Hähne laufen auf Heu in einem mobilen Hühnerstall.

Hähne aus der Bruderhahn-Initiative befinden sich in einem Mobilstall. Hühnerbauer Bauck hält das Verbot von Kükentöten für eine Mogelpackung. Foto: picture alliance/dpa/Philipp Schulze

Abtreibung im Hühnerstall: Verbot des Kükentötens wird umgangen

Eigentlich ist seit Jahresbeginn alles ordentlich gesetzlich geregelt. Männliche Küken dürfen nicht mehr getötet werden. Der Züchter Carsten Bauck hält das für eine komplette Mogelpackung. Jetzt wird nämlich im Stall abgetrieben, die Eier nach 13 Tagen vernichtet.

Carsten Bauck macht es anders. Er zieht die Hähnchen auf und finanziert sie durch einen Aufschlag beim Eierpreis.„Ich bin ein Bruder. Hier kann ich’s sein.“ Diese Aufschrift ziert die Tür zu einem mobilen Stall mit Auslauf auf einem Biohof in Klein Süstedt, einem dörflichen Vorort von Uelzen. 1500 weiße, schreckhafte Hähnchen tummeln sich putzmunter auf dem mit Stroh ausgelegten Boden oder auf Sitzstangen. Elf Wochen sind die Brüder der Masthennen alt. In neun Wochen werden sie auf dem Bauckhof direkt zu Fleisch verarbeitet. Spitzengastronomen geben sich bei Landwirt Carsten Bauck die Klinke in die Hand.

Hühnerzüchter Carsten Bauck hält einen Hahn aus der Bruderhahn-Initiative auf dem Arm. picture alliance/dpa/Philipp Schulze
Ein Landwirt steht in einem Hühnerstall und hält einen Hahn auf dem Arm.
Hühnerzüchter Carsten Bauck hält einen Hahn aus der Bruderhahn-Initiative auf dem Arm.

„Spitzenköche wollen genau diese Spezialität und kommen dann oft mit ihren Gästen darüber ins Gespräch, erzählen von der Herkunft. Das schafft Kundenbindung“, erzählt Bauck. Er ist stolz auf die Zucht aus bäuerlicher Hand. Bei ihm sind alte Rassen zuhause – 20.000 Hühner in 13 Ställen. Unter konventionellen Bedingungen könnte er ein Vielfaches halten, doch genau das will er nicht. Er ist auch gegen Haltungsbedingungen, bei denen die Brust medikamentös vergrößert wird und die Hühner sich nur noch nach vorn gebeugt bewegen können.

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Je nach Gewicht wird ein Hähnchen, dessen Fleisch fest ist und leicht nussig schmeckt, etwa 28 bis 30 Euro kosten. Es gibt kaum einen Lebensmittelbereich, in dem die Preisspreizung zwischen konventioneller und ökologischer Haltung so groß ist.

Verbot des Kükentötens: „Die werden schockgefroren, das ist totaler Verbraucherbetrug“

Ein Dorn im Auge ist Bauck das nach wie vor praktizierte Aussortieren der männlichen Nachkommen. Seit Jahresbeginn ist es zwar verboten, die geschlüpften Küken zu töten. Dafür wird das Geschlecht im Ei nach etwa 13 Tagen bestimmt. Das Ei darf dann vernichtet werden. „Die Eier werden dann pasteurisiert und schockgefroren“, erzählt Bauck. „Die Küken sind vollständig zu sehen. Da müsste es eigentlich einen Aufschrei geben.“ Für ihn ist das nicht nur eine Zerstörung lebenswerten Lebens, sondern auch „totaler Verbraucherbetrug“.


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Ab 2024 ist eine Verschärfung der Geschlechtsbestimmung im Ei geplant. Erlaubt sind dann nur noch Methoden, die früher funktionieren – tabu werden Eingriffe ab dem siebten Tag des Bebrütens. Insgesamt dauert es 21 Tage, bis Küken schlüpfen.

Bioverband Demeter warnt: Brutgeschäft wandert ins Ausland ab

Auch der Bioverband Demeter ist gegen die sogenannte In-Ovo-Selektion. „Ein Riesenproblem dieses Gesetzes ist der nationale Alleingang“, sagt Demeter-Fachmann Jörg Hütter. Das führe dazu, dass das Brutgeschäft ins Ausland abwandere. „Wir hätten eine europäische Lösung favorisiert.“ Für Demeter-Betriebe lehnt er die neue Methode ab, für konventionelle Betriebe „mag das die richtige Methode sein“.

Ein Hahn aus der Bruderhahn-Initiative trinkt in einem Mobilstall. picture alliance/dpa/Philipp Schulze
Ein Hahn trinkt aus einem Napf in einem Mobilstall.
Ein Hahn aus der Bruderhahn-Initiative trinkt in einem Mobilstall.

Bauck gründete den Verein Brudertier Initiative mit und kämpft seit Jahren gegen den Tod des männliches Geflügels. Die Hennen finanzieren mit den etwas teureren Eiern das längere Leben ihrer Brüder. Es gibt kaum einen deutschen Förderpreis, den er für seine ökologische Haltung nicht bekommen hat. „Das ist ein Vorzeigebetrieb“, sagt Hütter. Inzwischen betreibt Bauck Deutschlands größte Demeter-Masthähnchen-Haltung. Auf seinem Hof kommen keine konventionelle Zutaten ins Futter. „Wir sind dicht an der Idealvorstellung von Verbrauchern“, sagt der 46-Jährige.

Ukraine-Krieg schadet Landwirten: „Seit Kriegsbeginn wollen Kunden günstige Ware“

Seit Kurzem hat aber auch sein Hof ein Problem. „Seit Kriegsbeginn wollen Kunden günstige Ware“, erzählt Bauck. Während seine Abnehmer sonst etwa von Fleisch und Eiern nicht genug bekommen konnten, sind sie neuerdings bei den Bestellungen zurückhaltend. „Es tut uns richtig weh. Wir sind seit Wochen paralysiert“, meint der Landwirt. Aber: „Wir sind eine starke Marke und bisher immer gut aus allem herausgekommen.“ Doch was passiere mit den Kleinen, die viel mehr für Futter, Verpackung und Diesel ausgeben müssen? Es gebe einige Bioläden, die überlegten inzwischen zuzumachen, berichtet Bauck. (dpa/mp)

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