Hauch von Königsklasse bei St. Pauli-Testspiel – aber spielt Nizza voll mit?
Kleiner Ort, kleines Stadion, große Herausforderung. Im zweiten und zugleich letzten Testspiel des Trainingslagers in Österreich fordert der FC St. Pauli am Samstag den französischen Topklub OGC Nizza heraus (15 Uhr, Liveticker auf MOPO.de). Ein echter Härtetest, zumindest auf dem Papier. Die sportliche Leitung der Kiezicker hofft, dass die eigene Mannschaft nach fruchtbaren Trainingstagen in Flachau noch einmal deutlich mehr gefordert wird als beim überzeugenden 6:1-Testsieg gegen einen Karlsruher SC, der sich erschreckend schwach präsentiert hatte. Aber auch vor dem Duell mit Nizza gibt es Fragezeichen.
In Anif steigt die Partie gegen den Traditionsklub aus Südfrankreich, einem 4400-Seelen-Ort wenige Kilometer südlich von Salzburg und nur 60 Kilometer von Flachau entfernt. Anif, nie gehört? Das dürfte fast allen Kiezkickern bis vor kurzem auch so gegangen sein (die drei Österreicher im Kader ausgenommen, wobei das nicht gesichert ist). Anif ist eine wohlhabende Gemeinde, gilt als eine der besten Lagen im Großraum Salzburg.
FC St. Pauli spielt in Anif gegen Topteam OGC Nizza
Die „Kampfmannschaft“ des Ortes (ja, so wird in Österreich das Profi-Team eines Vereins genannt) spielt in der vierten Liga und hat den schönen Namen USK Maximarkt Anif. Das Stadion heißt Maximarkt Sportpark, der 1500 Plätze bietet, also etwa ein Drittel der Bevölkerung von Anif fassen könnte. Namensgeber für Verein und für Arena ist die Supermarktkette Maximarkt.
Maximal möchte der FC St. Pauli im Härtetest gefordert werden und auch den Gegner fordern, für den es übrigens das letzte Testspiel des in Anif absolvierten Trainingslagers ist. Also die Generalprobe. In Frankreich beginnt die Erstliga-Saison eine Woche früher als die in Deutschland.
Nizza kann sich für die Champions League qualifizieren
Nizza ist ein Topteam in Frankreich. „Les Aiglons“ (die Adler) beendeten die vergangene Spielzeit auf Rang vier hinter Meister Paris Saint-Germain, Olympique Marseille und AS Monaco, verpasste die direkte Qualifikation für die Champions League nur um einen Punkt. Jetzt geht es am 6. August in der dritten Runde der Champions-League-Quali gegen Benfica Lissabon. Ein Hauch von Königsklasse weht also immerhin über den Platz in Anif.
Der geschätzte Kaderwert des viermaligen französischen Meisters liegt bei 197,5 Millionen Euro, wogegen sich die 48,2 Millionen des FC St. Pauli geradezu bescheiden ausnehmen. Topstar von Nizza ist Mittelstürmer Evann Guessand, Nationalspieler der Elfenbeinküste (Marktwert 25 Millionen), der in der vergangenen Saison 21 Scorerpunkte (12 Tore/ 9 Assists) in 33 Spielen sammelte. Insgesamt zehn OGC-Spieler haben einen zweistelligen Millionenmarktwert.
Nizzas Kader viermal so wertvoll wie der von St. Pauli
Der hochkarätigste Neuzugang ist der schwedische Linksaußen Isak Jansson, der für zehn Millionen Euro Ablöse von Rapid Wien gekommen ist. Allerdings hat Nizza seinen besten Verteidiger verloren. Jean-Clair Todibo wechselte für satte 40 Millionen Euro zu West Ham United. Im Vergleich dazu sehen die 5,5 Millionen, die St. Pauli vom SC Freiburg für Philipp Treu bekommen hat, mickrig aus, waren aber der Rekordtransfer in der bisherigen Vereinsgeschichte.
Ein reizvolles Duell – sportlich, aber auch aufgrund der unterschiedlichen wirtschaftlichen Möglichkeiten beider Vereine. Wir schlägt sich der FC St. Pauli vor seiner zweiten Bundesligasaison gegen ein Europapokalteam aus einer der Topligen des Kontinents?
Andreas Bornemann: „Hoffen auf erfolgreichen Test“
„Wir hoffen auf einen guten und auch erfolgreichen Test zum Abschluss unseres Trainingslagers“, sagt Sportchef Andreas Bornemann. Wobei „erfolgreich“ nicht zwingend vom Resultat abhängig sein muss, sondern in erster Linie die Leistung betrifft.
Die Generalprobe von Nizza ist allerdings nicht das einzige Spiel, dass die Franzosen an diesem Tag bestreiten. Am Vormittag um 11 Uhr spielt das Team von Trainer Franck Haise in Grödig gegen den niederländischen Topklub Feyenoord Rotterdam, der als Tabellendritter der Eredivisie wie Nizza in der dritten Runde der Champions-League-Qualifikation gefordert ist und am 6. August auf Fenerbahce Istanbul trifft.
OGC Nizza spielt am gleichen Tag gegen Rotterdam
Die große Frage ist: gegen welchen Gegner spielt Nizza mit seiner besten Elf – gegen Rotterdam oder gegen St. Pauli? Die Franzosen sollen den Hamburgern signalisiert haben, die Generalprobe wichtiger zu nehmen und dort mit ihrer stärksten Formation aufzulaufen. Allerdings steckt auch genügend Qualität im Kader, dass auch eine Mannschaft ohne die Topspieler ein richtiger Prüfstein für die die von Alexander Blessin trainierten „Boys in Brown“ wäre.
Aus Hamburger Sicht ist besonders interessant, ob Eric Smith oder Hauke Wahl in der Zentrale der Abwehrkette beginnen und wer die Doppelsechs im defensiven Mittelfeld besetzt. Spielen erstmals Smith und der hochveranlagte Neuzugang Joel Chima Fujita dort zusammen?
Smith, Wahl, Fujita im Fokus – Lage und Hountondji auch
Besonders freuen dürften sich St. Paulis in Frankreich geborene und aufgewachsene Neuzugänge Mathias Pereira Lage und Andréas Hountondji (spielt für die Nationalmannschaft von Benin), denn sie können mit dem Gegner vor dem Spiel, währenddessen und danach ihre Muttersprache pflegen. Werden sie besonders motiviert sein?
Mit französischen Testspielgegnern hat St. Pauli übrigens zuletzt gute Erfahrungen gemacht: Im Vorjahr gab es im letzten Test des Sommertrainingslagers einen 1:0-Sieg gegen Olympique Lyon. Der Klub, gegen den aufgrund schwerer finanzieller Probleme ein Zwangsabstieg in die zweite Liga verhängt worden war, was aber juristisch gerade noch abgewendet werden konnte, spielt diesen Samstag übrigens bei einem anderen (Neu-)Bundesligisten aus Hamburg.
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