• Bei der Verteilung der Bergedorfer Engel Anfang Januar bilden sich lange Schlangen.  
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Corona-Winter für Obdachlose: Auf dem Kiez stehen die Hungernden Schlange

St. Pauli –

Es schneit, die Temperaturen fallen, es ist Winter. Die meisten Hamburger können Schneeregen durch die Fenster von geheizten Wohnungen betrachten. Doch etwa 2000 Menschen leben auf den Straßen Hamburgs, fünf von ihnen sind seit Silvester gestorben. Die MOPO war bei einer Mahlzeiten-Verteilung der „Bergedorfer Engel“ Anfang Januar dabei.

Es ist Sonntag, 11.30 Uhr, vor der „Penny“-Filiale auf der Reeperbahn. Die Luft ist klar, der Himmel blau. Es sind nur ein paar Grad über Null. Da freut sich jeder, der eine warme Winterjacke hat. Von den Menschen, die hier in langen Schlangen geduldig in der Kälte warten, haben das aber nicht alle. Viele von ihnen sind obdachlos und die, die ein Dach über dem Kopf haben, haben kaum Geld zum Leben. Wie jeden zweiten Sonntag verteilen die „Bergedorfer Engel“ hier an drei Ständen warme Mahlzeiten, Lebensmittel und Kleidung an Bedürftige.

Obdachlosenhilfe in Hamburg: „Bergedorfer Engel“ kochen selbst

Cornelia A.

Cornelia A. war Altenpflegerin. Heute ist das Geld knapp.

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Diesmal gibt es Bratwürste, dazu warmen Kartoffelsalat, Sauerkraut und Rotkohl. Für den Nachtisch kann man sich noch Pudding oder Milchreis mitnehmen, auch heißer Kaffee wird ausgeschenkt. Cornelia A. hat sich gerade eine Portion geholt und verstaut sie nun vorsichtig mit den verpackten Lebensmitteln in ihrem Einkaufstrolley. Die 64-Jährige hat über 20 Jahre lang als Altenpflegerin gearbeitet, erzählt sie der MOPO, doch weil das Geld heute extrem knapp ist, kommt sie regelmäßig her.

warmes Essen

Die Bergdorfer Engel verteilen jeden zweiten Sonntag warme Mahlzeiten.

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Das vom „Kochteam“ selbst gemachte Essen ist bei Bedürftigen beliebt – es gibt Hausmannskost, das Angebot ist abwechslungsreich. Der Bergedorfer Thorsten Basso hat den Verein 2014 über Facebook gegründet. „Ich habe einfach gedacht, ich könnte mal etwas tun“, sagt er der MOPO. Bei der ersten Verteilung gab es rund 30 Wiener Würstchen, heute sind es 400 Bratwürste mit mehreren Beilagen. Pro Termin kommen bis zu 500 Menschen, schätzt Basso, der Andrang werde von Jahr zu Jahr mehr. „Auch dieses Jahr sind noch Menschen dazugekommen, die zwar eine Wohnung haben, aber wegen Corona ihre Arbeit verloren haben.“

Thorsten Basso

Thorsten Basso hat den Verein Bergedorfer Engel 2014 gegründet.

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Patrick Sun/ Sun

Neben den sonntäglichen Verteilungen fährt der Verein noch unter der Woche Versorgungstouren. Die „Engel“ sind rein spendenfinanziert, die verpackten Lebensmittel werden aus dem Einzelhandel gespendet, Kleidung, Hygieneartikel und Schlafsäcke überwiegend über „Hanseatic Help“ organisiert. All das muss koordiniert werden – der 58-Jährige Basso investiert drei bis vier Stunden täglich. Und das, obwohl er wie die meisten anderen Freiwilligen hier in Vollzeit arbeitet.

Corona-Winter und Obdachlose: Winterjacken, Schuhe und Schlafsäcke besonders benötigt

Einige von ihnen sind gerade dabei, auf die Einhaltung von Abständen und Maskenpflicht in den Schlangen zu achten. Manchmal komme es bei der Verteilung der Kleidung zu Konflikten, erzählt einer der Ehrenamtlichen. Saubere Socken und Unterwäsche, Winterjacken, Schuhe – all das wird eben von vielen gebraucht. Doch in der Regel ist die Stimmung gut, auch heute halten sich die Menschen an die Regeln.

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Sorin K.

Sorin K. lebt seit einem Jahr auf der Straße.

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Sorin K. steht für die Kleidungsausgabe an. Der 46-Jährige ist gebürtiger Rumäne, seit 2010 lebt er mit Unterbrechungen in Deutschland. Er hat schon Pakete ausgeliefert, auf Baustellen gearbeitet und Malerarbeiten erledigt. Nun kann er wegen Rückenproblemen nicht mehr arbeiten und ist seit letztem Jahr obdachlos. Er hofft, heute eine neue Hose oder einen Pullover zu bekommen. Auch ein winterfester Schlafsack, der ihn bei den für die nächsten Tage angesagten Minusgraden warmhält, ist für ihn wichtig.

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Wie andere Initiativen sind auch die „Bergedorfer Engel“ dabei, Obdachlose über den Corona-Winter in Hotels unterzubringen. Fünf Hotelzimmer haben sie bereits bis März gemietet, das Geld für sechs weitere haben sie nun zusammen – und hoffen auf weitere Spenden für diesen Zweck.

Hotelzimmer für Obdachlose: Auch „Bergedorfer Engel“ mieten Zimmer an

Didi

Didi ist seit sechs Jahren obdachlos.

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Ob Didi vielleicht einmal in einem solchen Zimmer überwintern wird? Der 32-Jährige ist seit sechs Jahren obdachlos. Jetzt zittert sein kleiner Hundewelpe Monika am ganzen Leib. Die Ehrenamtliche Ina H. kann das nicht tatenlos mit ansehen. Sie holt ihm eine Decke.

Hundewelpe Monika

Dem kleinen Welpen Monika war bei der Verteilung ganz schön kalt.

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Mittlerweile ist es kurz nach 13 Uhr. Schon rund 400 Mahlzeiten, jeweils 150 Paar Socken und Unterwäsche, 60 Paare neue Schuhe, 150 Masken, und knapp 40 Schlafsäcke wurden verteilt, auch von den verpackten Lebensmitteln sind kaum noch welche übrig. Aber die „Bergedorfer Engel“ bleiben noch, bis alles ausgegeben ist. 

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