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Michael Batz vor der Rothenbaumchaussee 26 in Hamburg
  • Der Autor und das Haus: Michael Batz vor der Rothenbaumchaussee 26. Über der Tür ist das Symbol des Löwen von Juda zu sehen.
  • Foto: Florian Quandt

Das Haus des Paul Levy: Michael Batz bringt Licht in ein dunkles Kapitel

Als Lichtkünstler hat er sich einen Namen gemacht. Seit vielen Jahren lässt Michael Batz exponierte und weniger exponierte Gebäude in Hamburg blau erstrahlen. Jetzt sorgt der 70-Jährige auf andere Art und Weise für Erleuchtung: Er hat ein Buch geschrieben. Einen Roman über die Rothenbaumchaussee Nummer 26. „Das Haus des Paul Levy“, heißt es – und Batz bringt damit Licht in ein dunkles Kapitel der deutschen Geschichte.

Ein dunkler Rotklinker zwischen all den weißen Sahnestückchen – das sorgte 1922 für Aufregung im feinen Stadtteil Rotherbaum und im benachbarten Harvestehude. Doch war es wirklich nur die expressionistische Architektur, die hier für Bürgerproteste sorgte? Oder war es nicht vielmehr der jüdische Hintergrund der Bauherren und Architekten, die hier neben dem modernen Baustil auch etwas ganz Neues wagten: das erste baugenossenschaftliche Projekt Hamburgs!

Als die Nazis an die Macht kamen, mussten die Hausbewohner ausziehen

„Es war ein kluges Konzept“, erzählt Michael Batz. „Man erwarb nicht eine einzelne Wohnung, sondern einen Anteil an einer Kapitalgesellschaft, die mit dem Geld den Bau und die Instandsetzung des Hauses realisierte. Dafür erhielt man ein unkündbares Wohnrecht.“

Neue Pflichtlektüre für geschichtsinteressierte Hamburger: „Das Haus des Paul Levy“ ist am 1. November erschienen und kostet 32 Euro. hfr
Neue Pflichtlektüre für geschichtsinteressierte Hamburger: „Das Haus des Paul Levy“ ist am 1. November erschienen und kostet 32 Euro.
Neue Pflichtlektüre für geschichtsinteressierte Hamburger: „Das Haus des Paul Levy“ ist am 1. November erschienen und kostet 32 Euro.

Weder der erste Bewohner Paul Levy noch seine Nachbarn, alles Juden, ahnten, dass sie dieses Wohnrecht nur wenige Jahre später doch verlieren würden. Im Zuge der Arisierungen wurden alle Bewohner gezwungen, ihr Zuhause zu verlassen. Nur diejenigen, die es schafften, rechtzeitig zu emigrieren, überlebten den Nationalsozialismus. Das Haus überstand den Krieg unbeschadet.

„Es stand am Logenplatz der Zeitgeschichte: Nahe der Moorweide, von wo aus die Deportationen starteten. Nur wenige Häuser entfernt von der Nummer 38, in der sich das Gestapo-Hauptquartier befand. Gegenüber vom Curio-Haus, wo später die NS- und Kriegsverbrecherprozesse stattfanden“, sagt Michael Batz.

Hamburg: Verdienstorden für Michael Batz

Ein Zufall war es, der Batz, der seit über 20 Jahren für die Bürgerschaft Dokumentationen zum Gedenken an den Holocaust zusammenstellt und kürzlich mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet wurde, auf die Spur der Rothenbaumchaussee 26 brachte. Ein Zufall oder vielmehr ein Zufallsfund. Denn beim Ausbau des Dachbodens entdeckten Handwerker ein staubiges Paket unter den Holzbrettern. Darin befand sich eine hochwertige Klarinette der Firma „Harry Pedler“, die nur bis 1930 existierte.

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Wem gehörte sie? Was ist ihre Geschichte? Das fragte sich Batz, als er davon erfuhr. „Ich habe sechs Jahre lang recherchiert“, erzählt der Künstler. Batz vertiefte sich in Archive, er reiste um die Welt, traf Nachfahren und fand sogar die einzige noch lebende Bewohnerin des Hauses, die 100 Jahre alte Eva Magnus, die heute in den USA lebt, wohin sie nach der Arisierung der Rothenbaumchaussee 26 mit ihren Eltern fliehen konnte.

Rotherbaum: Autor recherchierte sechs Jahre lang für das Buch

Herausgekommen ist ein detailreicher Tatsachenroman mit hundert Kapiteln für ein Jahrhundert Rothenbaumchaussee 26. Die wenigen fiktiven Szenen sind als solche gekennzeichnet. Michael Batz hat die Wände des dunklen Klinkerbaus zum Reden gebracht und die dramatische Geschichte nachgezeichnet. Dennoch, so betont der Künstler: „Es ist kein trauriges Buch. Es hat etwas episches und beschreibt den Stadtteil Rotherbaum von der Geschichte bis in die Gegenwart.“

Bis in die Gegenwart hat sich auch die 1922 eingebaute Eingangstür der Rothenbaumchaussee 26 erhalten. Und zwar samt eines Details, das wohl weder die Gestapo noch die Nazi-Ärzte, die das Haus später bezogen, identifiziert haben. Die Figur über der schweren Holztür wurde zu keinem Zeitpunkt entfernt und thront dort bis heute. Es ist der Löwe von Juda.

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