• Nanowissenschaftler Prof. Dr. Roland Wiesendanger vermutet den Ursprung der Corona-Pandemie in einem Labor in Wuhan. 
  • Foto: Sebastian Engels

Corona als Laborunfall?: Uni-Studie empört: Vergleich mit Impflüge und Geistheilung

Rotherbaum –

„Wann kommen Pressemitteilungen zu Geistheilung und Impflüge?“ So bissig reagiert ein Mediziner. Der UKE-Vorstandschef geht auf Distanz. Und das sind nur zwei von vielen kritischen Reaktionen, die sich über die Universität Hamburg ergießen. Am Donnerstag hatte sie eine Studie zum Ursprung des Corona-Virus veröffentlicht. Darin kommt der renommierte Professor Roland Wiesendanger zu dem Ergebnis, dass das Corona-Virus bei einem Laborunfall im chinesischen Wuhan entwichen ist.

„Breit angelegte Diskussion als Ziel“ steht über der Pressemitteilung – und das ist gelungen. Allerdings wird nicht über das 105-Seiten-Papier und Forschungspraktiken an Viren diskutiert, sondern vielmehr über die Seriosität der Ergebnisse und die Frage, ob die Universität sich nicht selbst beschädigt habe, angesichts der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen, die in Fachkreisen als unseriös bewertet werden.

Wiesendanger-Studie: Wie seriös sind die Ergebnisse?

Der UKE-Vorstandsvorsitzende Burkhard Göke distanzierte sich prompt auf Twitter mit den Worten: „Wichtig: Herr Prof. W. hat mit dem UKE nichts zu tun!“

Denn der Physikprofessor – dem in seiner eigenen Disziplin Nobelpreis-Potenzial attestiert wird – begibt sich zum einen auf fachfremdes Terrain, zum anderen war er in dem Jahr seiner Forschung nicht vor Ort in Wuhan, sondern hat neben wissenschaftlicher Literatur vor allem Medien studiert („Focus“, „Epoch Times“), mit internationalen Kollegen gesprochen, Twitter-Accounts und sogar Youtube-Videos ausgewertet.

Theorien zu einem Laborunfall in Wuhan nicht neu

Volker Stollorz, Redaktionsleiter des Science Media Centers in Köln, ordnete es im ZDF so ein: „Es handelt sich lediglich um eine Kompilation altbekannter Dokumente und Theorien zu einem möglichen Laborunfall.“ Aber das räumt auch die Universität Hamburg ein. Einschränkend heißt es, die Studie „liefert keine hochwissenschaftlichen Beweise, wohl aber zahlreiche und schwerwiegende Indizien“.

Aber reicht das, um von der Uni so promotet zu werden? Oder wäre sie besser beraten gewesen, Wiesendangers Ergebnisse nicht so prominent zu veröffentlichen? Hinter vorgehaltener Hand heißt es aus der Uni und der Wissenschaftsbehörde, „eine so fachfremde Kompilation ist der Exzellenzstrategie der Universität nicht gerade zuträglich“.

Hamburg: Wissenschaftsbehörde not amused über Corona-Studie

Die Wissenschaftsbehörde selbst ist vorab nicht über die Studie und die Pressemitteilung informiert worden – obwohl solche Hinweise nicht ungewöhnlich sind. Senatorin Katharina Fegebank wurde so durch den Reaktions-Tornado kalt erwischt. Aber sie muss auch vorsichtig sein, schließlich ist die Wissenschaft frei in ihrer Arbeit. So heißt es heute aus der Wissenschaftsbehörde: „Die vorgelegte Studie ordnet selber ein, dass sie keine Befunde, sondern nur Indizien liefert.“

Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank kalt erwischt

Allerdings sei bei unklarer oder unsicherer Datenlage Zurückhaltung in der Bewertung angebracht. Ein Team der Weltgesundheitsorganisation habe ja erst vor wenigen Tagen einen umfangreichen Bericht zum Ausbruchsgeschehen in Wuhan vorgelegt und kommt zu anderen möglichen Szenarien.

Die kritisierte Universität weist die Vorwürfe zurück, sie hätte der Studie nicht so viel Öffentlichkeit verschaffen dürfen: „Wissenschaftliche Pressemitteilungen müssen daran gemessen werden, ob ihr Inhalt von öffentlichem Interesse ist“, so Uni-Sprecherin Claudia Sewig.

Universität Hamburg weist Vorwürfe zurück

„Die Hochschulleitung und die Pressestelle der Universität Hamburg üben keine Zensur zu Forschungsgegenständen und -ergebnissen aus.“ Inwieweit Universitäts-Präsident Dieter Lenzen über die brisante Studie und die geplante Pressemitteilung informiert war und sie für richtig befunden hat, ist nicht bekannt. Die Universität beantwortete die von der MOPO an ihn gestellten Fragen nicht.

Wiesendanger selbst hatte bei ZDFheute berichtet, dass er die Veröffentlichung gemeinsam mit Uni-Präsident Dieter Lenzen geplant habe: „Ich bin stolz auf den Präsidenten der Universität Hamburg. Wir haben sehr umfangreich über die Szenarien gesprochen, welche Reaktionen es auf die Veröffentlichung geben wird. Reaktionen, die uns in die Ecke von Verschwörungstheorien stellen wollen.“

UKE: Viele kritische Stimmen zur Studie

Besonders hoch schlagen die Wogen der Empörung im UKE – das Teil der Universität ist. Der Vorstandsvorsitzende Burkhard Göke distanzierte sich öffentlich von Professor Wiesendanger. Ebenso der Hamburger Medizinhistoriker Philipp Osten vom UKE. „Wir können nicht leugnen, die Studie stammt aus einem Hamburger Labor. Aber nicht aus dem UKE“, twitterte Osten bissig.

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Fürs UKE war die Situation allerdings auch aus einem Grund, der mit der Studie an sich nichts zu tun hat, sehr ärgerlich. Es hatte am Mittwoch zeitgleich eine großangelegte Studie zu Corona-Toten veröffentlicht, die durch den Wirbel um den „Laborunfall in Wuhan“ aus dem öffentlichen Fokus geraten war.

Corona-Studie Professor Wiesendanger: Hier ist sie zu lesen

Da die Ergebnisse von Wiesendanger bereits seit Anfang Januar vorliegen, hätten sie problemlos an einem anderen Tag veröffentlicht werden können.

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