Dummy in Krankenbett
  • Ein Dummy liegt in einem Krankenbett der Intensivstation (Symbolbild).
  • Foto: dpa

Schulen, Kitas, Lockdown: Wie schlimm wird‘s diesen Corona-Winter?

Die Lage in den Kliniken spitzt sich zu, die Zahlen steigen rasant – und jetzt? Pünktlich zum Herbst rollt die vierte Corona-Welle an, Mediziner und die Verantwortlichen in der Politik blicken mit Sorge auf die Entwicklung. Doch was bedeutet das konkret? Müssen wir uns auch im Winter 2021 wieder auf Einschränkungen einstellen? Ein Überblick:

Wie schnell steigen die Zahlen in Hamburg?

Seit etwa drei Wochen zeigt die Kurve der Corona-Infektionen in Hamburg wieder steil nach oben. Die Sieben-Tages-Inzidenz lag am Montag bei 123,8, am Montag vor drei Wochen lag sie noch bei 54,5. Damit folgt Hamburg einem bundesweiten Trend. 154,8 betrug die Inzidenz in Deutschland am Montag. Am stärksten betroffen sind Thüringen (307,1), Sachsen (291,6), Bayern (248,1) und Baden-Württemberg (195,6).

Wie ist die Lage in den Hamburger Kliniken?

Im UKE liegen momentan acht Covid-19-Patient:innen auf der Intensiv- und sieben auf einer Normalstation. Insgesamt sind in Hamburg 42 Corona-Patient:innen auf Intensivstationen. Im Durchschnitt seien sie etwa 45 Jahre alt und zu 80 bis 90 Prozent ungeimpft, sagt Intensivmediziner Stefan Kluge.

Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensivmedizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE).  picture alliance/dpa/dpa/Pool
Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensivmedizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). 

Die steigenden Inzidenzen beobachtet Kluge mit Sorge: „Mit den steigenden Infektionszahlen wird es in Hamburg und bundesweit auch zu steigenden Intensivzahlen kommen“, sagt Kluge. Gleichzeitig gebe es weiterhin zu wenig Pflegepersonal. „Kurzfristig könnte es daher sein, dass planbare Operationen wieder verschoben werden müssen.“

Ähnlich schätzt Gesundheitssenatorin Melanie Leonhard (SPD) die Lage ein. Es reiche, wenn der Behandlungsbedarf um nur ein Prozent steige. Dann könne es bereits erforderlich werden, dass Routineoperationen in den Krankenhäusern wieder abgesagt, Reserven mobilisiert und Patienten notfalls in andere Bundesländer verlegt werden. „Das Gesundheitssystem ist schon jetzt wieder in einer schwierigen Lage“, warnt die Senatorin.

Was bedeutet das Ende der epidemischen Lage für Hamburg?

Insgesamt wollen SPD, Grüne und FDP im Bundestag die Rechtsbasis für drastische Corona-Einschränkungen wie Ausgangssperren zum 25. November auslaufen lassen. Die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ soll dann enden. Bis zum Frühjahr sollen die Ländern aber weniger umfassende Maßnahmen ergreifen können. Spätestens am 20. März soll es das Aus für sämtliche Corona-Beschränkungen geben.

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Melanie Leonhard gibt sich mit Blick auf die Entscheidungslage in der Hauptstadt skeptisch: „Es ist wirklich von ganz großer Bedeutung, dass wir das hinkriegen, dass der Deutsche Bundestag wenigstens ein Infektionsschutzgesetz beschließt mit Änderungen, die es uns ermöglichen, auch ein paar Eingriffsmaßnahmen zu erhalten.“ Dazu gehörten die Maskenpflicht in Bussen und Bahnen oder Supermärkten, eine Vorlagepflicht für Impfnachweise oder die 2G-Regelung.

Auch Intensivmediziner Kluge will von einem Freedom Day vorerst nichts wissen: „Zum Schutz vor dem Coronavirus sind vor allem die vollständige Impfung und die Einhaltung der Maßnahmen entscheidend.“

Drohen im Winter erneute Schulschließungen oder gar ein weiterer Lockdown?

Gesundheitssenatorin Leonhard ist in diesem Punkt ziemlich klar: „Ich kann mir nicht vorstellen, die Schulen wieder zu schließen.“ Die Maskenpflicht bestehe aber weiterhin – man schaue hier von Woche zu Woche. Auch mit Blick auf die Kitas gibt sie sich zuversichtlich: „Zwei Ausbrüche in Kitas pro Woche sind nicht toll, zu Gunsten einer funktionierenden Kindertagesbetreuung aber das kleinere Übel.“ Hamburgs Kinder hätten schon den vergangenen Winter „drinnen gehockt“ – und zwar um andere zu schützen. Sie seien am Ende schließlich nicht diejenigen, die die Intensivbetten belegen würden. Die Politikern betont allerdings, dass bei der Kontaktnachverfolgung Kinder, die noch nicht geimpft werden können, stark im Fokus stehen sollen.

Einen erneuten Lockdown hält Leonhard für äußerst unwahrscheinlich – insbesondere für Geimpfte. Sie betont aber auch: „Wir können nichts ausschließen, weil wir nicht wissen, ob noch eine Mutation um die Ecke kommt.“

Wird Hamburgs Impfzentrum wieder öffnen?

Das große Impfzentrum in den Messehallen soll nach aktuellem Stand nicht wieder eröffnen. In Hamburg seien die zehn Impfzentren in Kliniken weiter in Betrieb, in den meisten werde fünf Tage die Woche geimpft, die Kapazitäten seien noch lange nicht ausgelastet. Außerdem sei das Impfzentrum in den Messehallen erst vor wenigen Wochen im September überhaupt „eingemottet“ worden, sagt Melanie Leonhard – ein klarer Seitenhieb in Richtung Berlin.

Weil es mit den Booster-Impfungen nur langsam vorangeht, fordert Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) jetzt nämlich, die Impfzentren wieder zu öffnen. Intensivmediziner Kluge dazu: „Ich denke, es wäre auch sinnvoll, wieder Impfzentren und noch mehr mobile Impfteams einzurichten.“ Wenn man durch die Stadt fahre, sehe man kaum Impfangebote, wo eine Impfung sofort möglich sei. Bei vielen Ärzt:innen gebe es teilweise erst Termine in mehreren Wochen, manche würden gar nicht impfen. Leonhard betont, dass die mobilen Impfteams bei Bedarf kurzfristig wieder aufgestockt werden könnten.


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Die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg (KVH) sieht die Lage mit Gelassenheit. Das ambulante System sei laut Sprecher Jochen Kriens „ohne Weiteres in der Lage, die ‚Booster‘-Impfungen vorzunehmen“ und benötige hierfür kein Impfzentrum. „Über eine Million Impfungen wurden seit April in Hamburger Praxen verabreicht, erst in der vergangenen Woche wurden mit über 23.000 Impfungen so viele Pikse gesetzt wie zuletzt vor den Sommerferien“, so Kriens.

Gibt es bald 2G auf der Arbeit?

Mehrere große Unternehmen wie Bayer wollen künftig Geimpften und Genesenen Beschäftigten eigene Kantinenbereiche oder eigene Cafeterias anbieten. Dort dürften sie ohne Schutzvorgaben zusammensitzen, während diejenigen, die sich nicht impfen lassen oder keine Auskunft über ihren Impfstatus geben, weiter mit Abstandsregeln, Masken oder Trennwänden beim Essen leben müssten. Auf MOPO-Anfrage teilte der Otto-Konzern in Hamburg mit, dass die Möglichkeit einer Schaffung zusätzlicher 2G-Zonen in den Kantinen geprüft werde. Airbus hat hingegen keine 2G-Kantinen in Planung.

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