• Margot Niemann (49) vom Electrum-Museum in Harburg führt vor, wie die ersten Telefone bedient wurden.
  • Foto: Olaf Wunder

Es war im Jahr 1881: Warum bei Hamburgs erstem Telefonat gesungen wurde

Das 19. Jahrhundert ist das Jahrhundert der Erfindungen: Dampfmaschine, Eisenbahn, elektrisches Licht, Kanalisation, Wasserklosett – den Hamburgern damals muss schier schwindlig gewesen sein ob all der Neuerungen. Dinge, die bis dahin völlig undenkbar schienen, waren mit einem Mal möglich. Das galt auch und gerade für die Kommunikation. Am 18. März 1838 wurde ein Traum wahr: die sogenannte Optische Telegrafie ermöglichte es erstmals, Nachrichten in Windeseile über große Distanzen zu befördern.

Wer bis zur Einführung des Optischen und später des Elektrischen Telegrafen Nachrichten übermitteln wollte, war darauf angewiesen zu trommeln (das ist schon ein bisschen her) oder einen Brief zu schreiben und – lange, sehr lange auf Antwort zu warten.

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So sahen in Hamburg um 1820 die Postboten aus. Eine Lithografie von Christoffer Suhr

Foto:

Staatsarchiv Hamburg

Schon 1622 gab es den ersten regelmäßigen Postdienst

Schon ab 1622 gab es zwischen Hamburg und Lübeck, den beiden bedeutenden Hansestädte, einen regelmäßigen Postdienst. Nach und nach entwickelte sich ein flächendeckendes Netz an Postgesellschaften, die erst Postreiter und seit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges auch Postkutschen zur Beförderung der Sendungen einsetzten. 

Anfang des 19. Jahrhunderts war das mit der Post in Hamburg eine komplizierte Angelegenheit: Damals mokierte sich ein gewisser Eduard Lehmann in seinem Buch „Hamburg wie es ist“ darüber, dass es acht Postgesellschaften gab, die auch noch so weit voneinander entfernt waren, dass ein Bürger, der Briefe in verschiedene Himmelsrichtungen versenden wollte, Stunden brauchte, sie alle aufzugeben.

Da gab es eine Stadtpost am Neuen Wall, wo Sendungen abgegeben werden konnten, die für Holland, England, Bremen, Oldenburg und Übersee bestimmt waren. Das Fürstlich Thurn- und Taxische Oberpostamt in der Bergstraße beförderte Post nach Württemberg und der Schweiz. Dann gab es noch ein Königlich-Dänisches Postamt (ABC-Straße 30) für Sendungen nach Dänemark, ein Königlich-Schwedisches (Hohe Bleichen 5) für Sendungen nach Schweden und Norwegen, ein Königlich-Preußisches (Große Bleichen 58) für Briefe nach Preußen, Russland, Österreich und Sachsen und noch drei weitere, die aufzuzählen wir uns hier ersparen.

Man ahnt es schon: Bis ein Brief sein Ziel erreichte, dauerte es Wochen oder Monate. Oft kam er auch gar nicht an, weil er verloren ging, die Postboten überfallen wurden oder verunglückten. Und manchmal war die Information, wenn sie eintraf, schon nichts mehr wert.

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Die Alte Post heute: Oben auf der Spitze befanden sich früher die Semaphoren des Optischen Telegrafen.

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imago/Christian Ohde

Der Optische Telegraf: eine Revolution der Kommunikation

Zeit ist Geld, das wusste der Altonaer Weinessigfabrikant Johann Ludwig Schmidt und witterte ein gutes Geschäft, als er von einer neuen Erfindung hörte: der Optischen Telegrafie. Seine Hoffnung war es, dass vor allem Hamburgs Reeder daran interessiert sein könnten. Es wäre doch sehr hilfreich, dachte er, wenn sie frühzeitig erfahren würden, welches ihrer Schiffe gerade bei Cuxhaven in die Elbe einläuft. Ein solcher Schiffsmeldedienst würde den Reedern genügend Vorlauf geben, um schon mal alle Vorbereitungen für die Entladung und die Lagerung der Güter zu treffen.

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Die Alte Post an der Poststraße in einer Zeichnung aus dem 19. Jahrhundert. Der oktogonförmige Baukörper an der Spitze des Turms wurde nur deshalb oben aufgesetzt, um die richtige Höhe für die Optische Telegrafie zu erreichen.

Foto:

Staatsarchiv Hamburg

Johann Ludwig Schmidt hoffte auf gute Umsätze – und begann 1837 mit dem Bau seiner Telegrafenlinie. Die Stationen Cuxhaven, Otterndorf, Dobrock, Hechthausen, Stade, Schulau und Blankenese wurden noch im selben Jahr fertig. In jedem dieser Orte wurden sogenannte Semaphoren, also schwenkbare Signalarme, auf hohen Gebäuden, Türmen oder Kirchen angebracht. Am 18. März 1838 stand schließlich die Verbindung bis zum Hamburger Hafen. Als 1842 der Große Brand ausbrach, war der Optische Telegraf ein großer Segen, denn mit seiner Hilfe war es möglich, kurzfristig Rettungskräfte und Feuerwehren aus dem Umland herbeizurufen.

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Der Turm der Alten Post an der Poststraße: Er wurde höher gebaut als geplant – damit er hoch genug war für den Optischen Telegrafen

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Staatsarchiv Hamburg

Raten Sie mal, wieso der Turm der Alten Post so komisch aussieht!

1848 wurde die Telegrafenlinie noch einmal verlängert, und zwar bis zur Alten Post in der Poststraße – ein Gebäude das  Baumeister Alexis de Chateauneuf im Stile der toskanischen Renaissance errichtet hatte und das bis heute  ein Wahrzeichen der Hamburger City ist. Falls Sie sich, lieber Leser, immer schon gefragt haben, was eigentlich der merkwürdige oktogonförmige Baukörper oben an der Spitze des markanten Turms zu suchen hat, dann können wir es Ihnen heute erklären: Der kam ins Chateauneufs Plänen eigentlich gar nicht vor. Der Turm wurde nachträglich aufgestockt, und zwar einzig, um die richtig Höhe für den Telegrafen zu erreichen. 

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Funktionsweise der Optischen Telegrafie: Jede Stellung der Semaphoren stand für einen anderen Buchstaben.

Foto:

Staatsarchiv Hamburg

Optische Telegrafie funktionierte nach dem Dominoprinzip

Das Entscheidende bei der Optischen Telegrafie war ja, dass das Bedienpersonal der Telegrafen-Stationen Sichtkontakt untereinander hatte. Denn so funktioniert das System: Gab es eine Nachricht zu übermitteln, betätigte beispielsweise das Personal auf dem Turm der Alten Post mittels Seilzügen die schwenkbaren Signalarme. Für jeden Buchstaben des Alphabets musste ein bestimmtes Signal gegeben werden.

Auf der nächsten Station – nämlich dem „Baumhaus“ am Baumwall – , standen die Kollegen mit Fernrohren, notierten sich die Nachricht, um sie anschließend weiterzugeben, indem sie ebenfalls an den Seilzügen zogen. Sozusagen nach dem Dominoprinzip setzte sich die Nachricht fort bis zum Hotel „Belvedere“ in Cuxhaven, der Endstation der Linie. Wenn kein Nebel war, brauchte eine Nachricht von Hamburgs Altstadt bis an die Elbmündung ein bis zwei Stunden. Das war gigantisch schnell für jene Zeit.

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Hier posieren die Mitarbeiter des sogenannten Zweig-Telegrafenamtes, das sich in der Börse am Adolphsplatz befand, für den Fotografen. Eine Aufnahme vom 15. Januar 1900.

Foto:

Staatsarchiv Hamburg

Nach elf Jahren das Ende: der elektrische Telegraf wurde erfunden

Der Optische Telegraf versah elf Jahre zuverlässig seinen Dienst. Als 1847 die elektrische Telegrafie erfunden wurde, wehrte sich Johann Ludwig Schmidt mit allen erdenklichen Mitteln gegen den Untergang. Sogar vor Rufmord schreckte er nicht zurück. Er setzte das Gerücht in Umlauf, die Leitungen des elektrischen Telegrafen würden die Bildung von Regenwolken verhindern und Missernten auslösen.

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Margot Niemann (49) vom Electrum-Museum in Harburg führt vor, wie die ersten Telefone bedient wurden.

Foto:

Olaf Wunder

Damit erreichte er letztlich nur, dass Bauern immer wieder Sabotageakte verübten und Soldaten die Telegrafenlinien mit Waffengewalt schützen mussten, aber sein Unternehmen konnte er nicht retten. Am 19. August 1849 wurde der Betrieb eingestellt.

Nochmal 32 Jahre gingen ins Land, bis es zu einer Erfindung kam, die die menschliche Kommunikation vollends revolutionierte und die auch heute noch unseren Alltag bestimmt: das Telefon.

Das erste Telefonat Hamburg führte der Bariton Eugen Gura

In Hamburg fand das allererste Telefonat am 18. April 1881 statt, und zwar morgens um 8 Uhr zwischen den Redaktionsräumen des „Hamburgischen Correspondenten“ im Gebäude Alter Wall 26 und der nahegelegenen Börse. Das besondere dabei: Es wurde nicht gesprochen, sondern gesungen. Zur feierlichen Einweihung, an der zahlreiche Honoratioren und Journalisten teilnahmen, schmetterte nämlich der damals berühmte Opernsänger Eugen Gura eine Arie in die zwei Pfund schwere Sprechröhre. Als sich seine wunderbare Stimme am anderen Ende gut vernehmen ließ, waren die letzten Zweifel ausgeräumt.

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Bariton Eugen Gura führte 1881 das erste Hamburger Telefonat: Er sang eine Arie.

Foto:

Staatsarchiv Hamburg

Natürlich gab es trotzdem viele Skeptiker. Viele rümpften die Nase über diese seltsame Apparatur. Mit einem reden, der gar nicht da ist? „Wat dat nu all weer sull?“, fragte sich der kleine Mann auf der Straße. Hamburgs Journalisten dagegen waren völlig begeistert. Ein Redakteur des  „Hamburgischen Correspondenten“ schrieb, die neue Technik sei  „bahnbrechend“ und biete „die Möglichkeit, das gesprochene Wort beliebig in jeden Zweig eines ausgebreiteten Telegraphennetzes zu versenden.“

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Altes Telefon der Deutschen Reichspost.

Foto:

Volker Schimkus

Philipp Reis und Alexander Graham Bell waren die Erfinder

Das Gerät, das man Fernsprecher nannte, war eigentlich schon 20 Jahre zuvor erfunden worden: 1861 hatte Physiklehrer Philipp Reis den Honoratioren des Physikalischen Vereins Frankfurt vorgeführt, dass sich mit Hilfe elektrischen Stroms Töne übertragen lassen. Aber erst der Schotte Alexander Graham Bell schaffte es, das Wunderding populär zu machen.

Nicht nur Hamburg, viele deutsche Städte bekamen 1881  Telefon, aber nirgendwo – nicht einmal in Berlin – machten so viele Bürger mit wie in Hamburg: 94 Teilnehmer waren vom ersten Tag an mit dabei, darunter namhafte Firmen und Persönlichkeiten wie die Reedereien Laeisz und Hapag, der Bankier Berenberg oder Schiffsmakler Robert M. Sloman.

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In den Anfangsjahren der Telefonie wurden die Telefonleitungen noch oberirdisch verlegt – dazu dienten solche Fernsprechgerüste. Dieser hier stand am Holstentor.

Foto:

Staatsarchiv Hamburg

So kompliziert war das Telefonieren anfangs 

Telefonieren war anfangs allerdings noch etwas mühsam. Auf dem hölzernen Kasten an der Wand befand sich ein Knopf. Wurde der gedrückt, schoss Strom durch die Leitung bis ins Fernsprechamt. Dort fiel sodann eine Klappe herunter – daran merkt der Beamte, dass jemand zu telefonieren wünschte. Er fragte sogleich: „Hier Amt, was beliebt?“ und stellte dann die Verbindung her.

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Sie haben richtig gelesen: Anfangs übernahmen Männer diese Aufgabe. Später stellte die Post fest, dass sich die weibliche Stimme dafür viel besser eignet. Daraufhin nahm das berühmte „Fräulein vom Amt“ ihren Dienst auf.

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So hörten die einfachen Leute Radio: mit Hilfe eines Detektorempfängers. Es gab noch keinen Lautsprecher, sondern nur Kopfhörer.

Foto:

Volker Schimkus

Im größten Fernsprechamt der Welt begann auch Hamburgs Radio-Geschichte

1881 kostete der Telefonanschluss eine jährliche Pauschalgebühr von 200 Mark – eine Menge Geld zu jener Zeit. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Monatslohn betrug 50 Mark. Trotz dieses hohen Preises verzehnfachte sich die Zahl der Anschlussinhaber innerhalb von sechs Jahren, so dass 1910 an der Schlüterstraße (Rotherbaum) ein neues Dienstgebäude in Betrieb genommen werden musste – ein neugotischer Bau, der auch heute noch existiert und an eine mittelalterliche Kathedrale erinnert. Mit monatlich 1,4 Millionen Orts- und mehr als 310.000 Ferngesprächen handelte es sich kurz vor dem Ersten Weltkrieg um das größte Fernsprechamt der Welt.

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Der erste Chef der NORAG: Intendant Hans Bodenstedt am Mikrofon.

Foto:

NDR

Übrigens: Dieses Gebäude war auch Schauplatz eines weiteren Quantensprungs in der Geschichte der Kommunikation: Denn genau hier, in fünf ehemaligen Gepäckräumen der Post, begann am 2. Mai 1924 die Geschichte des Hamburger Radios. „Hier ist die NORAG!“ so lautete die Begrüßungsformel, gesprochen von Intendant Hans Bodenstedt.

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Die NORAG war Vorläufer des heutigen NDR

Aus der Nordischen Rundfunk AG wurde unter den Nazis der Reichssender Hamburg. Daraus ging nach dem Krieg erst der Nordwestdeutsche (NWDR) und ab 1956 der Norddeutsche Rundfunk (NDR) hervor.

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Da die einfachen Detektorradios keine Lautsprecher hatten, konnte immer nur einer Radio hören. Foto aus den 30er Jahren.

Foto:

Matschke/hfr

Ach ja, die ersten Fernsehsendungen wurden vor 71 Jahren in Hamburg ausgestrahlt. Am 1. Juli 1950 wurde das erste Testbild, wenig später ein regelmäßiges Programm ausgestrahlt – zunächst an drei Tagen der Woche.

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Werbung der NORAG aus den 20er Jahren: zwei Kinder hören Radio.

Foto:

NDR

Vom Optischen Telegrafen bis zum Fernsehen hatte es kaum mehr als 100 Jahre gedauert. Wenn das mal keine rasante Entwicklung war.

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