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Dennis Finnern kam als mauliger Teenie an den Tegelsbarg. Heute leitet er den Bauspielplatz, der für viele Kinder ein Zufluchtsort ist.
  • Dennis Finnern kam als mauliger Teenie an den Tegelsbarg. Heute leitet er den Bauspielplatz, der für viele Kinder ein Zufluchtsort ist.
  • Foto: Florian Quandt

Zufluchtsort für Kinder: „Kommt her und seid, wie ihr seid“

Maulig saß er neben der Tischtennisplatte und starrte vor sich hin. Aufgewachsen in „schwierigen Familienverhältnissen“ hatte das Jugendamt entschieden: Dennis soll zehnmal den Bauspielplatz Tegelsbarg besuchen. „Das waren alles Hippies mit Flanellhemden und langen Bärten. Da hatte ich keinen Bock drauf“, sagt Dennis Finnern. Viele Jahre sind seitdem vergangen. Heute ist der maulige Jugendliche 41 Jahre alt und leitet den 1982 gegründeten „Baui Tegelsbarg“ in Hummelsbüttel, der sich um Kinder aus sozial belasteten Familien kümmert.

Dennis kennt das Leben am Tegelsbarg. Ein nur wenige Straßen umfassender sozialer Brennpunkt, umgeben von den noblen Wohnvierteln in Hummels- und Poppenbüttel. Seine gesamte Kindheit verbrachte er in einem der Wohnblöcke, mit der alleinerziehenden Mutter und seiner geistig und körperlich beeinträchtigten kleinen Schwester. „Ich bin häufig der Schule ferngeblieben. Immer wenn es meiner Schwester nicht gut ging, hatte ich das Gefühl, ich müsse auf sie aufpassen, da meine Mutter auch ziemlich angeschlagen war“, sagt Dennis.

Vom unwilligen Jungen zum engagierten Jugendlichen

Als er knapp zwölf Jahre alt war, entschied das Jugendamt, das die Familie unterstützte: Dennis soll auf den „Baui“. Einfach, um mal rauszukommen. Die ersten sieben Besuche maulte er bloß. Beim achten drückte ihm ein Jugendlicher einen Tischtennisschläger in die Hand und forderte ihn auf mitzuspielen. Der Beginn einer tiefen Freundschaft.

Die Bessermacher – eine Aktion von MOPO und Haspa MOPO
Die Bessermacher – eine Aktion von MOPO und Haspa (Logo)
In dem Anbau ist Platz für Indoor-Aktivitäten.

„Relativ schnell wurde aus einem sehr introvertierten, schüchternen, etwas schrulligen jungen Mann jemand, der Lust hatte, sich zu engagieren.“ Dennis machte Kinderdisco mit den Kleineren, Stadtteil-Rallyes, eine Baui-Zeitung, plante Veranstaltungen. Mit knapp 20 Jahren ging er 2002 in den Vorstand und machte kurz darauf die Ausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel und danach die Erzieherausbildung. Vor sieben Jahren übernahm der 41-Jährige den „Baui“, der offiziell „Initiative Aktivspielplatz Tegelsbarg e.V.“ heißt.

Aus welchen Verhältnissen die Kinder stammen, welche Herausforderungen sie gerade haben. All das spielt erst mal keine Rolle. Dennis weiß, das klingt abgedroschen, aber auf dem „Baui“ ist das Motto klar: „Kommt her und seid, wie ihr seid.“ Die Kinder kriegen nicht gesagt, was sie tun sollen. „Sie sagen uns, was sie brauchen.“ Die einen wollen auf dem idyllischen Gelände mit den Holzhütten, der Feuerstelle und den Beeten toben oder bauen, die anderen an der Nähmaschine arbeiten oder im Kunstraum. Das Angebot ist groß. Auf dem Bauspielplatzgelände gibt es ein Haus mit Ruhe- und Toberaum, Küche, Atelier, Holzwerkstatt und mehreren Gruppen, wie die Jungs- und Mädchengruppe, Garten-, Musik- oder Kochgruppe. 

Dennis sucht immer wieder Spender, die Essen finanzieren

Nach der Schule und auch sonnabends trudeln zwischen 25 und 45 Kinder ab sechs Jahren ein. Manchmal sogar bis zu 70 Kinder. Ohne Anmeldung. Ohne Kosten. Jeden Tag wird gemeinsam mit ihnen gekocht, „weil wir festgestellt haben, dass das Schulessen oft weder gut ist noch ausreicht“. Hinzu kommt, dass sich viele Kinder falsch ernähren. „Ausgewogene Ernährung ist bei ihnen, wenn sie zu ihren Chinanudeln eine Müllermilch trinken.“ Während der Ferienaktivitäten, wenn die Kinder ihr eigenes Frühstück mitbringen müssen, sei nicht selten ein halber Burger vom Vorabend oder kalte Chicken-Nuggets in der Brotdose.

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Die Bessermacher – eine Aktion von MOPO und Haspa (Logo)
Die Bessermacher – eine Aktion von MOPO und Haspa

Essen ist ein großes Thema für Dennis. Er muss jedes Jahr wieder Klinken putzen, um Spender zu finden. Momentan finanziert die Bürgerstiftung das Essen. Allerdings nur bis zu den Sommerferien. „Danach wissen wir noch nicht, wie es weitergeht.“ Manchmal fällt es dem Pädagogen schwer, so viel Zeit an seinem Schreibtisch zu verbringen und nach Unterstützern zu suchen. Er möchte möglichst häufig für die Kinder da sein.

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Manche Erlebnisse machen Dennis schwer zu schaffen. Wenn ein Kind sein Shirt hochzieht und den Abdruck eines Schuhs oder Schlüsselbunds zeigt, von schweren Schicksalsschlägen oder Konflikten berichtet. Das Team versucht erst mal mit den Familien zu arbeiten, nicht gegen sie. „Für uns ist wichtig, was die Kinder wollen. Wir sind ihnen gegenüber parteiisch. Nicht der Schule, den Ämtern oder sonst wem gegenüber“, sagt der Leiter, der mit seiner Frau und zwei Katzen in Norderstedt lebt.

Viel häufiger sind aber die schönen Momente. Wenn Eltern bei Festen mit anpacken und die Kinder nach den Ferien glücklich nach Hause gehen. „Die tollen Menschen mit ihrer besonderen Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft machen den Tegelsbarg zu einem ganz besonderen Ort.“

Steckbrief Dennis Finnern (41)

Auto oder Fahrrad?   Fahrrad ­– ich habe weder Auto noch Führerschein.

Bier oder Wein?   Saft und Wasser. Ich trinke keinen Alkohol.

Schnitzel oder Veggie-Burger?   Schnitzel. Am liebsten grillen, gerne auch mit einem Stück Fleisch.

Kind oder Haustier?   Ich habe zwei Katzen.

Nordsee oder New York?   Beides nicht. Ostsee, gerne im Herbst zum Kopf-Freipusten.

Kiez-Club oder Elphi?   Schon wieder beides nicht. Freunde treffen in kleiner Runde.

Heavy Metal oder Klassik?   Dann eher Heavy Metal. Was das Radio so hergibt. Gerne Musik aus den 60ern bis 80ern.

Yoga oder Fitnessstudio?   Bisher noch nichts, ich arbeite aber daran, mir Zeit für Sport und Entspannung zu nehmen.

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