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Babys kann eine Infektion mit dem RS-Virus stark zu schaffen machen.
  • Babys kann eine Infektion mit dem RS-Virus stark zu schaffen machen. (Symbolbild)
  • Foto: picture alliance/dpa/dpa-tmn | Uwe Anspach

Epidemie nach Pandemie: Ein Virus legt Kinder flach, Kliniken überlastet

Laufende Nase, Husten und Fieber: Auffallend viele Kinder machen seit einigen Wochen Atemwegsinfekte durch, die eigentlich erst in den Wintermonaten zu erwarten wären. Betroffen seien vor allem unter Sechsjährige, sagt Jakob Maske, Sprecher des Bundesverbandes der Kinder- und Jugendärzte.

Die kleine Lisa (1) aus Hamburg hatte nochmal Glück: Beinahe hätte sie das Wochenende im Kinderkrankenhaus verbringen müssen. Grund: Die Sauerstoffsättigung fiel dramatisch, auf gerade mal 90 Prozent. Dabei hatte sie nur eine leichte Bronchitis. Ursache: Das tückische RS-Virus, das derzeit durch Hamburgs Kitas rauscht wie selten zuvor und die Kliniken in Deutschland an ihre Kapazitätsgrenze bringt.

Hamburgs Eltern zeigen sich besorgt

Unter Hamburgs Eltern gibt es aktuell eigentlich nur eine Frage: Hustet dein Kind? Geht es in die Kita? Selten zuvor waren so viele Kinder gleichzeitig krank. Ganze Gruppen hustender Kinder werden nach Hause geschickt. Dabei haben sie nicht Corona, sondern das RS-Virus. Aus den Kinderarztpraxen werden reihenweise positive Tests gemeldet. Vor allem für Kleinkinder wie Lisa kann die Krankheit dabei gefährlich werden.

Aufgrund von Kita-Schließungen und anderen Corona-Maßnahmen im vergangenen Winter und Frühjahr seien sie bisher nicht in Kontakt mit bestimmten Erregern gekommen. „Die Infekte werden jetzt nachgeholt.“ In Dänemark sind die Infektionszahlen mittlerweile alarmierend. Eine Grafik (links) zeigt, dass sich vor allem Neugeborene unter einem Jahr vermehrt mit dem RS-Virus infizieren.

Die linke Grafik zeigt die Zahl der Infektionen je nach Alter.

Starker Anstieg auch in deutschen Kliniken

Auch in Deutschland steigen die Infektionszahlen. Das Robert Koch-Institut (RKI) berichtet von einem starken Anstieg der Krankenhaus-Einweisungen wegen Infektionen mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) bei Ein- bis Vierjährigen. Gefährlich kann dieser Infekt der oberen Luftwege insbesondere für Frühgeborene sowie vorerkrankte Kinder im ersten Lebensjahr werden. Laut RKI wurden in den Jahren vor der Pandemie im Monat September rund 60 bis 70 Ein- bis Vierjährige pro Woche mit schweren Atemwegsinfekten in Kliniken eingewiesen, aktuell seien es doppelt so viele. Das RKI rechnet mit einem weiteren Anstieg.


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„Es gibt leider im Moment eine Zuspitzung“, sagte Maske, der in Berlin eine Kinderarztpraxis hat. „Wir haben etwas mehr kranke Kinder als sonst zu dieser Zeit und immer weniger Betten in den Kinderkrankenhäusern, weil Personal fehlt.“ Die Mediziner sorgen sich um die Versorgung schwerkranker Kinder im Herbst und Winter. Maske zufolge ist es schon jetzt sehr mühsam, kleine Patienten stationär unterzubringen. Hintergrund sei auch, dass zu wenige Kinderkrankenpflegerinnen und -pfleger ausgebildet würden.

Atemwegs-Infekte: Kinderkliniken teilweise überlastet

„Die Kinderkliniken sind sehr früh zugelaufen“, sagte auch der hannoversche Kinderarzt Thomas Buck, Vorstandsmitglied der niedersächsischen Ärztekammer. Patienten von ihm hätten schon in rund 40 Kilometer entfernte Kliniken im Umland ausweichen müssen.

Größere RSV-Ausbrüche unter Kindern wurden bereits im Mai aus Israel und in den Sommermonaten in den USA, Australien und Japan gemeldet. Das RKI mahnte deshalb schon im Sommer an, sich auf ein ähnliches Szenario vorzubereiten. „In der Regel begegnen Kinder jedes Jahr RSV und bauen dabei einen gewissen Immunschutz auf“, erläuterten die RKI-Experten. Diese Hilfe bei der Abwehr der Erreger fehle jetzt, weil es im letzten Winter wegen der Corona-Maßnahmen fast keine RSV-Erkrankungen gab.

Mediziner hoffen auf Bereitschaft für eine Grippe-Impfung

„Wir machen uns zudem Sorgen, dass es eine Grippewelle gibt“, sagte Buck. Im letzten Pandemie-Winterhalbjahr mit vielen Hygienevorkehrungen und eingeschränkten Kontakten blieb die Grippewelle praktisch aus. Mediziner hoffen, dass die Bereitschaft zur Grippe-Impfung für die anstehende Saison nun dennoch hoch bleibt.

Die Kinder- und Jugendärzte plädieren dafür, den Alltag für Kinder und Jugendliche nach Monaten der Entbehrung so normal wie möglich zu gestalten. Für Eltern ist es oft eine schwierige Entscheidung, ob sie ihr Kind mit Schniefnase oder Halsschmerzen in die Kita oder Schule schicken. Seit Beginn der Pandemie wird jeder mit Erkältungssymptomen schief angeschaut, es steht immer auch der Verdacht einer Corona-Infektion im Raum.

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„Man muss kluge Risikoabwägungen treffen“, sagte Buck. „Wir wollen, dass die Kinder endlich wieder konstant in Kindergarten und Schule gehen und unnötige Krankmeldungen vermeiden.“ Auf der anderen Seite gehe es auch darum, möglichst keine Corona-Infektion zu übersehen. (sd/dpa)

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