Eine Hand steckt eine Regenbogenflagge in die Erde vor dem Reichstagsgebäude.

In Schleswig-Holstein gab es bereits Hunderte Anträge auf eine Änderung des Geschlechtseintrag, seit das Selbstbestimmungsgesetz in Kraft getreten ist. (Symbolbild) Foto: picture alliance/dpa/Monika Skolimowska

Neues Gesetz: Hunderte Norddeutsche lassen ihren Geschlechtseintrag ändern

Die Änderung des Geschlechtseintrags ist seit dem 1. November unkompliziert möglich. Allein in Schleswig-Holstein machten bereits Hunderte davon Gebrauch. Derweil ist bundesweit eine neue Debatte über das Gesetz entfacht.

Seit Inkrafttreten des neuen Selbstbestimmungsgesetzes im November 2024 haben in Schleswig-Holstein hunderte Menschen allein in den größeren Städten des Landes ihren Geschlechtseintrag geändert. Dies ergab eine dpa-Umfrage unter den kreisfreien Städten Kiel, Lübeck, Flensburg und Neumünster sowie Norderstedt. Mit dem neuen Gesetz kann man den Geschlechtseintrag und Vornamen einfach per Erklärung im Personenstandsregister ändern lassen. Die Erklärung muss mindestens drei Monate vorher angemeldet werden. Anträge konnten also schon seit August 2024 gestellt werden.

Allein in Lübeck mehr als 160 Änderungen

Bisher haben allein in Lübeck nach Angaben der Stadt 163 Menschen ihren Geschlechtseintrag und ihren Vornamen ändern lassen. 67 davon leben nicht in Lübeck. Ihre Anträge wurden daher an die jeweils zuständigen Standesämter weitergeleitet, teilte Stadtsprecherin Nina Rehberg mit. Ferner liegen aktuell 31 Anmeldungen für eine Erklärung vor.


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Am häufigsten wurden in Lübeck Änderungen von weiblich auf männlich vorgenommen. Dies war 78-mal der Fall. 44 Menschen ließen ihren Geschlechtseintrag von männlich auf weiblich ändern. Der Rest ließ den Geschlechtseintrag streichen (22) oder in divers ändern (19).

Aus der Landeshauptstadt Kiel lagen zunächst keine aktuellen Zahlen vor. Hier hatten früheren Angaben zufolge bis zum 31. Dezember vergangenen Jahres 73 Menschen ihren Geschlechtseintrag geändert. Insgesamt lagen in Kiel damals 234 Anmeldungen auf Änderung des Geschlechtseintrags vor.

So sieht es in Flensburg, Norderstedt und Neumünster aus

In Flensburg haben 100 Menschen ihre Geschlechtsangabe geändert, wie ein Stadtsprecher mitteilte. Die Option „männlich“ wurde dabei 30 Mal gewählt, für „weiblich“ entschieden sich 26 Personen, für die Alternative „divers“ 20 und den Eintrag „ohne Geschlechtsangabe“ ließen 15 Menschen vornehmen. Von weiteren 9 Anmeldungen sind 2 Personen nicht erschienen, 1 Mensch hat sich nach der Anmeldung an ein anderes Standesamt gewandt. 6 Termine stehen nach Angaben des Stadtsprechers noch aus.

Bei den in Neumünster beurkundeten Personen wurde nach Angaben eines Stadtsprechers 23 Mal das männliche Geschlecht gewählt und 10 Mal das weibliche. Hinzu kommen zehn Einträge divers und zwei mit der Angabe „Geschlecht gestrichen“. Ansonsten wurden 16 Erklärungen für andere Geburtsstandesämter entgegengenommen. Zudem gibt es noch sieben gültige Anmeldungen. Für weitere vier Anmeldungen ist die Frist für die Abgabe der Erklärung demnach abgelaufen.

In Norderstedt haben nach Angaben einer Stadtsprecherin insgesamt 35 Personen ein anderes Geschlecht eintragen lassen. Von männlich zu weiblich waren es 15, andersherum 13. Der Rest ließ den Geschlechtseintrag streichen (3) oder in divers ändern (4). Von allen in Norderstedt eingegangenen Anmeldungen ist ein Antrag zurückgezogen worden. Eine Voranmeldung liegt aktuell noch vor.

Mit alter Regel gab es deutlich weniger Änderungen

Die Erleichterungen bei dem neuen Gesetz betreffen vor allem transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen. Sie mussten bislang hohe Hürden überwinden und kostspielige Verfahren durchlaufen, um ihren Geschlechtseintrag ändern zu lassen. Nun reicht eine Erklärung ohne Gutachten.

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Die Änderungen der Geschlechtseinträge nach den alten Regelungen waren in den kreisfreien Städten den Angaben zufolge daher deutlich geringer. Norderstedt konnte dazu keine Angaben machen, da das dortige Standesamt kein Geburtenstandesamt ist und daher keine Zahlen dazu vorliegen.

Neue Debatte über Gesetz entfacht

Im schwarz-roten Koalitionsvertrag ist vereinbart, die neuen Regelungen bis zum Juli 2026 zu überprüfen. Aktuell wird wieder kontrovers über das Gesetz diskutiert. Hintergrund der Debatte sind die Vorgänge um die verurteilte Rechtsextremistin Marla-Svenja Liebich, die im Chemnitzer Frauengefängnis ihre Strafe antreten sollte, aber dazu bisher nicht erschienen ist

Liebich war im Juli 2023 wegen Volksverhetzung, übler Nachrede und Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden – damals noch als Sven Liebich. Anfang dieses Jahres war bekannt geworden, dass Sven Liebich seinen Geschlechtseintrag von männlich auf weiblich und den Vornamen in Marla Svenja hat ändern lassen. Der Fall fachte die Debatte über das neue Selbstbestimmungsgesetz zuletzt wieder an. (dpa/mp)

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