Nach schweren Vorwürfen: Hamburgs Ballett-Chef gefeuert
Die Vorwürfe gegen Hamburgs Ballett-Chef wiegen schwer – nun ist Demis Volpi ist seinen Job los. Er hat sich mit der Staatsoper auf einen Auflösungsvertrag zum Ende der Spielzeit und auf eine sofortige Freistellung verständigt – „einvernehmlich“, wie es heißt.
Die Tänzer der Compagnie, die unter ihrem vorherigen Leiter John Neumeier zu Weltklasse aufgestiegen war, erfuhren die Neuigkeit am Dienstagvormittag während eines Gastspiels in Salzburg. Nach MOPO-Informationen unterrichtete der Betriebsrat das Ensemble darüber, dass Volpi mit sofortiger Wirkung seine beiden Ämter beim Hamburg Ballett aufgegeben hat. Er ist nun also weder Ballettintendant noch Chefchoreograf. Die Kulturbehörde bestätigte, dass der Vertrag des 39-Jährigen nach nur einem Jahr vorzeitig aufgelöst wurde.
Brandbrief an Brosda
Offenbar brachte die anonyme Befragung aller Beschäftigten der Oper – und somit auch der Tänzerinnen und Tänzer – für ihn ein negatives und somit folgenschweres Ergebnis, das diese Konsequenz notwendig machte.
Noch vor dem Ende der ersten Spielzeit endet damit eine Zusammenarbeit, die offenbar nicht funktionierte: Fünf Erste Solisten kündigten teilweise schon vor Monaten, 36 Mitglieder der Compagnie hatten im April einen Hilferuf an Kultursenator Carsten Brosda (SPD) gerichtet.
In dem Brandbrief hatten die Ensemble-Mitglieder ihrem Chef-Choreografen mangelnde künstlerische Qualität und fehlende Wertschätzung vorgeworfen. Tänzer aus Düsseldorf, wo Volpi zuvor tätig gewesen war, schrieben einen ähnlichen Brief an Brosda und stärkten ihren Hamburger Kollegen den Rücken. Das Ensemble berichtete von einem Klima der Angst.
„Meine Vision ließ sich nicht weiter verwirklichen“
„Meine Vision – sowohl in künstlerischer Hinsicht als auch im Hinblick auf eine zeitgemäße Struktur, die offene und verantwortungsvolle Zusammenarbeit innerhalb einer Ballettcompagnie ermöglicht – ließ sich trotz intensiver Bemühungen unter den aktuellen Rahmenbedingungen am Hamburg Ballett nicht weiter verwirklichen“, so Volpi in einer Pressemitteilung.
„Ich bedaure, dass es nicht gelungen ist, eine gemeinsame Grundlage für eine weitere Zusammenarbeit im Hamburg Ballett zu schaffen“, schreibt Kultursenator Carsten Brosda (SPD). „Wir werden nun zunächst die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilen.“
Gemeinschaftliche Interims-Leitung geplant
Das hat der Aufsichtsrat der Staatsoper am Dienstag in einer Sondersitzung beschlossen. Bis zum Ende der Spielzeit 2025/2026 soll es nun eine gemeinschaftliche Interimsleitung des Hamburg Ballett geben.
Dazu finden aktuell Gespräche mit dem stellvertretenden Ballettintendanten Lloyd Riggins, dem Ballettbetriebsdirektor Nicolas Hartmann und der stellvertretenden Direktorin der Ballettschule Gigi Hyatt statt. Zudem laufen mit Hartmann Verhandlungen über die interimistische Übernahme der Position des Geschäftsführers.
Mögliche Auswirkungen auf Ballett-Tage
Ob die betreffenden Ersten Solisten ihre Kündigung nun zurückziehen, ist zurzeit noch unklar, aber durchaus denkbar. Zumindest als Gäste wäre eine zukünftige Kooperation möglich.
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Ein Insider, der anonym bleiben möchte, vermutet, dass sich Volpis Weggang auch auf die diesjährigen Ballett-Tage auswirken wird: Wahrscheinlich wird das Festival nicht wie bislang geplant mit der Volpi-Choreografie „Surrogate Cities“ am 6. Juli eröffnet.
Nach 51 Jahren an der Spitze hatte Intendant John Neumeier die Leitung des Hamburg Balletts im vergangenen Sommer an Volpi übergeben. Der gebürtige Amerikaner Neumeier hatte das Hamburg Ballett unter seiner Leitung zu Weltruhm geführt. Compagnien in aller Welt tanzen seine mehr als 170 Choreografien, darunter Handlungsballette wie „Ein Sommernachtstraum“ und „Die Kameliendame“ oder Bachs „Matthäus-Passion“ und Mozarts „Requiem“.
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