„Man muss sich kennenlernen, um Vorurteile abzubauen“
Hourvash Pourkian ist eine starke Frau voller Energie, die immer in Bewegung ist und viel lacht, auch wenn ihr manchmal nicht danach zu Mute ist. In Hamburg ist sie bekannt als Frauenrechtlerin und laute Gegnerin des iranischen Mullah-Regimes. Für die geflüchteten Kinder jedoch ist sie die Frau, die mit ihnen Ausflüge macht und ihnen hilft, die deutschen Werte zu verstehen. Seit 22 Jahren setzt sich die Iranerin mit ihrem Verein „Kulturbrücke Hamburg“ dafür ein, dass Integration gelingt.
Sie war 16 Jahre alt, als Hourvash Pourkian mit ihrer Familie aus Teheran nach Hamburg kam. „Die Wissenschaft, die Bildung, die Möglichkeiten. Das hat meinen Vater einfach überzeugt.“ Für die Kinder war es anfangs eine harte Entscheidung. „Wir haben Teheran und das kaspische Meer über alles geliebt und unsere Freunde sehr vermisst.“ Doch das Leben in der Hansestadt war gut zu ihnen. Sie hatten eine schöne Wohnung, besuchten eine private Sprachschule. „Uns wurde der rote Teppich ausgerollt.“ Was wohl auch daran gelegen hätte, dass sie sehr westlich erzogen wurden.
Bürgermeister Ole von Beust holte Hourvash Pourkian in sein Team
Um seine drei Söhne machte sich der Vater keine Sorgen. Doch es war ihm immer wichtig, seine beiden Töchter zu starken Persönlichkeiten zu erziehen, damit sie alle Chancen haben würden. Schon früh trichterte er ihnen ein: Ein fester Händedruck verschafft Respekt. Und so wurde aus dem Mädchen mit dem festen Händedruck eine erfolgreiche Unternehmerin mit eigener Textil-Firma. Eine Frau, die 60 Stunden die Woche arbeitete, viel auf Reisen war und sich trotzdem immer für andere starkmachte.
Vor 22 Jahren gründete Hourvash Pourkian die „Kulturbrücke Hamburg“. Entstanden ist der Verein, nachdem sie gemeinsam mit ihrem Vater das Buch „Macht macht müde Frauen munter“ veröffentlicht hatte und als Referentin Vorträge bei der „Frauen Union“ der CDU hielt. Dadurch wurde der damalige Bürgermeister Ole von Beust auf sie aufmerksam und holte Hourvash Pourkian in sein Team. 2002 wurde sie in den Integrationsbeirat berufen, dem sie bis 2011 angehörte. „Wir waren das erste Bundesland Deutschlands, das ein Integrationspaket geschnürt hat“, sagt sie stolz. Doch sie merkte, dass es mehr braucht, damit Integration gelingt. „Es gab mehr als 180 Nationen in Hamburg. Ich wollte eine Brücke bauen zwischen Einheimischen und Zuwanderern.“
Das erste Projekt der „Kulturbrücke“ war „Switch – Deine Reise um die Welt“. Vier Tage lang besuchten sich Kinder aus unterschiedlichen Ländern gegenseitig und lernten so die Traditionen und Kulturen der anderen kennen. Iran traf auf Deutschland, Japan auf Ghana. „Man muss sich kennenlernen, um Vorurteile abzubauen“, sagt Pourkian. Es folgten viele weitere Projekte für geflüchtete Kinder und auch deren Eltern. „Wir müssen ihnen unsere westlichen Werte, unsere Lebensweise und Kultur näherbringen. Nur so können wir etwas verändern“, sagt die Vereinsgründerin.

Eines der aktuellen Projekte ist „Switch Tutor – lernen mit Spaß“. Das Projekt bietet nicht nur zweimal die Woche schulische Hilfe. Die 15 Tutor:innen, bei denen es sich um Student:innen handelt, geben den Kindern auch Halt und machen am Wochenende Ausflüge mit ihnen. So wie heute. 20 Kinder aus vier Unterkünften besuchen den Bunker an der Feldstraße (St. Pauli). Danach geht es zum Eis essen. Hourvash Pourkian stapft die Stufen mit der neunjährigen Sarah an der Hand hinauf. „Ich bekomme nach den Ferien Schwimmunterricht in der Schule“, erzählt das Mädchen stolz. „Darfst du im Badeanzug mitmachen?“, möchte Hourvash Pourkian wissen. Das Kind schüttelt den Kopf. „Nein, Mama und Papa wollen das nicht. Ich soll so einen Anzug tragen.“ Die Frau schüttelt fast unmerklich den Kopf. Später berichtet sie von Mädchen, die mit Kopftüchern ins Wasser müssen. „Ich finde das furchtbar. Die Erziehung spielt eine wahnsinnige Rolle. Jedoch werden die Kinder nicht nur von ihren Familien geprägt. Wir geben ihnen unsere Werte weiter. Das hat auch einen Einfluss auf sie.“
„Die Vorurteile und der mangelnde Respekt haben sich immer weiter zugespitzt“
Allerdings ist es manchmal hart, die Kinder und Jugendlichen zu erreichen. Insbesondere seit der Eskalation im Nahen Osten habe sich das Verhalten ihrer Schützlinge stark verändert. „Die Vorurteile und der mangelnde Respekt haben sich immer weiter zugespitzt. Wir haben Jungen, die Mädchen in der Schule auffordern, Kopftücher zu tragen oder andere Religionen und Kulturen strikt ablehnen. Die Probleme sind ernsthaft.“ Um dem entgegenzuwirken, hat der Verein das Projekt „Switch Tutor – Toleranz und Respekt“ ins Leben gerufen. In einem Workshop sollen die Kinder lernen, wie wichtig Vielfalt und Toleranz sind.
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Etwa 3000 Familien aus 75 Nationen hat der Verein bereits erreicht, vielfach wurde er ausgezeichnet. Zudem erhielt Hourvash Pourkian, die sich mit ihrer Initiative „International Women in Power“ außerdem international für Frauenrechte, Gleichberechtigung und berufliche Chancengleichheit einsetzt, das Bundesverdienstkreuz für ihr ehrenamtliches Engagement. „Eine große Ehre“, sagt sie. Viel stolzer jedoch ist die engagierte Frau, wenn sie sieht, was aus manchen der Kinder geworden ist. Einige seien Ingenieure, Architekten, andere studieren oder hätten ihr Abitur gemacht. „Da sehe ich: Die Integration ist gelungen. Und das macht mich glücklich.“

Die Bessermacher ist eine Aktion von der MOPO und der HASPA.
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„Hourvash Pourkian legt mit Charisma und Energie wichtige Grundlagen“
Gutes verdient Unterstützung. Mit der Aktion „Die Bessermacher“ wollen wir nicht nur engagierte Menschen zeigen. Die Projekte bekommen zudem finanzielle Hilfe und langfristige Unterstützung.
„Hourvash Pourkian legt mit Charisma und unendlich viel Energie wichtige Grundlagen bei der Generation, die über das zukünftige Miteinander in Hamburg entscheiden wird“, sagt Haspa-Filialdirektorin Sabine Holtmeier. „Durch unseren Kundenbeirat stehen wir seit Jahren in engem Austausch und haben zuletzt Weihnachten eine gemeinsame Geschenkeaktion realisiert.“
Die „Kulturbrücke Hamburg“ wird auch weiterhin unterstützt. Der Verein mit Sitz am Papendamm (Rotherbaum) zieht demnächst innerhalb des Hauses um. Dafür wird eine neue Küche benötigt. Die Haspa kümmert sich um die Finanzierung aus den Mitteln des Haspa-Lotteriesparens.
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