• Das Handy als Corona-Warner: Im Juni soll es soweit sein.
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Corona-Warn-App fürs Handy: So lange müssen Hamburger sich noch gedulden

Eine Smartphone-App, um die Corona-Krise in den Griff zu bekommen: Gerade für jüngere, technikaffine Leute klingt die Vorstellung verlockend, sich wieder frei bewegen zu können – aber per Handy gewarnt zu werden, wenn sie in der letzten Zeit einem Infizierten gefährlich nahe gekommen sind. Doch bis es soweit ist, dürfte es noch etliche Wochen dauern.

„Quarantäne, Abstand, Masken – das sind Maßnahmen des Mittelalters“, wetterte der Physiker und Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar am Donnerstagabend in der Talksendung von Maybrit Illner im ZDF. „Wir leben 2020. Wir könnten intelligent und schnell sein.“ Seine These: Smartphone-Apps, mit denen die Infektionsketten von Corona zurückverfolgt werden können, seien eines der wichtigsten Mittel im Kampf gegen die Pandemie.

Eigentlich sollte eine App, die Betroffene vor einer möglichen Corona-Infektion warnen soll, schon zum Ende der Osterferien verfügbar sein. Doch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte am heutigen Freitag, dass sich die Menschen in Deutschland noch bis Mai gedulden müssen, bis das Handy dem Nutzer empfiehlt, sich auf Covid-19 testen zu lassen.

„Aus heutiger Sicht sind es eher vier Wochen als zwei Wochen, bis wir tatsächlich dann eine haben, die auch alle Anforderungen voll erfüllt“, sagte der CDU-Politiker.

Corona-Apps auf dem Handy frühestens ab Mai

Spahn betonte, die App müsse drei unterschiedliche Anforderungen erfüllen: Datensicherheit, Datenschutz und den eigentlichen Zweck, nämlich die Ausbreitung der Epidemie einzudämmen. „Es muss eine sichere App sein, weil es um sensible Daten geht, was Hacken, Zugriff von anderen und anderes angeht“, sagte der Minister.

Beim epidemiologischen Konzept müssten Fragen geklärt werden, etwa welcher Abstand zwischen den Personen und welche Kontaktzeit maßgeblich seien. „Diese Parameter werden mit den drei zuständigen Behörden – das BSI für die Datensicherheit, das RKI für die Epidemiologie und der Datenschutzbeauftragte für den Datenschutz – bearbeitet“.

Europäische Corona-App basiert auf Pepp-PT-Technologie

Eine Corona-Warn-App für Deutschland ist seit Wochen im Gespräch. Sie baut auf dem Konzept des europäischen Konsortiums PEPP-PT auf. Dabei soll Bluetooth-Funktechnik verwendet werden. Die App kann die Infektion zwar nicht unterbinden, aber die Betroffenen schnell informieren, wenn sie Kontakt zu Infizierten hatten. Die Nutzung soll freiwillig sein. Spahn betonte, mit der App könne man viel genauer erfassen, wen man die vergangenen 14 Tage getroffen habe, als sich lediglich an die Kontakte zu erinnern. Sie helfe auch bei der Benachrichtigung der Betroffenen.

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„Es ist ganz ganz wichtig, dass wir, wenn jemand positiv getestet ist auf Corona, ganz schnell Kontakte nachverfolgen können der letzten Tage, informieren können und auch bitten können, auffordern können, zu Hause zu bleiben“, sagte Spahn zuvor im ARD-„Morgenmagazin“. „Das muss im Moment händisch gemacht werden, per Telefon, durch Aufsuchen durch die Gesundheitsämter. Und eine solche App könnte das natürlich deutlich erleichtern.“

Diese Corona-Apps gibt es in anderen Ländern bereits

Andere Länder sind schon weiter – mit zum Teil fragwürdigen Methoden. In Israel etwa fragt der Geheimdienst bei jeder gemeldeten Infektion automatisch die Handydaten des Patienten ab – bis hin zur Kommunikation in sozialen Netzwerken. Wer mit einem Infizierten in der Vergangenheit Kontakt hatte, bekommt automatisch eine SMS vom Staat – mit der Anweisung, in Quarantäne zu gehen.

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Tschechien hat eine eigene App, die jedem Nutzer eine anonyme Kennung zuweist und vor Infizierten in der Nähe warnt. In Polen gibt es eine Pflicht-App für Träger des Virus, die die Einhaltung häuslicher Quarantäne überwachen soll.

Google und Apple arbeiten an Technik für Corona-Apps

Insgesamt sind es mindestens zwölf europäische Ländern, in denen derzeit solche Apps vorbereitet oder bereits eingesetzt werden. Die EU-Kommission hatte dazu am Donnerstag einen Werkzeugkasten für Contact-Tracing-Apps vorgeschlagen, damit die Smartphone-Programme in einer Art Roaming-Verfahren länderübergreifend verwendet werden können.

Dieses Ziel wird auch von Google und Apple verfolgt, die eine zweistufige Unterstützung von Corona-Warn-Apps ab Mai angekündigt hatten. In einer ersten Stufe wollen die beiden Tech-Giganten eine Programmierstelle veröffentlichen, die eine Erstellung einer App erleichtern soll. Später sollen die Funktionen in die Smartphone-Betriebssysteme Android und iOS eingebaut werden.

Corona-Warn-App unter Datenschützern umstritten

Obwohl das „Contact Tracing“ in Form einer weitgehend anonymisierten Verfolgung möglicher Kontakte zu Infizierten auf freiwilliger Basis erfolgen soll, ist das Konzept unter Datenschützern und in der wissenschaftlichen Community nicht unumstritten.

„Herr Spahn spricht davon, dass die App den Anforderungen genügen sollen, die an eine solche Technologie gestellt werden“, sagte Kilian Holzapfel, Researcher des Physik-Departments (TU München). Die Projektarbeit von PEPP-PT und dem dahinterstehenden Datenspeicherungsprozess sei intransparent und fragwürdig.

Piraten-Partei bezweifelt, dass Corona-App sinnvoll wäre

Die SPD-Abgeordnete Birgit Sippel sieht bei dem Konzept des „Contact Tracings“ vor allem die Grundrechte auf Freizügigkeit bedroht. „Wenn etwa das Recht, das Haus zu verlassen, oder die U-Bahn zu nutzen, an die Nutzung einer App gekoppelt wird, dann können wir nicht mehr von Freiwilligkeit sprechen“, sagte die Abgeordnete, die im Justizausschuss des EU-Parlaments federführend an Gesetzen zu elektronischen Beweismitteln und Privatsphäre in der Kommunikation arbeitet, dem Portal netzpolitik.org.

Der EU-Abgeordnete Patrick Breyer (Piratenpartei), der im EU-Parlament in der Fraktion der Grünen sitzt, befürchtet, dass die Tracing-Apps zu viele Warnmeldungen absetzen. „Die Apps werden wahrscheinlich Zehn- oder Hunderttausende von Personen benachrichtigen, die zur Arbeit oder zum Einkaufen unterwegs waren. Es ist absehbar unmöglich für diese, sich testen zu lassen. Die Wirkung kann kaum mehr sein als weit verbreitete Besorgnis oder sogar Panik. Zudem ist menschlicher Kontakt nur eines der Infektionsrisiken.“

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