Karina Willms vor den Kai-Anlagen in Waltershof
  • Wurde gefeuert: Hafenarbeiterin Karina Willms (44) wird für ihre Bitte um familienfreundliche Arbeitszeiten bei Eurogate bestraft.
  • Foto: Florian Quandt

Eurogate kündigt Hafenarbeiterin, weil sie familiengerechte Arbeitszeiten will

Schon wieder ein Fall von Frauendiskriminierung bei Eurogate: Weil eine alleinerziehende Hafenarbeiterin um familienfreundliche Arbeitszeiten gebeten hatte, wurde ihr gekündigt. Sie wehrte sich vor Gericht – und gewann. Mit diesen Mitteln versucht das Unternehmen nun trotzdem, Karina Willms loszuwerden.

Von ihrem Arbeitsplatz hoch oben auf den Kränen des Containerterminals Eurogate in Waltershof hat Karina Willms einen der schönsten Ausblicke in ganz Hamburg. Die 44-Jährige liebt ihren Job im Hafen, wo sie seit 18 Jahren arbeitet.

Als Tallyman fing sie damals an, qualifizierte sich zur Hafenfacharbeiterin und bewegt seither die Container an und von Bord der Schiffe. Auch ihr Vater arbeitet seit 45 Jahren als Hafenarbeiter.

Wegen Kinderbetreuung: Hafenarbeiterin bittet um Einteilung in die Frühschicht

„Ich hätte erwartet, dass man nach so langer Zeit anders mit mir umgeht“, sagt Karina Willms enttäuscht – fünf Monate nachdem sie von ihrem langjährigen Arbeitgeber eine Kündigung erhielt. Was war passiert?

Nach der Trennung von ihrem Mann, die sie alleinerziehend mit zwei Kindern (7 und 13) zurückließ, hatte Karina Willms bei Eurogate darum gebeten, nur noch in die Frühschicht von 6.30 Uhr bis 15 Uhr eingeteilt zu werden, um sich nachmittags und abends um ihre Kinder kümmern zu können.

Denn: Die Spätschicht (14.30 bis 23 Uhr) und die Nachtschicht (22.30 bis 7 Uhr), in denen Willms früher genau wie ihre Kollegen regelmäßig gearbeitet hat, sind für die nun Alleinerziehende aus einem kleinen Dorf in Niedersachsen, in dem es keine Familienangehörigen gibt, eine Zerreißprobe geworden. Zumal Willms Sohn auch noch einen besonderen Betreuungsbedarf hat. Die Väter der beiden Kinder leben nicht in der Nähe und sind im Alltag keine Unterstützung.

„Keine individuellen Arbeitszeiten“: Eurogate lehnt feste Einteilung in Schichten ab

Doch die persönliche Situation ihrer Angestellten interessiert bei Eurogate offenbar niemanden. Die feste Einteilung in die Frühschicht wurde Willms verweigert. „Da könnte ja jeder kommen“, so die Haltung, die bei ihr ankam. Was Willms besonders empört: Bei den Spät- und Nachtschichten lässt Eurogate die feste Einteilung sehr wohl zu.

Das Unternehmen will sich zu dem Streit nicht äußern. „Eurogate kommentiert laufende Verfahren nicht“, so ein Sprecher. In einem ähnlich gelagerten Fall hatte das Unternehmen vor zwei Jahren gegenüber der MOPO erklärt, es gebe bei Eurogate viele Eltern in einer vergleichbaren Situation. „Leider können wir als Schichtbetrieb nicht für alle Eltern individuelle Arbeitszeiten vereinbaren.“

Zu der unterschiedliche Handhabung bei der Genehmigung fester Schichten hatte Eurogate damals erläutert: „Es gibt freiwillige reine Nacht- und Spätschichtmitarbeiter:innen. Hierdurch müssen die restlichen Mitarbeiter:innen, davon viele Eltern (…), weniger Spät- und Nachtschichten leisten. Frühschichten sind bei sehr vielen Mitarbeiter:innen sehr beliebt.“

Bitteres Weihnachtsgeschenk: Kündigung lag am 23. Dezember im Briefkasten

Karina Willms wehrte sich gegen das, was sie als Benachteiligung empfindet. Noch während die Güteverhandlung zu den Arbeitszeiten lief, stellte Eurogate die erste Kündigung zu. Wahrscheinlich, weil die Richterin durchscheinen lassen hatte, dass sie für Willms entscheiden würde. Eine zweite Kündigung folgte nur zwei Monate später – quasi als Weihnachtsgeschenk am 23.12.2022.

Karina Willms zog vor Gericht und bekam Recht. Das Urteil vom 27. Februar, das der MOPO vorliegt, hält fest, dass Willms „zu unveränderten Bedingungen auf Grundlage ihres Arbeitsvertrages (…) weiter zu beschäftigen ist“ und die Kündigungen unwirksam sind.

Was für die Hafenarbeiterin zunächst ein Erfolg war und für Erleichterung sorgte, wurde jedoch bald zur Zitterpartie. Denn Eurogate hat Berufung gegen das Urteil eingelegt. Einen Verhandlungstermin gibt es noch nicht. Es kann Monate dauern, bis es soweit ist.

Unbequeme Maßnahmen: Eurogate will Hafenarbeiterin loswerden

Bis dahin versucht Eurogate nun alles, um die resolute Mitarbeiterin loszuwerden. Das Unternehmen hat erklärt, dass Willms 1. keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall bekommt, 2. dass sie keine Feiertagszuschläge bekommt, dass sie 3. keine Urlaubstage bezahlt bekommt. Außerdem wurde sie am Karfreitag und Ostermontag zum Dienst eingeteilt – wo die Schulen zu sind und es keine Betreuung für die Kinder gibt.

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Das Schlimme: Diese sogenannte „Prozessbeschäftigung“ (bis zum Berufungstermin) ist deshalb zulässig, weil der Betriebsrat keinen Widerspruch gegen die Kündigung eingelegt hat. Das männlich dominierte Gremium hat offenbar ebenfalls wenig Mitgefühl für die Situation der alleinerziehenden Mutter. Eine Anfrage der MOPO blieb unbeantwortet. Willms: „Ich fühle mich im Stich gelassen.“

Karina Willms ist nicht allein. Vor zwei Jahren stritt die Hafenarbeiterin Heike Röhrs mit Eurogate ebenfalls um familienfreundliche Arbeitszeiten. Röhrs gewann vor Gericht, was das Unternehmen allerdings nicht zur Einsicht brachte: Statt als VanCarrier-Fahrerin wird Röhrs seitdem nur für niedere Aufgaben eingesetzt: Sie sammelt Müll ein.

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