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Empörung über neue EU-Reform: Bio-Bauer: „Die Einigung ist eine Mogelpackung“

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) spricht von einem „Systemwechsel“. Für die Umweltverbände und Deutschlands Bio-Bauern ist die Einigung zu Europas künftiger Agrarpolitik eine „Mogelpackung“. Sie kritisieren den in Luxemburg in einem stundenlangen Verhandlungsmarathon erzielten Kompromiss als eine „verpasste Chance“. 

Mathias von Mirbach ist seit 35 Jahren Öko-Landwirt. Der 61-Jährige ist Gründer des Demeter-Betriebs „Kattendorfer Hof“ in Schleswig-Holstein, der nach dem Prinzip der solidarischen Landwirtschaft funktioniert.

Bio-Bauer bei Hamburg: Kompromiss ist eine Mogelpackung

„Wir Landwirte arbeiten in einem Beruf, der wie kein anderer von der klimatischen Entwicklung abhängig ist“, sagt Von Mirbach. Was in anderen Regionen der Welt schon längst zur Vernichtung des Ackerbaus geführt hat, wird auch in Deutschland immer mehr Realität – die Dürre. „Nur ein Grad mehr Erwärmung und die Landwirtschaft in Brandenburg ist am Ende“, so Von Mirbach. „Wir haben keine Zeit mehr!“

Neue EU-Agrarreform: Umwelt-Maßnahmen bleiben unklar 

Nur eine Politik, die auf Nachhaltigkeit setzt, kann diese Entwicklung noch aufhalten. Darin sind sich alle Wissenschaftler einig. Die Vorschläge lagen alle auf dem Tisch: Reduzierung des Pestizid-Einsatzes, Maßnahmen für mehr Bio-Diversität und Tierschutz – nichts davon findet sich in dem von den EU-Staaten ausgehandelten Kompromiss. Stattdessen wurden sogenannte Eco-Schemes vereinbart, nach denen jedes Land einen Mindestanteil von 20 Prozent der EU-Direktzahlungen an die Teilnahme der Landwirte an Umweltprogramme knüpfen können.

Die Idee: Betriebe erhalten zusätzliche Mittel, wenn sie über die grundlegenden Klima- und Umweltauflagen hinausgehen. Nur: Was für Umwelt-Maßnahmen das sein können – das wurde nicht festgelegt. Und: Für die nächsten zwei Jahre gilt erst mal eine Übergangsphase, so dass neue Regeln erst ab 2023 in Kraft treten.

Öko-Landwirt: Bestimmungen viel zu unkonkret

„Die Bestimmungen sind komplett unkonkret“, schimpft Von Mirbach. „Es ist jedem Mitgliedsstaat komplett selbst überlassen, an welche Bedingungen die Zahlungen geknüpft werden.“ Denkbar sei sogar, dass eine Umstellung von Drei-Felder-Fruchtfolge auf Vier-Felder-Wirtschaft schon reiche. „Mit Ökologie hat das nichts zu tun!“

Für den Landwirt aus Kattendorf ist der Schuldige ausgemacht: „Die Lobbyisten aus der chemischen Industrie haben gute Arbeit geleistet.“ 

Kritik von Greenpeace, WWF, BUND, Deutsche Umwelthilfe

Sämtliche Umweltorganisationen sehen das genau wie er: „Die heutigen Beschlüsse des EU-Agrarrates und die ersten Abstimmungen im Europaparlament sind enttäuschend“, sagte Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND. „Die dringend notwendige Reform der EU-Agrarpolitik wird nicht grüner und gerechter – sie scheint im Gegenteil erneut zu scheitern.“  

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Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Lasse van Aken nannte den Kompromiss „Greenwashing übelster Sorte“. Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, erklärte: „Der Kompromiss zur Gemeinsamen Agrarpolitik geht auf Kosten des Klima-, Natur- und Tierschutzes.“  Und WWF-Naturschutzvorstand Christoph Heinrich kritisierte: „Der EU-Agrarrat setzt seine zerstörerische Subventionspolitik zugunsten großer Agrarkonzerne fort.“

Ähnlich argumentierte auch Grünen-Chef Robert Habeck: Die Beschlüsse „reichen hinten und vorne nicht, um die selbstgesteckten Ziele der EU zu erreichen und den Bäuerinnen und Bauern Sicherheit zu geben“.

Gelder kommen nicht bei den Bauern an

Mathias von Mirbach erläutert das am eigenen Beispiel: „Wir arbeiten auf 100 Prozent Pachtland“, erzählt er. Die Direktzahlungen gehen bisher wie künftig nicht an die Bewirtschafter der Fläche, sondern an die Eigentümer. Da fast 60 Prozent der Landwirtschaft in Deutschland auf Pachtfläche stattfindet, haben die Bauern selbst nichts von den Zahlungen. Für die Eigentümer ist es dafür eine lohnenswerte Verzinsung.

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„Das Geld, das hier verteilt wird, kommt ja nicht aus dem Nichts. Es sind Steuergelder“, betont Mathias von Mirbach. „Dass hier in Europa, wo es wie nirgends auf der Welt eine Umweltfragen gegenüber aufgeschlossene  Bevölkerung gibt, nicht der Schritt gegangen wurde, etwas für mehr Biodiversität, den Bodenschutz und den langsamen Ausstieg aus dem Pestizid-Einsatz zu tun, ist eine verpasste Chance.“

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