Die NDR-Ära Joachim Knuth endet: „Wenn man raus ist, ist man raus“
Im linearen Fernsehen können die Sender kaum mehr Zuschauer hinzugewinnen. Im Gegenteil. Was also tun? Für Joachim Knuth ist die Antwort vor seinem Abschied als NDR-Intendant klar.
Wenn Joachim Knuth an diesem Freitag zum letzten Mal seine Bürotür am Hamburger Rothenbaum schließt, wird sicher ein Stück Wehmut mitschwingen. Schließlich hat der Intendant des Norddeutschen Rundfunks gute vier Dekaden beim NDR verbracht und den drittgrößten ARD-Sender damit geprägt wie nur wenige vor ihm. Und dies trotz eines holprigen Starts – im Nachhinein für Knuth eine „schöne Anekdote“ – wie er vor seinem Abschied lachend im Interview der Deutschen Presse-Agentur erzählt.
Er sei Anfang 1985 mit 25 Jahren in die Nachrichtenredaktion gekommen – mit einem auf drei Monate befristeten Vertrag in der Tasche. Dieser sei ihm aber erst nach sechs oder sieben Wochen zugestellt worden. „Und mein Impuls damals war: Du brennst so für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und für den NDR. Und es dauert so lange, bis sie dir diese drei Monate bestätigen.“ Da seien ihm Zweifel gekommen, ob das auf Strecke was werden könne.
Knuth: „Nie bereut, beim NDR zu arbeiten“
„Und im Rückblick denke ich heute manchmal, wie man sich irren kann. Ich bin jetzt gut 40 Jahre in diesem Haus, also bin echt lange hier und habe es nie bereut, für den Norddeutschen Rundfunk zu arbeiten“, sagt Knuth.
Dabei herrschte in den gut fünfeinhalb Jahren, in denen der gebürtige Kieler die Gesamtverantwortung trug, nicht immer eitel Sonnenschein. Ein 2023 vorgestellter externer Bericht zum Betriebsklima im NDR machte Mängel in der Führungs- und Kommunikationskultur aus. Der beauftragte Experte sah „Ausreißer nach unten im Führungsstil“.
Anstoß waren Vorwürfe gegen Führungskräfte beim NDR in Hamburg und Kiel, die 2022 laut geworden waren. „Als ich das las, habe ich an der einen oder anderen Stelle geschluckt“, räumte Knuth damals nach Lektüre des etwa 100-seitigen Berichts ein: „Da sind Dinge drin, die, wenn man in den Spiegel guckt, kein so wahnsinnig gutes Bild geben.“
Knuth über Nachfolger
Für die Zukunft sieht der 66-Jährige, der 2020 auf Lutz Marmor folgte, den öffentlich-rechtlichen Sender für Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen gut aufgestellt. Zumal er seinen Nachfolger Hendrik Lünenborg als Toplösung erachtet. Dieser verfüge über eine extrem hohe Akzeptanz im Haus: „Er kann gut zuhören, er kann gestalten, er ist durchsetzungsfähig.“
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Mit Blick auf den Medienwandel sieht Knuth große Anstrengungen auf den NDR unter Lünenborgs Leitung und die öffentlich-rechtlichen Medien insgesamt zukommen. „Wir werden noch viel stärker als heute darauf achten müssen, dass wir die Audiothek, die Mediathek und unsere Online-Angebote ausbauen, aber auch darauf, wie wir mit Web, Apps und mit Social umgehen“, sagt Knuth.
Die „Tagesschau“ als Flaggschiff auf Instagram
Wenn man sich anschaue, wie viel etwa ARD-aktuell mit der „Tagesschau“ als Flaggschiff im Bereich der Sozialen Medien generiere, dann rede man über Millionenzahlen und nicht mehr über versprengte Zielgruppen. Etwa fünf Millionen Menschen, im Durchschnitt knapp 30 Jahre alt, verfolgten bei Instagram die „Tagesschau“. „Bei Tiktok reden wir auch über siebenstellige Zahlen“, sagt Knuth.
Demgegenüber verliert das lineare Fernsehen nach Knuths Angaben Jahr für Jahr über alle Anbieter hinweg ungefähr eine Million Menschen. NDR und ARD erreichten aber noch immer Millionen über ihre etablierten Kanäle. Das Erste sehen demzufolge täglich durchschnittlich 22 Millionen Menschen, das NDR-Fernsehen 7 Millionen. „Das sind massenmediale Zahlen“, sagt Knuth.
Knuth: „Wenn man raus ist, ist man raus“
Gleichwohl müsse man sich auf andere Ausspielwege konzentrieren, um Massenmedium zu bleiben. „Massenmedium bleiben bedeutet am Ende, dass wir Reichweite über alle Wege haben, auf denen wir Menschen erreichen“, sagt Knuth mit Bezug auf ARD-Chef Florian Hager, der jüngst vom „Ende der Massenmedien“ gesprochen und für Aufsehen in der Branche gesorgt hatte.
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Das aber soll Knuth künftig nicht mehr umtreiben. Auf die Frage, was er für ein Intendant im Ruhestand sein wolle, kommt die Antwort ohne lange zu überlegen: „Ich werde bestimmt keiner sein, der reinruft. Ich finde, wenn man raus ist, ist man raus, und dann machen es andere, und die werden es gut machen.“ Ihm gefalle die Idee, die Dinge künftig von der Seitenlinie zu betrachten. „Und ich werde schauen, ob ich neben den Dingen, die ich jetzt so mache – also Stiftungen und Diakonie – noch Lust auf anderes bekomme.“ (dpa/mp)
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