• Tobias Carstens inmitten einer seiner Rindergruppen in der Nähe von Rendsburg.
  • Foto: Regionalwert AG/Uta Gleiser

Alles begann mit vier Tieren auf Ebay: Tobi (27) ist einer der größten Bio-Rancher

Rendsburg –

Grüne Weiden, tiefe Horizonte und zottelige Rinder soweit das Auge reicht. Hier in Hamdorf, mitten in Schleswig-Holstein, hat Tobias Carstens sich einen Traum erfüllt. Der gebürtige Rendsburger ist erst 27 Jahre alt und hat doch schon seine eigene Ranch. Er hält eine der größten Bio-Rinderherden Deutschlands. Carstens ist überzeugt, dass wir trotz Klimawandel nicht auf Fleisch verzichten müssen. „Aber es sollte deutlich weniger sein und vor allem aus der richtigen Haltung.“

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Die Fleischproduktion steht als Klimakiller in der Kritik. Und laut einer aktuellen Studie des Bundesernährungsministeriums essen fünf Prozent der Deutschen kein Fleisch mehr (allerdings lebt nur ein Prozent vegan). Wieso setzt da ausgerechnet ein junger Mensch wie Tobias Carstens auf Rinderzucht? „Das war zunächst gar nicht so beabsichtigt“, erzählt er. Seine Eltern hatten mit Landwirtschaft nämlich gar nichts am Hut.

Bio-Ranch mit Galloways und Highlandern

Doch dann hat Tobias als Teenager bei Ebay vier Highland-Rinder gesehen und sich sofort in die Tiere verguckt. Er kaufte sie als 14-Jähriger von seinem Taschengeld und die Eltern mieteten eine freie Koppel hinterm Haus. „Und plötzlich stellte sich heraus, dass alle vier Rinder tragend waren“, sagt Carstens lachend. Doch niemals hätte er gedacht, dass daraus einmal eine Ranch mit 600 Rindern würde.

Die schottischen Hochlandrinder von Tobias Carstens (27) leben das ganze Jahr über auf riesigen Weideflächen.

Die schottischen Hochlandrinder von Tobias Carstens (27) leben das ganze Jahr über auf riesigen Weideflächen.

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Regionalwert-AG/Uta Gleiser

Hamdorf: Tobias Carstens produziert Bio-Fleisch

Stoisch stehen die kleinen urwüchsigen Rinder mit den dicken Schädeln auf den endlosen Wiesenflächen und trotzen Schnee und eisigen Winden. Schottische Hochlandrinder und Galloways verbringen das ganze Jahr draußen auf ihren Weiden. Mit ihrem zotteligen braunen Fell und ihren breiten Hörnern sind vor allem die Hochlandrinder ein echter Blickfang.

Tobias Carstens sieht täglich nach seinem Vieh. Zu Fuß oder mit dem Drahtesel geht das allerdings nicht, er und seine Mitarbeiter sind mit Pickups unterwegs, anders können sie die Weite der 600 Hektar großen Weideflächen nicht inspizieren. Das kennt Carstens bereits aus Kanada, wo er vor dem Studium ein Jahr als Farmhelfer gearbeitet hatte.

Ein Jahr als Farmhelfer in Kanada

Während die meisten deutschen Mastrinder auf Vollspaltenböden in engen Ställen leben und nie den Himmel zu sehen bekommen, kennen seine Tiere einen Stall kaum von innen. Und auch der Anblick von Zäunen ist für sie selten. Die Kühe werden noch natürlich vom Bullen gedeckt statt künstlich besamt. Sie gebären ihre Kälber frei auf den weiten Wiesen und ziehen sie dort auch auf.

Galloways auf einer Weide

Im Sommer hält die Weide wahre Leckerbissen für die Tiere bereit. Im Winter werden auch die sonst verschmähten Binsen verspeist.

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Regionalwert AG/Uta Gleiser

Gefressen wird, was je nach Jahreszeit so auf der Wiesen-Speisekarte steht. „Im Sommer nur vom Feinsten, im Winter auch die sonst verschmähten Binsen“, erzählt Tobias Carstens. Denn Binsen reichern mit den ersten Frösten Zucker an und werden erst dann richtig lecker für den feinen Rindergaumen. „So wie meine Tiere leben, brauchen wir fast nie den Tierarzt“, sagt der Jungbauer stolz.

Rinder werden direkt auf der Weide geschossen

Und am Ende ihres Lebens müssen seine Rinder auch nicht in den Hänger getrieben und verängstigt zur Schlachtbank gefahren werden. Denn sie werden normalerweise direkt auf der Weide geschossen. In der Metzgerei auf dem Hof werden sie später in echter Handarbeit zu Steak, Würsten und Schinken verarbeitet. 85 Produkte hat der Hof im Angebot. Und bald können die Kunden sogar bei der Herstellung zusehen, denn Carstens plant eine gläserne Metzgerei.

Rind wird vom Schwanz bis zur Schnauze verarbeitet

Stolz ist er darauf, dass er 90 Prozent jedes Tieres wirklich verkaufen kann, nichts kommt weg. Auch Herzen, Zungen und Bäckchen finden Abnehmer. „Zunge mit süßem Senf ist lecker, oder gegrilltes Herz.“ Und die letzten zehn Prozent gehen an die Hundebesitzer unter den Kunden.

Obwohl Carstens vom Verkauf von Fleisch und Wurst lebt, sieht auch er es kritisch, dass die Deutschen immer noch fast 60 Kilo Fleisch im Jahr vertilgen. „Ich esse nur zweimal pro Woche Fleisch. Aber dann wirklich gutes.“

Viele Deutsche zu geizig für gutes Fleisch?

Und natürlich sei das teurer. Über den deutschen Geiz beim Essen kann Carstens sich richtig in Rage reden. „Da werden ohne mit der Wimper zu zucken sieben Euro für Kippen hingeblättert, aber sechs Euro für ein Stück Fleisch ist zu teuer.“ Und es werde auch viel zu viel Fleisch weggeworfen.

Und er versteht auch nicht, dass Menschen weiterhin in den Urlaub fliegen oder auf Kreuzfahrt gehen wollen, aber Fleisch für zu klimaschädlich halten. „Ein Caterer erzählte mir gerade, dass bei Hochzeiten und anderen Feiern nie um die Getränkepreise gefeilscht werde – aber fast immer um die Preise fürs Essen.“

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Tobias Carstens will sich dadurch nicht beirren lassen und geht seinen Weg weiter. Ohwohl er etwas pessimistisch ist und nicht glaubt, dass sich das in den nächsten Jahren ändern wird und ein Sinneswandel für mehr Tierwohl eintritt. Um selbst etwas dafür zu tun, plant er Projekte mit Kitas und Schulen. „Meinen Tieren geht es gut, ich habe regionale Arbeitsplätze geschaffen und die Rinder betreiben auch noch Landschaftspflege. Was will man mehr?“

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