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  • Die Hamburgerin Emiljana Rosenberger leidet seit fünf Jahren an einer Angststörung.
  • Foto: Patrick Sun

Ängste und Corona: Darum schafft es diese Hamburgerin kaum bis zum nächsten Supermarkt

Horn –

Mitten in der U-Bahn hat die Welle aus Panik und Angst die Hamburgerin Emiljana Rosenberger vor fünf Jahren gepackt und seitdem nicht mehr losgelassen. Die Diagnose: eine generalisierte Angststörung. In der Gesellschaft bisher häufig belächelt, rückt die Angst in Corona-Zeiten jetzt bei vielen näher an den Alltag heran. Rosenberger hofft, dass die Krise mehr Aufmerksamkeit, Verständnis und Hilfe für psychische Erkrankungen schafft.

Für viele ist sie derzeit ein ständiger Begleiter: die Angst. Während es für die einen eine komplett neue Erfahrung ist, ist es für die 28-jährige Emiljana Rosenberger aus Horn schon fast Alltag. Trotz der Pandemie geht es ihr derzeit gut: „Ich bin recht krisenfest“, sagt sie. Dieses Phänomen bestätigt auch die Hamburger Psychotherapeutin Heike Peper: „Damit kennen viele dieser Patienten sich aus, sie fühlen sich kompetent im Umgang mit dieser Situation.“ Es scheint fast, als wenn die Gesellschaft jetzt das erlebt, was für diese Menschen bereits Normalität ist.

Panikattacke in der Hamburger U-Bahn

„Alles fing mit einer Panikattacke vor fünf Jahren an, die ich in der U-Bahn bekam“, sagt Rosenberger. Schwindel, Übelkeit, kalter Schweiß, das Gefühl die Kontrolle zu verlieren und ohnmächtig zu werden. „Ich wollte nur noch flüchten“, sagt sie. Seit diesem Tag ist ihr Zuhause ihr sicherer Ort. Nur wenige hundert Meter traut sie sich aus dem Haus. „Gerade ist es mal etwas mehr“, sagt sie, bis zum nächsten Supermarkt. Bus und Bahn fährt sie nicht mehr, zu groß ist die Angst, dass die Panik kommt: „Das nennt man dann die Angst vor der Angst.“

Angststörungen: So viele Menschen sind betroffen

Angststörungen: Kaum eine andere psychische Erkrankung wird in Deutschland häufiger diagnostiziert und über kaum eine wird mehr geschwiegen. Die Zahl der Betroffenen schwankt in Deutschland jährlich zwischen zehn und zwölf Millionen Menschen. Rosenberg leidet an einer generalisierten Angststörung. Sie selbst beschreibt es als „eine Verselbstständigung irrationaler Ängste“.

„Eine generalisierte Angststörung lässt sich nicht an einem bestimmten Ereignis festmachen“, erklärt Therapeutin Peper. Meist geht sie mit körperlichen Symptomen einher, wie Zittern, Herzklopfen, Schwindel, aber auch eine ständige Überwachheit und Schreckhaftigkeit.

Angststörung: Mehr Verständnis in Zeiten von Corona

 „Ich hab das vorher selbst belächelt“, sagt Rosenberger. Dann traf sie der Schock. „Man kann sich selbst darunter einfach gar nichts vorstellen.“ Und genau das ist das Problem: Außenstehende können diese irrationale Angst kaum verstehen. Erst jetzt, während der Corona-Krise, wird einigen bewusst, was Angst bedeuten und in einem auslösen kann. „Das berühmte Gedankenkarussel“ gerät bei Patienten mit Angststörungen außer Kontrolle.

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Rosenberger erklärt es so: „Wenn mein Sohn Bauchschmerzen hat, denke ich sofort daran, dass es schlimmer werden kann oder dass wir zum Arzt müssen.“ So kommt das Rad in Bewegung. „Viele denken, man hat ständig Panikattacken“, doch die anhaltende Unruhe ist das Problem. „Ein Gefühl, als wenn man eine Treppenstufe nicht erwischt und droht zu fallen“, erklärt sie.

Corona-Krise: Zu wenige Therapieplätze in Hamburg

Doch bei jedem sind die Auswirkungen psychischer Krankheiten anders. „Am Anfang der Krise hatte ich starke Magenschmerzen und konnte nichts essen“, sagt sie, jetzt geht es ihr gut. Sie hat eine therapeutische Begleitung per Telefon. Das ist ihr Glück, bei anderen sieht es schlechter aus. Das Problem: Schon vor der Krise waren Therapie-Plätze rar, jetzt wird es noch enger.

Nicht nur das Gesundheitssystem sollte sich vermehrt an die Bedürfnisse der Patienten anpassen, auch die Gesellschaft müsse sich ändern, so Rosenberger. Psychische Erkrankungen müssen mehr in den Fokus rücken. „In den USA gehört es zum guten Ton, einen Therapeuten zu haben“, sagt Rosenberger. Hier hätten die Menschen Angst, die Angst zuzugeben und nach Hilfe zu bitten. Rosenberger stellt sich der Gesellschaft: „Ich will ein Sprachrohr für all die Menschen sein, die selbst nicht gehört werden. Ihr seid nicht allein.“

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