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Die Choreographie der Sargträger
  • Eine Figur in der Tracht erster Klasse mit Degen der Hamburger Sargträger steht in den Räumlichkeiten der Genossenschaft für Trägergestellung im Bestattungsgewerbe (GTB).
  • Foto: picture alliance/dpa/Daniel Reinhardt

Schwerstarbeit: Die Choreographie der Hamburger Sargträger

Am Ende einer Trauerfeier holen Sargträger den Toten aus der Kapelle und bringen ihn zu seiner letzten Ruhestätte. Eine Genossenschaft der Hamburger Bestatter sorgt für ein besonderes Erscheinungsbild ihrer Mitarbeiter bei dem Ritual.

Den Sarg bei einer Trauerfeier zu tragen – das macht dem Hamburger Rolf Schneider Spaß. Ihm gefalle die Arbeit in parkähnlichen Anlagen wie dem Ohlsdorfer Friedhof und die Gemeinschaft mit den Kollegen. Während der Fahrt zur Kapelle sei die Stimmung im Auto keineswegs getrübt. „Doch wenn wir arbeiten ist das wie wenn ein Schalter umgelegt würde. Dann sind wir ernst“, sagt der 57-Jährige. Wenn er mit seinen Kollegen die Kapelle betrete, erhebe sich die Trauergesellschaft. Alle Augen seien auf die traditionell gekleideten Sargträger gerichtet. „Das ist ein schönes Gefühl, wenn man dazu beitragen kann, dass eine Trauerfeier für alle Beteiligten in schöner Erinnerung bleibt“, sagt Schneider. Er schätze die Tradition der Hamburger Sargträger.

Hamburg: Kleidung und Aufgaben der Träger

Bei der Genossenschaft für Trägergestellung im Bestattungsgewerbe (GTB), für die Schneider arbeitet, erinnert die Tracht an die Zeit um 1800: schwarzer Talar, auch Lutherrock genannt, und Dreispitzhut, weißer Kragen und weiße Handschuhe, Kniestrümpfe und Schuhe mit Schnallen. Zur Tracht erster Klasse gehört auch ein Degen. Einfachere Varianten sind ganz in Schwarz mit Zylinder. Aufgabe der Träger ist es, den Sarg aus der Kapelle oder Kirche zu holen und auf den Bahrwagen zu setzen. Auf diesem wird der Tote zum Bestattungsort gerollt. Dort nehmen die Träger den Sarg vom Wagen, tragen ihn zum Grab und lassen ihn in die Erde hinunter.

„Betriebssicherheit und Würde – das sind immer die Komponenten“, sagt der Vorstand der Genossenschaft, Frank Kuhlmann (56). picture alliance/dpa/Daniel Reinhardt
Die Choreographie der Sargträger
„Betriebssicherheit und Würde – das sind immer die Komponenten“, sagt der Vorstand der Genossenschaft, Frank Kuhlmann (56).

Es sind meist nur wenige Meter und Minuten Arbeit. Aber dabei kommt es auf die Details an. „Betriebssicherheit und Würde – das sind immer die Komponenten“, sagt der Vorstand der Genossenschaft, Frank Kuhlmann (56). Ein Sarg mit einem schweren Toten kann bis zu 300 Kilogramm wiegen. Häufig sind sechs Träger im Einsatz, manchmal aber auch die traditionellen acht. Wer am Kopfende anfasst, hat das schwerste Gewicht zu heben.

Hamburger Sargträger: Das bedeuten die Kommandos

Einer der Träger ist der „Kolonnenführer“ und gibt die Kommandos. Auf die Ansage „Dank“ verbeugen sich die Träger am Sarg, wobei sie den Dreispitz oder den Zylinder in der Hand halten. Auf das Kommando „Bitte“ heben sie den Sarg an und sichern ihn auf den Schultern. „Und dann gehen wir im Gleichschritt mit dem linken Bein zuerst raus, damit das eben schön aussieht“, erklärt Schneider. Die Träger folgten fast schon einer Choreographie wie bei einem Ballett. Das hat allerdings auch einen praktischen Grund: „Das Ziel ist im Gleichschritt zu gehen; sonst würden wir uns gegenseitig in die Hacken treten“, sagt Schneider.

Die letzten Meter zum Grab sind meist die anspruchsvollsten. „Das ist eigentlich immer der riskanteste Punkt bei jeder Beisetzung“, erklärt Kuhlmann. Die Träger fassten den Sarg an den Griffen und legten ihn über das Grab, bevor er an Seilen heruntergelassen werde. „Je schwerer das Gewicht, desto größer ist das Risiko, dass jemand das Gleichgewicht nicht hält“, sagt Schneider. Der Sarg dürfe nicht wackeln. Der Tote müsse behutsam ins Grab gelegt werden. Beim Herunterlassen sollte das Fußende einen Tick tiefer als das Kopfende abgesenkt werden. „Das muss wohlkoordiniert sein, da muss jeder ganz konzentriert bei der Sache sein, dass da nichts schiefgeht“, sagt Schneider.


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„Es gibt auch Trockenübungen“

Sargträger üben dieses Manöver, wenn sie neu sind. „Es gibt auch Trockenübungen“, sagt Kuhlmann. Die werden mit den Berufsanfängern auf dem Grundstück der Genossenschaft in Hamburg-Alsterdorf mit einem leeren Sarg veranstaltet.

Die Trägerzüge der GTB sind weit über Hamburgs Stadtgrenzen hinaus im Einsatz. In anderen Städten wie Köln oder Berlin gebe es zwar eigene Traditionen. Doch das Erscheinungsbild der Hamburger Trägerzüge habe für viele Kunden etwas Exklusives. „Auch wenn die Tradition im Grunde genommen fast überall die gleiche ist, weiß man, bei den Hamburgern ist es eben noch mal einen Tacken besonders.“ Schneider beschreibt die Wirkung so: „Wenn wir dann so gekleidet vor der Kirche oder Kapelle stehen, zieht man richtig die Blicke auf sich, weil es feierlich aussieht.“

Besonderer Einsatz: Begräbnis für Altkanzler Helmut Schmidt

Ein ganz besonderer Einsatz für die Sargträger der GTB war das Begräbnis für Altkanzler Helmut Schmidt im November 2015. Eigentlich hätten Soldaten seinen Sarg aus dem Michel tragen müssen, sagt Kuhlmann. Doch der in seiner Heimatstadt tief verwurzelte SPD-Politiker habe vor seinem Tod verfügt, dass ihn Hamburger Träger auf die Schultern nehmen. Sie trugen dabei die Tracht erster Klasse mit Degen.

Dreispitzhüte aus der Tracht der Hamburger Sargträger liegen in den Räumlichkeiten der Genossenschaft für Trägergestellung im Bestattungsgewerbe (GTB) in einem Regal. picture alliance/dpa/Daniel Reinhardt
Die Choreographie der Sargträger
Dreispitzhüte aus der Tracht der Hamburger Sargträger liegen in den Räumlichkeiten der Genossenschaft für Trägergestellung im Bestattungsgewerbe (GTB) in einem Regal.

Das Auftreten der Sargträger sei sowohl ästhetisch als auch trostspendend, erklärt der Genossenschaftsvorstand. „Diese halbe oder dreiviertel Stunde, die eine Beerdigung nur dauert, ist eine Erinnerung fürs Leben der Menschen, und die bleibt.“ Der Einsatz der Sargträger werde immer wieder in Verbindung mit dem zu Grabe getragenen Leben gebracht.

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Zurzeit arbeiten bei der Genossenschaft 28 Sargträger, darunter nur eine Frau. „28 ist eigentlich viel zu wenig. Wir bräuchten viel mehr. 35 bis 38 wären gut“, sagt Kuhlmann. Zwar bekämen nur noch etwa 20 Prozent der Toten eine Erdbestattung. Aber es gebe viele Bestatter, die die Leistung der Genossenschaft in Anspruch nähmen. Das Sargtragen sei traditionell eine Männerdomäne, er würde sich jedoch über mehr Bewerbungen von Frauen freuen. „Meine Vision ist, dass wir es schaffen, einen kompletten Frauenzug aufzustellen“, sagt Kuhlmann. (dpa)

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