• Die neue Erste Vorsitzende des Hamburger Tierschutzvereins Janet Bernhard mit ihrer Bullterrier-Hündin, die in Hamburg nur mit Maulkorb laufen darf.
  • Foto: Petra Siemers (hfr)

„Ganz normale Hunde“: Neue Tierheim-Chefin will Regeln für Pitbull & Co. lockern

Hamm –

Mit einem lauten Krach ist jetzt fast der gesamte siebenköpfige Vorstand des Tierschutzvereins (HTV) abgewählt worden. Bis auf den Schatzmeister. Zuvor war das Tierheim mehr als ein Jahr lang nicht aus den Schlagzeilen gekommen. Fast wöchentlich gab es zuletzt Razzien durch das Veterinäramt. Mitarbeiter erklärten sich für überlastet, das Wohl der Tiere sei in Gefahr. Im Mittelpunkt der Kritik: die Vorsitzende Sandra Gulla. Die MOPO sprach mit der neuen Vorsitzenden Janet Bernhardt über die Personalsituation, Veganismus und ihren Einsatz für Kampfhunde.

Frau Bernhardt, was muss sich im Tierheim jetzt ändern?

Es gibt viel zu tun und wir müssen uns erst einmal ein Bild machen. Die Behörde für Gesundheit und das Veterinäramt Mitte haben sich bereits gemeldet und darauf müssen wir vorrangig reagieren.

Hamburger Tierheim von außen

Der Eingang des Hamburger Tierheims in der Süderstraße.

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MOPO: Die Tierpfleger haben ja mehrfach in Brandbriefen auf ihre Überlastung hingewiesen. Werden Sie jetzt mehr Personal einstellen?

Ja. Es ist ein großer Personalmangel entstanden. Viele Mitarbeiter haben wegen der Zustände im Tierheim gekündigt. Andere, die in Rente gegangen sind, wurden nicht ersetzt. Teils wurden auch ausgebildete Tierpfleger nur durch Mini-Jobber und Tierpflegehelfer ersetzt. Da müssen die Fachkräfte dringend wieder aufgestockt werden.

MOPO: Aber bekommen Sie denn überhaupt Personal?

Ja, etliche Pfleger waren wegen des schlechten Klimas gegangen. Einige haben sich schon gemeldet, dass sie zurückkommen wollen. Außerdem haben andere Tierheime uns ihre Unterstützung zugesagt.

MOPO: Müssen Sie Personal aufstocken, damit die Tiere wieder gut versorgt werden können?

Erstmal wird es viel helfen, wenn die unbesetzten Stellen wieder besetzt werden. Teilweise war die Lage so angespannt, dass Stationen überhaupt nicht besetzt waren und Tierpfleger von einer Station zur anderen springen mussten. Damit bleibt natürlich die kontinuierliche Versorgung der Tiere auf der Strecke und Fehler bleiben nicht aus.

MOPO: Also keine Personalaufstockung?

Um die bestmögliche Pflege und Betreuung der uns anvertrauten Tiere sicherzustellen, kommen möglicherweise auch Aufstockungen in Betracht. Da möchte ich aber der gemeinsamen Entscheidung des neuen Vorstands nicht vorgreifen.

Schildkröten bei Hamburger Tierschutzverein.

Im Tierheim Süderstraße leben mittlerweile sehr viele Schildkröten. Sie werden häufig ausgesetzt und erreichen ein hohes Alter.

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MOPO: Was wird aus den besonders umstrittenen Auslandstierschutz? Werden Sie weiterhin Hunde aus Rumänien holen und dort Tierheime unterstützen?

Auf jeden Fall. Auslandstierschutz ist wichtig. Ich habe selbst ja auch Hunde aus dem Ausland. Besonders wichtig ist es uns aber, die Bedingungen in den Ländern vor Ort zu verbessern. Etwa durch Kastrationen und besser ausgestattete Tierheime.

Kampfhund im Tierheim Süderstraße.

Ein Listenhund liegt in seinem Auslauf im Tierheim Süderstraße.

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MOPO: Holen Sie also weniger Hunde als bisher?

Das ist nicht unser Ziel. Wir überlegen, zukünftig auch mit anderen Organisationen zusammen zu arbeiten. So könnten dann auch Hunde aus anderen Ländern zu uns kommen. Ganz wichtig ist uns aber: Es werden nur Hunde ins Tierheim geholt, wenn wir ausreichend Platz und personelle Kapazitäten haben. Das war zuletzt oft anders. Da wurde einfach nur gesagt: Übermorgen kommen Hunde, schafft Platz! 

MOPO: Für viel Unmut hat bei einigen Mitarbeitern und Vereinsmitgliedern gesorgt, dass Frau Gulla als überzeugte Veganerin auch im Tierheim Zeichen gesetzt hat. Wie halten Sie es mit dem Konsum von Fleisch und Eiern?

Ich esse Fleisch, achte aber darauf, dass es aus artgerechter Haltung kommt. Die Eier, die wir essen, stammen von unseren eigenen Hühnern, die wir aus schlechter Haltung übernommen haben.

MOPO: Kann man ein guter Tierschützer sein und gleichzeitig Fleisch aus Massentierhaltung essen?

Als Tierschützer kann man ganz sicher kein Fleisch aus Massentierhaltung essen. Der Hamburger Tierschutzverein wird sich auf jeden Fall weiter deutlich gegen Massentierhaltung aussprechen und für tierschutzkonforme Gesetze kämpfen.

MOPO: Zurück zu den Veganern: Besonderen Ärger gab es ja im Tierheim darum, dass im Spatzencafé nur noch vegane Milch ausgeschenkt wird keine Waffeln mit Eiern mehr angeboten werden durften …

Im Spatzencafé wird es weiterhin vegane Angebote geben. Wir entscheiden da nicht über den Kopf der Ehrenamtlichen hinweg, die das Café größtenteils ja schon lange und mit viel Herzblut eigenständig betreiben.

MOPO: Wird es ausschließlich vegane Angebote geben?

Wie schon gesagt, die Ausrichtung des Spatzencafés liegt zu einem großen Teil in der Hand der ehrenamtlichen Spatzen, die das Café ganz sicher auch zukünftig im Sinne des Tierschutzes betreiben werden. Der neue Vorstand wird sich aber zeitnah mit den Ehrenamtlichen zusammensetzen, um die Ausrichtung des Spatzencafés zu besprechen.

Katze im Gehege im Tierheim Süderstraße.

Eine Rassekatze blickt scheu und misstrauisch aus ihrem Käfig

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dpa

MOPO: Werden Sie das Thema Listenhunde wieder auf die Agenda bringen? Sie haben ja selbst einen „gefährlichen Hund“, einen Bullterrier.

Ja, ich habe eine Bullterrier-Hündin, die aus einer schlechten Haltung stammt. Das Thema Listenhunde bewegt viele Mitglieder und es ist in den letzten Jahren vernachlässigt worden. Das Hamburger Hundegesetz ist sehr streng, es stehen viele Hunderassen auf der Liste. Da werden wir den Dialog mit den Politikern suchen, um eine Änderung wie in anderen Bundesländern zu erreichen.

MOPO: Was wären konkret da Forderungen?

Wir hätten schon viel erreicht, wenn Staff, Pitt & Co. zukünftig nicht mehr als unwiderlegbar gefährlich gelten würden, sondern nach einem bestandenen Wesenstest wie ganz normale Hunde behandelt würden.

MOPO: Es gab ja viel böses Blut und im Tierheim gibt es eine Lager-Bildung. Sind da personelle Veränderungen nötig? Werden Sie die Leitung des Tierheims austauschen?

Noch ist die Amtsübergabe ja nicht vollzogen und wir konnten mit den Kollegen noch nicht einmal richtig sprechen. Dazu kann ich also noch nichts sagen. Wichtig ist uns ein gutes Betriebsklima, in dem alle wieder unbelastet und mit Freude ihrer Arbeit nachkommen können, und dafür werden wir uns mit allen verfügbaren Mitteln einsetzen.

Info zu Janet Bernhardt: Die neue 1. Vorsitzende des Hamburger Tierschutzvereins (HTV) Janet Bernhardt arbeitet beim Rettungsdienst, hat unter Wolfgang Poggendorf im Jahr 2000 als Tierpflegerin in der Süderstraße angefangen und 18 Jahre dort gearbeitet. Sie kündigte 2018, während Sandra Gulla HTV-Vorsitzende war. Bernhardt hat mit ihrem Partner einen Hof in Schleswig-Holstein, hält vier Hunde, etliche Hühner und andere Tiere aus der Tierrettung. Janet Bernhardt hat einen Bullterrier. Diese Rasse gehört in Hamburg zu den gefährlichen Hunden, die Haltung muss beantragt und begründet werden (wird meist von Behörden abgelehnt) und für sie gilt in der Öffentlichkeit Maulkorbpflicht.

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