• Fred Leser (93) ist einer der letzten Menschen, welche die Bornplatzsynagoge noch von innen kennen.
  • Foto: Miguel Ferraz

Der letzte Zeuge: Für Fred Leser war die Bornplatzsynagoge ein heiliger Ort

Rotherbaum –

Wenn Fred Leser an die Bornplatzsynagoge denkt, dann kommen Bilder von früher in ihm hoch. Bilder von seinen Eltern, die mit ihm zusammen an den hohen Feiertagen das jüdische Gotteshaus besuchten. Bilder von der Bar-Mitzwa-Feier seines Bruders. Fred Leser ist einer der letzten Menschen auf dieser Welt, der die 1938 zerstörte Synagoge noch von innen kennt. Die Diskussion um den Wiederaufbau interessiert den 93-Jährigen nur wenig.

„Meine Familie war nicht sehr religiös“, erzählt Fred Leser. „Wir sind nicht regelmäßig zur Synagoge gegangen. Ich würde sogar sagen: eher selten.“ Nur an den hohen Feiertagen machte sich die Familie Leser von ihrer Wohnung an der Eppendorfer Landstraße zu Fuß auf den Weg ins Grindelviertel. An Rosch Haschana, Yom Kippur, Pessach oder Chanukka.

Bornplatzsynagoge: Beim Betreten empfand Fred Leser Ehrfurcht 

Leser, der damals noch Manfred mit Vornamen hieß, erinnert sich an das imposante, neoromanische Bauwerk am Grindelhof, bei dessen Betreten er Ehrfurcht empfand. „Die Bänke waren aus schön poliertem, dunklem Holz“, sagt der 93-Jährige. Die Atmosphäre im Gebetssaal mit den hohen Wänden war für ihn, der säkular erzogen wurde, irgendwie heilig.

Neuer Inhalt (32)

Fred Leser als 14-Jähriger kurz vor der Deportation nach Riga.

Foto:

privat/hfr

Die Bar Mitzwa, bei der die religiöse Mündigkeit seines älteren Bruders Hans gefeiert wurde, ist Fred Leser in besonderer Erinnerung geblieben. Denn das war 1937. Es war eines der letzten Ereignisse, bei dem die ganze Familie Leser in der Synagoge zusammen kam. 

Erinnerungen an Rabbiner Joseph Carlebach

„Rabbiner Carlebach hat die Zeremonie geleitet. Ein besonderer Mann“, sagt Fred Leser. Sein Bruder sei nach vorne zur Torah gerufen worden und las daraus vor. Später gab es Geschenke. „Alle haben meinem Bruder auf die Schulter geklopft und gratuliert. Er war ja jetzt ein Mann.“

Nur wenige Monate später war dieses normale Leben eines Hamburger Jung, für den die jüdische Herkunft keine große Rolle spielte, vorbei. Am 9. November 1938 warfen Nazi-Schergen Brandsätze in die Bornplatzsynagoge, die dadurch schwer beschädigt wurde.

Freds Vater kam nach der Pogromnacht ins KZ

Kurz darauf wurde Siegbert Leser, Freds Vater, verhaftet und nach Sachsenhausen deportiert. Freds Mutter Amalie konnte die Freilassung ihres Mannes erwirken, indem sie Visa und Tickets für Shanghai vorlegte. Doch diese winzige Chance zur Flucht verstrich, weil Siegbert Leser darauf vertraute, dass der Familie schon nichts geschehen würde. Schließlich war er selbst im Ersten Weltkrieg mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden. Ein Leben im Exil konnte der Röntgen-Händler, der keine andere Sprache als Deutsch konnte, sich nicht vorstellen.