Alkoholkonsum in Krisenzeiten: Suchthilfestellen warnen: Hamburg im Corona-Rausch
Bars und Restaurants sind geschlossen. Doch der Alkohol-Konsum der Hamburger ist dadurch nicht gesunken. Im Gegenteil! Die Bürger konsumieren zunehmend zu Hause. Davon profitiert zwar der Einzelhandel, Suchtberatungsstellen aber bereitet das Sorge.
Seit dem Beginn der Corona-Krise ist im Hamburger Einzelhandel zeitweise deutlich mehr Alkohol verkauft worden. Wegen geschlossener Kneipen, Restaurants und den Einschränkungen im öffentlichen Leben, verlagerte sich der Konsum häufig in die eigenen vier Wände. Hamburger Suchthilfeeinrichtungen befürchten deshalb einen Anstieg von problematischem Konsumverhalten und Suchtproblemen.
Schließung der Schulen und Läden bewirkte Alkohol-Einkäufe
„Bei den Norddeutschen landeten besonders in Kalenderwoche 11, in der die Schließung der Geschäfte und Schulen bekannt wurden und viele Arbeitnehmer ihren Arbeitsalltag ins Home Office verlagerten, sowie kurz vor Ostern, mehr Spirituosen im Einkaufswagen“, erklärte Rebecca Hertl, Hamburger Handelsexpertin beim Marktforschungsunternehmen Nielsen. Allerdings habe der Schnaps-Verkauf in anderen Wochen zum Teil sogar unter dem Vorjahresniveau gelegen.
Bundesweit gingen Ende Februar bis Ende März laut dem Nürnberger Marktforschungsinstitut GFK gut ein Drittel mehr Weinflaschen über die Ladentheken als im gleichen Zeitraum 2019. Auch bei klaren Spirituosen wie Gin oder Korn betrug die Steigerung 31,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Allerdings gaben die Experten zu Bedenken: Den Zuwächsen im Einzelhandel stehen Umsatzverluste in der Gastronomie gegenüber. Wer nicht im Restaurant oder in der Bar trinken kann, tut es also womöglich einfach zu Hause.
Alkohol in der Corona-Krise: „Keine adäquate Bewältigungsstrategie“
„Dass Substanzkonsum keine adäquate Bewältigungsstrategie für Krisensituationen ist, ist den meisten Menschen natürlich bekannt. Dennoch ist es für Einige gerade in solch belasteten Zeiten nicht ganz einfach, den Alkoholkonsum oder den Konsum von anderen Substanzen im Griff zu behalten“, sagte Christiane Lieb, Geschäftsführerin der Suchtberatungsstelle Sucht-Hamburg.
Das könnte Sie auch interessieren: Ängste und Corona – das sagen Psychotherapeuten
Frédéric David, Inhaber von Jacques‘ Wein-Depot am Mühlenkamp, einer schicken Gastromeile in Hamburg-Winterhude, profitiert von der Krise. Neben Wein verkauft er im Moment auch viel Käse und andere Spezialitäten, wie er sagt. Im April habe er in seinem Laden rund 20 Prozent mehr Umsatz gemacht als in einem normalen Monat. „Die Leute haben in der Krise ein großes Bedürfnis, es sich zu Hause schön zu machen.“
Vineyard in Eimsbüttel: Kunden kaufen mehr Wein für zu Hause
Anders geht es dem Weinhandel Vineyard in Hamburg-Eimsbüttel. Er beliefert hauptsächlich Großkunden aus dem Gastrobereich, aber Restaurants und Kneipen sind geschlossen. Gastronomin Elke Berner bezeichnet ihre Lage als „sehr kritisch“. Ihre Einnahmen aus diesem Bereich seien komplett weggebrochen. Immerhin werde aber auch in ihrem Laden etwas mehr Wein für daheim verkauft.
Das könnte Sie auch interessieren: Mütter in der Corona-Krise – wenn die Wohnung zum Gefängnis wird
Bereits vor der Pandemie befand sich der Alkoholkonsum der Hamburgerinnen und Hamburger laut der Beratungsstelle Sucht-Hamburg auf einem hohen Niveau: Jeder vierte (26,6 Prozent) Hamburger und fast jede fünfte (17,6 Prozent) Hamburgerin wiesen demnach einen riskanten Alkoholkonsum auf.
Menschen greifen zum Alkohol, um ihre Corona-Sorgen zu vergessen
Die aktuellen Einschränkungen der sozialen Kontakte, Home Office und Kinderbetreuung stellten viele Menschen zusätzlich vor große Herausforderungen: Der Verlust der Tagesstruktur, Konflikte in Familien, existenzielle Ängste aber auch erhöhter Konsum und zunehmende Suchtprobleme könnten die Folgen sein, hieß es weiter von der Beratungsstelle. Mit dem Griff zu Alkohol oder illegalen Substanzen werde oft der Glaube verbunden, die Sorgen – zumindest für eine gewisse Zeit – hinter sich lassen zu können. (dpa)