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Vater und Sohn vor Immobilie
  • Erben im Glück: Ein Vater mit seinem Sohn vor einer Immobilie.
  • Foto: imago/Westend61

Aus der Traum vom Eigenheim: Wer nicht erbt, hat Pech gehabt

700.000, 800.000, eine Million Euro: Welche junge Familie kann sich Wohneigentum in Hamburg oder im Speckgürtel überhaupt noch leisten? Ganz einfach: diejenigen, deren (Groß-)Eltern schon ein Haus oder Vermögen besaßen – das sie nun vererben. Während einem Teil der Gesellschaft in der Mitte des Lebens ein Batzen Geld in den Schoß fällt, platzt für andere der Traum von den eigenen vier Wänden.

Es ist eines der größten Wohnungsbauprojekte im Hamburger Westen: An der Friedensallee, an der Grenze zwischen Ottensen und Bahrenfeld, sind die Arbeiten für die „Kolbenhöfe“ vor wenigen Wochen gestartet. Rund 300 Wohnungen entstehen – zu je einem Drittel Miet-, Sozial- und Eigentumswohnungen – und schon jetzt steht fest: Die Eigentumswohnungen sind mit bis zu 10.000 Euro pro Quadratmeter selbst für Hamburger Verhältnisse teuer. Und selbst für Gutverdiener kaum bezahlbar.

So ging es vor einem Jahr los: Baubeginn in den Kolbenhöfen. Die ersten Eigentumswohnungen sind schon reserviert Patrick Sun
Baustelle mit Kränen
Baubeginn in den Kolbenhöfen: Die ersten Eigentumswohnungen sind schon reserviert

Das gilt für immer mehr Immobilien: Insgesamt die Preise für Eigentumswohnungen in Hamburg binnen eines Jahres erneut um 15 Prozent gestiegen. Bei Häusern ist die Teuerung etwas geringer, aber ebenfalls zweistellig aus: plus 10,9 Prozent.

Hamburg: Eigentumswohnungen immer teurer

Doch trotz der hohen Preise lagen für zahlreiche Wohnungen in den „Kolbenhöfen“ bereits Reservierungen vor, bevor auch nur ein Stein auf den anderen gesetzt wurde. Frank Lösche, Spezialist für Baufinanzierung beim Finanzdienstleister Dr. Klein in Hamburg, wundert das nicht: „Es wird immer hektischer am Markt.“ Oft komme es vor, dass ein Kunde seine Unterlagen einreicht, das Unternehmen sich daran macht, eine Finanzierung zu finden – und am nächsten Tag muss der Kunde mitteilen, dass die Wohnung schon nicht mehr zu haben ist, weil ein anderer Käufer das Geld parat hatte und schneller zuschlagen konnte.

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Doch es gibt noch ein anderes Phänomen: „Generell beobachte ich in Hamburg, dass die Schere bei den Finanzierungen größer wird. Entweder wird sehr viel oder kaum eigenes Kapital eingebracht. Ein Mittelweg, wie 20 Prozent Eigenkapital plus Nebenkosten, ist selten geworden“, so Lösche. Und Interessenten, die viel Eigenkapital auf der hohen Kante haben, sind häufig Erben: „In Hamburg ist viel Vermögen auf dem Markt“, so Lösche: „Immobilienkäufer haben oft hunderttausende Euro aus vorweggenommenen Erbschaften zur Verfügung.“

Frank Lösche ist Berater beim Baufinanzierungsvermittler Dr. Klein in Hamburg. (c) dpa
Porträt Frank Lösche
Frank Lösche ist Berater beim Baufinanzierungsvermittler Dr. Klein in Hamburg.

Immobilien in Hamburg: Ohne Erbschaft kaum zu bezahlen

Die Folge: Wer erbt, kauft Immobilien – für sich selbst oder als Kapitalanlage. Wer nicht erbt, wohnt zur Miete – und das nicht selten bei den Erben, die dank steigender Mieten auch noch immer mehr Vermögen aufbauen. Ein gigantischer Geldtransfer von unten nach oben, der über Generationen weitergegeben wird.

Die hohen Immobilienpreise lassen auch die Nebenkosten explodieren: Wer sich eine Wohnung für 600.000 Euro kauft, muss mit 70.000 Euro Nebenkosten rechnen – da ist das mühsam angesparte Eigenkapital oft schon futsch, wenn Makler, Steuer und Notar bezahlt sind. Ohne Erbschaft ist der Kauf dann selbst für Gutverdiener kaum zu wuppen.

Hamburger Immobilienexperte: „Teils werden Mondpreise aufgerufen“

Teuer, teurer, unbezahlbar? „Teilweise werden wirklich Mondpreise aufgerufen, die eine Finanzierung schwierig machen. Die Banken winken ab, wenn sie keinen nachhaltigen Wert mehr für die Immobilie sehen. Dann ist viel Eigenkapital gefragt“, so Frank Lösche.

Berechnet man alle Kaufpreise, Neu- und Altbauten mit ein, liegt der Durchschnittspreis für Eigentumswohnungen in Hamburg derzeit bei 5.129 Euro pro Quadratmeter und bei 3.458 Euro für Ein- und Zweifamilienhäuser, basierend auf tatsächlich gezahlten Kaufpreisen.

Doch wer sind die Glücklichen Erben – und wie viel Geld fließt da pro Jahr? „Durch Deutschland rollt eine Erbschaftswelle“, sagte Sozialforscherin Claudia Vogel, als die Deutsche Rentenversicherung kürzlich eine Studie vorstellte. Doch wie hoch die Geldwelle schwappt, weiß keiner, denn: Die Amtsgerichte müssen nur solche Erbschaften melden, die steuerpflichtig sind, etwa, weil die Erben keine Verwandten ersten Grades sind. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin geht in einer Schätzung von 400 Milliarden Euro aus. Jedes Jahr.

Die meisten Erbschaften sind steuerfrei

Allein in Hamburg müssten also mehrere Milliarden Euro im Jahr so den Besitzer wechseln. Und die allermeisten deutschen Erben müssen auf den Geldsegen keinen Cent Steuern zahlen, den großzügigen Freibeträgen sei Dank. So kann jedes Elternteil 400.000 Euro steuerfrei vererben, pro Kind. Und das alle zehn Jahre.

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Dabei muss man nicht einmal im Villenviertel groß geworden sein. Es reicht, wenn die Eltern vor Jahrzehnten ein schlichtes Einfamilienhaus gebaut haben, als das mit Sparsamkeit und normalem Einkommen noch möglich war, irgendwo am Stadtrand von Hamburg oder in einem kleinen Ort im Umland – und zack steht man als erwachsenes Mittelschichtskind plötzlich (fast) als Millionär da. Mit dem Kapital aus der Erbschaft, die ja bei Bedarf auch vorgezogen werden kann, lässt sich dann auch als Normalverdiener der Kauf einer Immobilie in Hamburg oder Umland wuppen.

Heißt aber auch: Wer fleißig ist und gut verdient, aber in einer Mietwohnung aufgewachsen ist, kann sparen und sparen und kratzt mit Glück die Nebenkosten für den Erwerb einer 800.000 Euro-Wohnung zusammen.

Geburtslotterie: Erben fällt ein Vermögen in den Schoß

Dr. Markus Grabka, Experte für Vermögensverteilung am DIW, sieht besonders in den „hohen Freibeträgen“ bei Erbschaften und Schenkungen eine grundlegende Ungerechtigkeit: „Da fällt Menschen ein leistungsloses Einkommen zu, bloß, weil sie in der Geburtslotterie Glück gehabt haben.“ Ein von den Kindern bewohntes ererbtes „Familienheim“, selbst wenn es einen Millionenwert bildet, ist ebenfalls komplett steuerfrei.

Mit einem eindrucksvollen Zahlen-Beispiel unterstreicht Grabka den Unterschied, den das Los in der „Geburtslotterie“ dank der hohen Freibeträge auch auf Schenkungen macht: „Alle zehn Jahre kann jeder Elternteil 400.000 Euro steuerfrei verschenken. Ein Kind, das zur Geburt von Mutter und Vater zusammen 800.000 Euro geschenkt bekommt, könnte als Zehnjähriger diese Summe erneut bekommen – und hätte damit noch als Schüler 1,6 Millionen Euro steuerfrei erhalten. Das Nachbarskind, dessen Eltern nichts zu verschenken haben, müsste später mit einem Brutto-Durchschnittsverdienst von 2.868 Euro und zehn Prozent Sparquote 465 Jahre arbeiten, um diese 1,6 Millionen Euro anzusparen.“

Schenkungen sind weitgehend steuerfrei

Wie viele Millionen genau in jedem Jahr über solche Schenkungen neu verteilt wird, ist ebenso unbekannt wie die Höhe der steuerfrei vererbten Vermögen. „Man kann aber davon ausgehen, dass immer höhere Beträge verschenkt werden“, so Grabke, „weil das Reinvermögen der deutschen Privathaushalte, also das Vermögen nach Abzug der Schulden, sich zwischen 1999 und 2019 von 6,4 auf 13,8 Billionen Euro mehr als verdoppelt hat.“

Dabei gilt: Wer viel hat, der kriegt noch mehr. Erben oder Empfänger von großen Schenkungen haben im Schnitt 142.000 Euro mehr Nettovermögen als Nicht-Erben. Der Vorsprung ist aber nur zum Teil durch die Erbschaft zu erklären. Heißt: Vielen Erben geht es auch vor dem warmen Geldregen schon besser als Nicht-Erben, die Erbschaft vergrößert den Abstand nur noch weiter.

Unter Geringverdienern mit Nettoeinkommen von 1000 bis 1499 Euro erben statistisch rund fünf Prozent. Bei Gutverdienern mit mehr als 2000 Euro kann sich hingegen fast jeder Dritte auf eine Erbschaft freuen, so das DIW in einer im Februar vorgestellten Studie. Im Schnitt beträgt eine Erbschaft 85.000 Euro – allerdings sind auch hier die Unterschiede groß: Die Hälfte der Erbinnen und Erben bekam nur Summen unter 31.000 Euro.

Experte für Erbrecht: „Vermintes Gelände“

Der Vorschlag des DIW-Experten: „15 Prozent pauschale Erbschaftsteuer, ohne relevanten Ausnahmen, für mehr Gerechtigkeit.“ Große Hoffnung hat Grabka, der im Bundestagsfinanzausschuss als Experte zu dem Thema sprach, allerdings nicht: „Erbrecht ist ein vermintes Gelände, da trauen sich Abgeordneter ungerne ran.“

Und so wird gerade beim Thema Wohnen die soziale Spaltung immer offensichtlicher: Wer von zu Hause aus mit Geld ausgestattet ist, kauft, selbst bei den aktuell extrem hohen Preisen, und hat damit auch gleich fürs Alter vorgesorgt. Wer dieses Glück nicht hat, hat schlicht Pech gehabt: Dann bleibt der Traum vom Eigenheim ein Leben lang ein Traum.

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