen Corona-Virus zu verlangsamen, wurden von den Regierungen in Bund und Ländern Maßnahmen angeordnet, die tief in unsere Grund- und Freiheitsrechte eingreifen. Das war leider notwendig, um das Risiko, unser Gesundheitssystem zu überfordern, so gering wie möglich zu halten.

FDP-Politikerin Suding: Kritik an Bundeskanzlerin Merkel

Für mich sind dabei aber zwei Überlegungen zentral: Sind die Maßnahmen geeignet und verhältnismäßig, um die Epidemie einzudämmern und Leben zu retten? Und: Wie stellen wir sicher, dass die freiheitseinschränkenden Maßnahmen nicht länger als nötig bestehen bleiben? In einer freiheitlichen Gesellschaft darf und muss offen über diese Fragen debattiert werden. Ich halte es daher für einen Fehler, wenn die Kanzlerin und andere hochrangige Politiker die Debatte darüber im Keim ersticken wollen – aus Angst davor, die Kontrolle zu verlieren.

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Denn wir dürfen nicht übersehen, welche Härten diese Einschränkungen bedeuten. Für manche geht es „nur“ darum, dass sie nicht mehr shoppen gehen und ihre Freunde nicht treffen können. Das kann man eine Zeit lang aushalten, auch wenn es sicher schwer fällt. Für viele geht es jedoch um viel mehr. Da sind die Älteren in den Alten- und Pflegeheimen, die einsam sind, weil sie niemand aus der Familie mehr besuchen darf. Diejenigen, die jahrelang gearbeitet haben, um sich und ihren Familien mit einem eigenen Unternehmen oder Geschäft eine Existenz zu sichern, und die nun vor dem Nichts stehen. Die Gefahr von häuslicher Gewalt, unter der insbesondere, aber nicht nur Kinder und Frauen leiden, steigt. Kinder aus bildungsfernen Familien fallen im Unterrichtsstoff weiter zurück als ihre Mitschüler, die beim Unterricht zu Hause viel Unterstützung von ihren Familien bekommen. Die Abhängigkeit der Bildungschancen vom Elternhaus steigt weiter. Das alles belastet mich sehr.

Coronavirus: Wirtschaft darf nicht kollabieren

Natürlich kann man Menschenleben und persönliche und wirtschaftliche Freiheit nicht gegeneinander aufwiegen, das wäre zynisch. Wenn aber die Wirtschaft zusammenbricht, brechen auch unser Gesundheits- und das Sozialsystem zusammen. Deshalb müssen wir beides zusammendenken. Wir müssen die Gesundheit der Menschen schützen, dürfen aber nicht zulassen, dass die Wirtschaft kollabiert. Die Zeit des Shutdowns muss daher genutzt werden, um ausreichende Kapazitäten an Intensivbetten in den Krankenhäusern aufzubauen und genügend Schutzmasken für pflegendes und medizinisches Personal zu beschaffen. Es muss massenhaft getestet werden, sowohl auf das Virus als auch auf Antikörper. Die Entwicklung von datenschutzkonformen Apps, die Infektionsketten sichtbar machen, schreitet voran. Inzwischen liegen mehr belastbare medizinische Daten und wissenschaftliche Erkenntnisse vor, die Grundlage für politische Entscheidungen sind.

Sie helfen uns, die Kriterien zu definieren, unter denen Stück für Stück Teile des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens und unseres Bildungssystems wieder hochgefahren werden können. Es wird nicht sofort wieder alles so sein wie vor der Krise, und es mag Rückschläge geben, in denen Beschränkungen zeitweise wieder verschärft werden. Aber da, wo es verantwortbar ist, wo gesundheitliche Risiken beherrschbar sind, muss es ab jetzt Lockerungen geben. Wenn Supermärkte unter Einhaltung von Hygiene- und Abstandsregeln geöffnet sind, dann muss das auch wieder für den Einzelhandel und die Gastronomie möglich sein. Das Gleiche gilt für die industrielle und gewerbliche Produktion. Schulen und Universitäten können wieder öffnen, zunächst möglicherweise zeitlich entzerrt und für ältere Jahrgänge, denen die Einhaltung von Abstandsregelungen zugetraut werden darf. Wenn Joggen im Freien erlaubt ist, muss das auch für Sportarten gelten, bei denen großer Abstand gewahrt wird, wie beispielsweise Tennis oder Badminton.

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Die Corona-Krise verlangt von uns allen, Entwicklungen in der gesamten Gesellschaft zu betrachten. Wir müssen gesundheitliche Risiken minimieren und dafür geeignete Maßnahmen beschließen und befolgen. Sie verlangt aber genauso, dass wir die sozialen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Schäden, die damit zwingend einhergehen, klar im Blick behalten und verantwortlich gegensteuern.“

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