• Eine Seniorin bewegt sich beim Motorrad-Spiel. 
  • Foto: RetroBrain

Computerspiele für Senioren: So hilft Daddeln gegen Demenz

Hammerbrook –

Sie düsen auf dem Motorrad durch die Gegend, verteilen virtuell Post, kegeln oder tanzen. Eine Kamera erfasst ihre Bewegungen und überträgt sie auf den Bildschirm. Das macht nicht nur Spaß, sondern trainiert auch Motorik, Reaktionsvermögen und Gedächtnis. Mit den Computerspielen von „RetroBrain“ daddeln Senioren gegen Demenz!

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Die Idee dahinter stammt von Manouchehr Shamsrizi (32) aus Wellingsbüttel, der auf unternehmerische Weise gesellschaftliche Probleme lösen will. Ergebnis dieses Anspruchs ist eine kleine blaue Box – eine Videospielkonsole für Alten- und Pflegeheime. Sie wird bei Demenz- und Parkinson-Patienten eingesetzt und gilt mittlerweile als Medizinprodukt.

„RetroBrain“ aus Hamburg: Videospiele für Senioren

Manouchehr Shamsrizi

Der Hamburger Manouchehr Shamsrizi ist einer der Gründer von „RetroBrain“. 

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RetroBrain

Manouchehr Shamsrizi ist dabei so etwas wie ein Tausendsassa der digitalen Welt: Er engagiert sich als Mitglied diverser Thinktanks zu Fragen der Digitalisierung, lehrt an Universitäten und hatte schon als Schüler seine erste Firma. 2014 gründete er gemeinsam mit fünf Mitstreitern das Unternehmen „RetroBrain“, das seinen Sitz an der Spaldingstraße (Hammerbrook) hat. „Schon länger hatte ich den Eindruck, dass vom technischen Fortschritt wenig im Gesundheits- und Pflegesektor ankommt“, sagt er. 

Der Hamburger ist in der digitalen Welt zu Hause. In Berlin hat er an der Humboldt-Uni die Forschungsgruppe „gamelab.berlin“ gegründet, die sich mit der Frage beschäftigt, wie Gaming als meistgenutzte Kulturtechnik unsere Gesellschaft verändert. „Ich glaube an die Idee des Homo ludens – dass der Mensch ein spielendes Wesen und zum Spielen geschaffen ist“, sagt er.

Gaming für Senioren: Prävention und Vergnügen zugleich

Prävention und Vergnügen zusammenbringen, darum geht es bei den Spielen von „RetroBrain“. An der Entwicklung waren Experten aus Medizin und Gaming beteiligt. Selbstverständlich könne man etwa Stand- und Gangsicherheitstraining auch ohne Videospiel machen – das sei aber oft langweilig. Beim Motorradspiel etwa bewegen sich die Spieler mit dem Oberkörper nach rechts und links, um das Gefährt zu steuern. Dass man auf diese Weise unter anderem die Stabilität trainiert, geschieht quasi nebenbei. 

Getestet haben die jungen Entwickler ihre „Memore-Box“ damals in Hamburgs größtem Seniorenheim, dem Hospital zum Heiligen Geist in Poppenbüttel. Mit dem Prototypen unter dem Arm kamen die damaligen Mittzwanziger dort an – und wurden positiv aufgenommen. 

Konsole wurde in Hamburg größtem Seniorenheim getestet

„Die Menschen dort waren sehr interessiert und ihre Rückmeldungen unfassbar hilfreich“, sagt Manouchehr Shamsrizi. Eine davon: „Ein Senior wies uns darauf hin, dass die Reifen unmöglich zum Motorrad passen könnten. Da wären wir selber nicht drauf gekommen“, sagt er. Wichtig auch: Die Spiele müssen so konzipiert sein, dass kein Frust entsteht. 

Besonders in Erinnerung geblieben ist dem Hamburger eine Begegnung in einer anderen Einrichtung. „Eine Frau dort berichtete, dass ihr seit Jahren jede Bewegung weh tue, sie aber ihre Schmerzen beim Spielen erstmals wieder vergessen habe. Das hat mich sehr berührt“, sagt er. 

Die „Memore-Box“ gilt mittlerweile als Medizinprodukt

Für seine Idee hat das Unternehmen schon einiges an Preisen abgeräumt. Seit Ende 2019 gilt die Spielekonsole sogar als Medizinprodukt, es gibt eine Kooperation mit einer Krankenkasse, auch die Berliner Charité und das UKE gehören zu den Partnern. 

In 200 Einrichtungen in ganz Deutschland steht die blaue Box mittlerweile, gerade ist das erste Heim in Österreich hinzugekommen. Und Manouchehr Shamsrizi hat bereits weitere Ideen in Vorbereitung, wie man virtuellen Spaß mit Prävention verbinden könnte: Gemeinsam mit der Universität Hamburg wird zur Zeit erforscht, ob man dafür auch VR-Brillen einsetzen könnte – und mit dem UKE läuft ein Projekt zur Alzheimerprävention. 

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