Joel Chima Fujita konnte beim FC St. Pauli direkt überzeugen. Foto: WITTERS

Entdeckung, Pech, Eigentor: Die Gewinner und Verlierer des St. Pauli-Camps

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Pfiat di Flachau, Moin Hamburg! Der FC St. Pauli hat das zehntägige Trainingslager in Flachau inkusive zweier überzeugender Testspielsiege gegen Karlsruhe (6:1) und Nizza (2:0) mit einer letzten lockeren Einheit beendet und setzt die finale Phase der Saisonvorbereitung in der Hansestadt fort. Wer hat in Österreich besonders überzeugt? Wer hat überrascht? Für wen lief es schlecht? Es ist schwer, Verlierer zu benennen, denn kein Spieler hat im Camp enttäuscht. Aber einige Kiezkicker haben wertvolle Zeit verloren, eine Chance verpasst – oder selbst vergeben.

GEWINNER

Alexander Blessin: Den Ausschlag gibt hier der Vergleich mit dem Vorjahr. Im Sommer 2024 war der Chefcoach der wichtigste Neuzugang bei St. Pauli, musste im Trainingslager erst einmal seine Mannschaft richtig kennenlernen (und umgekehrt) und mit einem Kader arbeiten, dessen Neuverpflichtungen zu großen Teilen noch zur Zeit von Vorgänger Fabian Hürzeler eingetütet worden waren. In Flachau waren die Voraussetzungen deutlich anders und für Blessin besser. Obwohl wichtige Spieler noch nicht mittrainieren konnten und können (Irvine, Mets) sind alle neuen Kiezkicker in enger Abstimmung mit ihm und nach seinen Vorstellungen verpflichtet worden. Er konnte das Camp mit „seinem“ Kader bestreiten.

Neulinge voll drin, Fujita im Eiltempo ein Bessermacher

Alle Neuen: Mag pauschal und beliebig klingen, hat aber einen triftigen Grund. Es gibt keinen Neuzugang, der nicht glaubwürdig (und oftmals mit Beispielen unterlegt) davon schwärmt, wie gut er von seiner neuen Mannschaft aufgenommen wurde und wie wohl er sich fühle. Das ist beileibe keine untergeordnete B-Note, kein „nice to have“. Es ist die enorm wichtige Basis, um sich voll auf die anspruchsvollen fußballerischen Inhalte konzentrieren zu können.

Joel Chima Fujita: St.Paulis Toptransfer hat sich sehr schnell in seine komplexe Rolle im zentralen Mittelfeld eingefunden, ist in Trainings- und Testspielen schon sichtbar ein Dreh- und Angelpunkt, wenngleich noch nicht alles gelingt. Das Etikett des 3,5-Millionen-Mannes scheint den 23-Jährigen nicht zu belasten und für Verkrampfung zu sorgen. Extrem stark als bissiger Balleroberer, der in Umschaltmomenten handlungsschnell ist und gute Pässe spielt. Der Japaner fordert den Ball, will Verantwortung übernehmen und traut sich auch, Kommandos zu geben. Seine Stimme ist oft zu hören. Er ist auf Anhieb ein Bessermacher und dürfte ein Unterschiedsspieler werden.

Nick Schmidt begeistert Blessin: „Überragend gut“

David Nemeth: Nein, er ist kein Gewinner, weil er zehn Tage in seinem Heimatland verbringen durfte, mehrmals Trainingsbesuch von Familie und Bekannten bekam und die tägliche Option, österreichische Spezialitäten zu genießen, hatte. Nemeth ist in diesem Sommer nach seiner starken Bundesligasaison in der Hierarchie aufgerückt. Im Test gegen Karlsruhe trug er zum dritten Mal in dieser Saisonvorbereitung (halb-) zeitweise die Kapitänsbinde, ist im „Binden-Ranking“ die Nummer vier hinter dem noch verletzten Jackson Irvine, Eric Smith und Hauke Wahl.

Auffällig: Der erst 17-jährige Nick Schmidt WITTERS
St. Paulis Nick Schmidt
Auffällig: Der erst 17-jährige Nick Schmidt

Nick Schmidt: Alle Nachwuchsspieler, die mit ins Trainingslager durften, wurden auf hohem gefordert und gefördert und werden von den intensiven Tagen im Kreise der ersten Mannschaft zehren, denn sie konnten sich auch abseits des Rasens von den gestandenen Profis etwas abschauen und den ein oder anderen Tipp bekommen. Wer aber herausstach, war der erst 17-jährige Schmidt. Der defensive Mittelfeldspieler der U19-Spieler überzeugte mit seiner dynamischen, mutigen, bissigen und zugleich unbekümmerten Spielweise – und begeistere seinen Coach. „Er hat das überragend gut gemacht“, lobte Blessin Schmidts Leistung in den ersten 30 Minuten gegen Nizza. „In der Summe hat er super Lösungen gefunden, hat auch seinen Körper gut reingebracht. Das macht Lust auf mehr.“

Robatsch lernt schnell, Irvine macht wichtige Fortschritte

Jannik Robatsch: Auch ein junger Profi stach hervor. Der Anfang Juni verpflichtete 20-jährige Innenverteidiger lernt sehr schnell dazu, präsentierte sich auf dem Rasen robust und stabil, zeigte sich aber auch abseits des Rasens als für sein Alter erstaunlich gefestigte Persönlichkeit mit sehr positiver Ausstrahlung, die dem Team guttut.

Jackson Irvine ackert in Flachau mit Atheltiktrainer Frederik Bokelmann fürs Comeback. WITTERS
Jackson Irvine ackert in Flachau mit Atheltiktrainer Frederik Bokelmann fürs Comeback.
Jackson Irvine ackert in Flachau mit Atheltiktrainer Frederik Bokelmann fürs Comeback.

Jackson Irvine: Der lange verletzte Kapitän war auf dem Platz zwar nicht mittendrin, aber volle zehn Tage in Flachau dabei, was vor zwei Wochen noch nicht garantiert war. Er konnte so nah an der Mannschaft sein, kümmerte sich um die Integration der Neuzugänge und absolvierte sein Reha-Programm. Ab Wochenmitte stieg er ins Lauftraining ein – sein operierter linker Fuß hat die Belastungssteigerung bislang gut verkraftet. Auch dafür gab es keine Garantie. Das Trainingslager hat ihm gutgetan. „Diese Art Luftveränderungen, mal etwas anderes zu sehen, machen einen großen Unterschied. Ich bin überzeugt, dass die Gemütslage einen wichtigen Effekt im Heilungsprozess hat“, sagte der Australier vor ein paar Tagen. Auf dem noch langen Weg zum Comeback ist er dem Plan derzeit eine Woche voraus. Den Saisonstart wird er dennoch verpassen.

Pechvogel Jones war schon vor dem Abflug raus

Ema’s Pub: Die urige Kneipe im irischen Stil im Ortskern von Flachau war der beliebteste Anlaufpunkt der mitgereisten St. Pauli-Fans und auch aktuelle und ehemalige Vereinsfunktionärinnen und -funktionäre wurden dort gesichtet. Ein Plus: bei den Öffnungszeiten ist nur ein „ab“ angegeben, kein „bis“…


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VERLIERER

Ricky-Jade Jones: Der neuverpflichtete Stürmer ist vor allem ein großer Pechvogel, weil es sich schon vor Beginn des Trainingslagers schwer verletzt hatte und nach seiner Schulter-OP wochenlang ausfällt. Dem Engländer ist dadurch die elementare Möglichkeit verloren gegangen, sich an deutsches Erstliganiveau zu gewöhnen, mit der Mannschaft einzuspielen und in die Gruppe einzugewöhnen, die in den Tagen in Flachau gut zusammengewachsen ist. Sein Rückschlag ist längst nicht nur ein gesundheitlicher.

Romeo Aigbekaen bracht sich selbst um die Bühne

Simon Spari: Auch der neue dritte Keeper hat (Lern-)Zeit verloren. In der zweiten Hälfte des Trainingslagers legte den Österreicher ein heftiger Magen-Darm-Infekt flach. Sehr unglücklich für ihn und auch suboptimal für die Trainingsarbeit des Torwart-Teams, das als Quartett begonnen hatte. Weil am Donnerstag auch noch U23-Torwart Kevin Jendrzey abreiste, um mit der zweiten Mannschaft am Wochenende den Saisonstart zu bestreiten, blieben für die letzten Tage nur noch Stammkeeper Nikola Vasilj und Ben Voll übrig. Erst am Sonntag, bei der Abschlusseinheit in Flachau, konnte er wieder leicht laufen. Schade für ihn.

Hamburg statt Flachau: Romeo Aigbekaen WITTERS
Romeo Aigbekaen am Ball
Hamburg statt Flachau: Romeo Aigbekaen

Romeo Aigbekaen: Kurz vor Abflug ins Trainingslager entschied die sportliche Führung, dass der Nachwuchs-Stürmer mit Profivertrag doch nicht mitfliegt, sondern bei der U23 bleibt. Hintergrund: seine Unzufriedenheit über seine ihm zugedachte Rolle als Lernender mit regelmäßigem Profi-Training, aber Einsätzen im Regionalliga-Team. Mit etwas zu forschen Forderungen, die lanciert wurden – mutmaßlich auch von Beraterseite – brachte er sich letztlich selbst um die Chance, sich im Camp weiterzuentwickeln, in den Testspielen Pluspunkte zu sammeln, sich zu beweisen und in den Fokus zu spielen – wie Nick Schmidt. Ein gefühltes Eigentor.

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Petrus: Stark begonnen, sehr stark nachgelassen. Die ersten Tage war das Wetter top, Mitte der Woche durchwachsen, zum Ende mehrfach unterirdisch. Die Platzverhältnisse waren angesichts mehrerer Starkregengüsse dennoch gut, was auch den zuständigen Platzwarten des USC Flachau zu verdanken war. Und der Kiezklub hatte Glück beim Timing. „Immer wenn die Mannschaft auf den Platz gegangen ist“, meinte Sportchef Andreas Bornemann am Schlusstag mit einem Schmunzeln, „hat es aufgehört zu regnen.“ Dennoch hätten sich die Spieler über mehr Sonne in den freien Stunden des Tages gefreut.

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