• Dr. Wilhelm vom Geesthachter LADR-Zentrallabor Dr. Kramer & Kollegen findet in immer mehr Cannabisproben, Chemikalien, Glas und Blei. 
  • Foto: Robert Stuhlmann / LADR

Blei, Chemikalien, synthetische Drogen: Immer mehr gestrecktes Cannabis in Hamburg

Geesthacht –

Cannabis ist die am meisten konsumierte illegale Droge in Deutschland. Hinter dem Konsum steckt ein Milliardengeschäft. Zur Gewinnmaximierung wird Cannabis immer häufiger mit synthetischen Stoffen oder auch Blei und Glas gestreckt. Eine gefährliche Entwicklung. Welche Folgen der Konsum, vor allem auch von gestrecktem Cannabis haben kann, erklärt der Toxikologe Dr. Lars Wilhelm vom Geesthachter LADR-Zentrallabor Dr. Kramer & Kollegen.

Es gibt legales und illegales Cannabis. Legal erhält man die Droge in Deutschland nur auf Rezept und unter strikten Bedingungen. Zudem ist pharmazeutisches Cannabis streng reguliert und geprüft. Bei dem Stoff, den man von Dealern erhält, ist das Gegenteil der Fall, da er offenbar immer öfter gestreckt wird.

Hamburg: Cannabis wird immer öfter gestreckt

Diese Beobachtung machten Wissenschaftler wie Dr. Lars Wilhelm. Proben, die er von Krankenhäusern oder Ärzten erhält, testet er auf synthetische Cannabinoide wie dem chemischen Wirkstoff: MDMB-4en-PINACA.

„Wir haben für die Substanz MDMB-4en-PINACA einen Anstieg von 15 Fällen im September auf über 100 Fälle im Januar verzeichnet,“ so der Toxikologe. In 75 Prozent dieser Proben habe man zusätzlich Wirkstoffe aus der Hanfpflanze nachweisen können. Was bedeutet, dass in den Proben neben den chemischen Substanzen auch natürliche Wirkstoffe – sprich echtes Cannabis – enthalten waren. Damit handelt es sich um gestrecktes Gras.

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Die Konsumenten können selbst kaum bis gar nicht ausmachen, ob ihr Cannabis gestreckt wurde, erzählt Dr. Wilhelm, denn „wenn das synthetische Cannabinoid in normaler Dosis zu sich genommen wird, merkt man den Unterschied erst mal nicht, da die Chemikalie eine ähnliche Wirkung hat wie natürliche Cannabinoide.“

Cannabis: Chemikalien erhöhen die Gefahr auf Psychosen

Das Problem beim Strecken ist, dass es keine Gleichmäßigkeit gibt und somit auch keine Garantie für eine „normale Dosis”. Laut Toxikologe würde das Cannabis mit dem synthetischen Wirkstoff besprüht werden – an manchen Stellen könne also mal mehr, mal weniger landen. Auch entfalten die synthetischen Stoffe ihre Wirkung in vollem Umfang – die natürlichen Cannabinoiden wirken jedoch nur anteilig, sodass der Effekt nicht vollständig eintritt. „Schlimmstenfalls kommt es dadurch zu einer Überdosierung, die in Psychosen enden kann“, so Dr. Wilhelm.

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Auch bei nicht gestrecktem Cannabis könne es zu Psychosen kommen, dies würde aber seltener vorkommen: „Bei gestrecktem Cannabis ist die Gefahr signifikant erhöht.“

Eine weitere Folge sind Herz-Kreislauf-Probleme. Denn natürliche als auch synthetische Cannabinoide docken zur Wirkungsentfaltung an Rezeptoren an. Diese befinden sich nicht nur im Hirn, sondern im ganzen Körper, auch dem Herzmuskel.

Chemikalien sind nur einen Mausklick entfernt

Die chemischen Substanzen sind mit nur wenigen Mausklicks bestellt. Erhältlich sind sie im Darknet, „aber auch auf regulären Websites habe ich Angebote gesehen”, erzählt Dr. Wilhelm und fährt fort: „Wenn ein Mittel verboten wird, taucht ein neues auf.“

Gestreckt wird, um Zeit und Aufwand zu minimieren und den Gewinn zu maximieren. Verwendet werden dafür Pflanzen, die verfrüht geerntet wurden und deshalb weniger wirkungsvoll sind. Die billigen Chemikalien gaukeln durch die starke Wirkung eine hohe Qualität vor.

Gestrecktes Gras: Hamburger sind sich Gefahren nicht bewusst

„Es werden bei Untersuchungen von Haschischproben auch Glassplitter oder Blei gefunden. Das wird gemacht, um das Gewicht und damit auch den Preis zu erhöhen”, erklärt Dr. Wilhelm. Die Glassplitter würden wahrscheinlich nicht viel ausrichten, solange sie nicht in den Körper oder die Lunge gelangen, aber Blei sei hoch toxisch.

Dr. Wilhelm ist besorgt: „Da muss man sich wirklich fragen, wie hoch der Anteil an gestrecktem Cannabis ist. Viele Cannabiskonsumenten sind sich der Gefahr gar nicht bewusst!“.

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Um genau das zu verhindern, klärt er mit Hilfe von Pädagogen an Schulen über die Gefahren auf. Dies sei aber eine Gratwanderung: „Man muss sensibel vorgehen, sonst weckt man eher Neugier als Vorsicht.“ Deshalb findet er Gespräche mit Eltern und Lehrern zur Sensibilisierung ebenso wichtig.

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