• Kristina Hänel, Gießener Ärztin und Klägerin im Prozess zur Unterlassungsklage gegen den Betreiber der Internetseite „Babykaust", wartet im Gerichtssaal auf den Beginn der Verhandlung.
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Ärztin klagt gegen Nazi-Vergleiche: Sieg über Abtreibungsgegner zeichnet sich ab

Der Abtreibungsgegner Klaus Günter Annen setzt im Internet Schwangerschaftsabbrüche mit den Verbrechen des Holocausts gleich und greift dabei auch die bekannte Gießener Ärztin Kristina Hänel an. Die wehrt sich in Hamburg vor Gericht. Eine Entscheidung zeichnet sich schon ab.

Die Gießener Ärztin Kristina Hänel wird mit ihrer Unterlassungsklage gegen den Betreiber der Internetseite „Babykaust“ wohl in weiten Teilen Recht bekommen. Das erklärte die Kammer in dem Hamburger Zivilverfahren am Freitag, ein Urteil soll voraussichtlich am Montag verkündet werden. 

Abtreibungsgegner vergleicht Abtreibung mit dem Holocaust

Die 64-Jährige wirft dem Rentner aus dem baden-württembergischen Weinheim vor, Schwangerschaftsabbrüche mit den Verbrechen des Holocausts zu vergleichen und sie dabei auch persönlich anzugreifen. Über die Medizinerin war bundesweit berichtet worden, weil sie seinerzeit eine Debatte über den Abtreibungsparagrafen 219a ins Rollen gebracht hatte. Im März 2019 wurde der Paragraf geändert.

Die Hamburger Kammer kündigte an, der Klage gegen Annen in den Punkten stattzugeben, in denen es im Wesentlichen um die Gleichsetzung eines Schwangerschaftsabbruchs mit dem Holocaust ging und dabei auch Hänel angegriffen wurde.

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Nur eine in der Klage genannte Passage, die die Ärztin als Schmähkritik ansah, bewertete das Gericht eher als zulässige Meinungsäußerung.

Vor Gericht: Eine Entscheidung im Prozess zeichnet sich ab

Dabei ging es um Aussagen des Betreibers, an den Händen der Ärztin klebe Blut, weil sie wehrlose Kinder töte. Mit solchen Äußerungen müsse man in einer pluralistischen Gesellschaft leben, betonte die Vorsitzende Richterin Simone Käfer. Schließlich nahm Hänel ihre Klage in diesem einen Punkt zurück.

Die speziellen Textpassagen und Bilder, um die vor Gericht gestritten wird, sind nach Auskunft eines Gerichtssprechers inzwischen nicht mehr auf der „Babykaust“-Seite zu finden. Hänel wird voraussichtlich eine Geldentschädigung – wie von ihr gefordert – in Höhe von 5000 Euro zugesprochen.

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„So ein Prozess ist normalerweise nicht meine Art, es ist eigentlich die Art der Abtreibungsgegner mit Anzeigen zu arbeiten“, sagte Hänel kurz vor Beginn des Verfahrens. „Aber in diesem Fall musste ich einfach eine Grenze ziehen.“ 

Prozess in Hamburg: Gießener Ärztin fürchtet um ihr Leben

Im Gerichtssaal berichtete die 64-Jährige, dass der Betreiber der Internetseite sie seit langem verfolge. Es sei für sie schrecklich, wenn ihr Enkel lesen müsse, dass sie eine „Kindstöterin“ sein solle.

Sie bekomme viele Hassbotschaften und habe Angst um ihr Leben – gerade seit dem gewaltsamen Tod des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. „Ich will einfach nur in Ruhe arbeiten und ich will nicht ermordet werden“, sagte sie den Tränen nah.

In dem Prozess, in dem die Ärztin nun gegen den Betreiber der Internetseite „Babykaust“ klagt, konnte dessen Anwalt nicht gehört werden, weil er sich nicht wie abgesprochen per Video zuschaltete.

Wegen Holocaust-Vergleich: Abtreibungsgegner vor Gericht

Der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees, Christoph Heubner, teilte mit, er sei Hänel sehr dankbar, dass sie die Klage gegen den Betreiber von „Babykaust“ angestrengt habe. Die Art und Weise wie der Abtreibungsgegner seine Überzeugungen auf der Internetseite verkünde, sei nicht nur für Überlebende des Holocaust unerträglich, erklärte er. (dpa/aba)

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