Schlag ins Gesicht für LGBTQI-Bewegung: Beckham ließ sich von Katar kaufen
20 Jahre ist es her, dass David Beckham sich als einer der ersten prominenten Fußballer für den Titel des homosexuellen Hochglanzblatts „Attitude“ hat ablichten lassen und über seine schwulen Fans sprach. Ein deutliches Zeichen: Ihr gehört dazu, wenn es um Fußball geht. Der mittlerweile 47-Jährige stieg mit seiner als Tabubruch wahrgenommenen Aktion zum Idol in der sportlich interessierten LGBTQI-Bewegung auf. Umso entsetzter fallen die Reaktionen aus auf die fürstlich bezahlte Parteinahme für den WM-Gastgeber Katar, der Homosexuelle und Trans-Personen systematisch verfolgt.
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Die Wette gilt: Pünktlich zur WM-Eröffnungsfeier will Joe Lycett 10.000 britische Pfund schreddern – oder sie für wohltätige Zwecke spenden. Das macht der Kabarettist aus Birmingham davon abhängig, ob David Beckham bis dahin seine Rolle als Botschafter für den WM-Gastgeber Katar niederlegt oder nicht.
Der einstige Weltstar kassiert 150 Millionen Pfund dafür, dass er zehn Jahre lang sein Gesicht für das Emirat hinhält und davon schwärmt, wie schön es sei, das Land zu besuchen. Würde Beckham seine Prämie in Ein-Pfund-Noten schreddern und für jeden Schein eine Sekunde brauchen – er wäre bis zur nächsten WM 2026 noch lange nicht blank.
20 Jahre ist es her, dass Beckham sich als einer der ersten prominenten Fußballer für den Titel des homosexuellen Hochglanzblatts „Attitude“ hat ablichten lassen und über seine schwulen Fans sprach. Ein deutliches Zeichen: Ihr gehört dazu, wenn es um Fußball geht. Der mittlerweile 47-Jährige stieg mit seiner als Tabubruch wahrgenommenen Aktion zum Idol in der sportlich interessierten LGBTQI-Bewegung auf. Umso entsetzter fallen die Reaktionen aus auf die fürstlich bezahlte Parteinahme für den Golfstaat, der Homosexuelle und Trans-Personen systematisch verfolgt.
Human Rights Watch berichtet von Übergriffen gegen Homosexuelle und Trans-Personen
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch berichtete im September 2022 von Übergriffen gegen Betroffene, die teilweise wochenlang festgehalten und misshandelt worden seien. Artikel 285 des katarischen Strafgesetzbuchs sieht für homosexuelle Handlungen bis zu sieben Jahren Haft vor. In der Regel kommt es jedoch nicht zu Anklagen, denn auch ohne gerichtliche Verfügung können Personen bis zu sechs Monaten festgehalten werden, wenn sie die „öffentliche Moral verletzen“ – was zunächst im Ermessen der Sicherheitsbehörden liegt. Die jüngsten Äußerungen von WM-Botschafter Khalid Salman, der Homosexualität als „geistigen Schaden“ bezeichnete, legen die Messlatte niedrig.
Die Unterdrückung geschieht buchstäblich im Verborgenen: Im Stadtteil al-Dafna nahe der Küstenlinie befindet sich ein unterirdisches Gebäude, in denen Betroffene geschlagen und erniedrigt wurden sowie ihre Telefone gefilzt. Bis zu zwei Monaten wurden sie dort ohne anwaltlichen Beistand festgehalten. Das Verbot von unehelichem Geschlechtsverkehr richtet sich oft auch gegen Frauen, die Vergewaltigungen anzeigen – symptomatisch in einem Staat, in dem Frauen sich viele außerhäusliche Tätigkeiten von einem männlichen Vormund genehmigen lassen müssen.
LSVD-Kritik an der FIFA – und an der Katar-Reise von Innenministerin Faeser
Den Verweis auf kulturelle Traditionen in der arabischen Welt, der bisweilen zur Verteidigung solcher Praktiken herangezogen wird, lässt Chamindra Weerawardhana nicht gelten: „Wir reden über Gleichberechtigung, Gerechtigkeit, Liebe und Fairness“, sagt die Politikwissenschaftlerin aus Sri Lanka: „Das ist komplett vereinbar mit islamischem Recht.“
Als Bundesinnenministerin Nancy Faeser von ihrer Katar-Reise mit einer nie präzisierten „Sicherheitsgarantie“ für LBGTQI-Personen während der WM zurückkehrte, bezeichnete der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) dies als „blauäugig und respektlos gegenüber den Tausenden toten Gastarbeiter:innen, ihren Kindern und Familien“. Zudem verhöhne es „die Unterdrückung von katarischen Frauen und queeren Menschen“. Der LSVD-Vorsitzende Alfonso Pantinsano urteilt: „Die FIFA hat mit ihrem System aus Korruption, Menschenrechtsverletzungen und ihrer Nähe zu Despoten jede moralische Autorität verloren.“
Die „Three Lions Pride“ fahren nicht zur WM – und feiern auch nicht öffentlich
In das „gebetsmühlenartige Beharren“ von FIFA-Präsident Gianni Infantino, alle Menschen seien zur WM in Katar willkommen, setzt auch Di Cunningham kein Vertrauen. „Wir fahren nicht nach Katar, weil unsere Anwesenheit die Menschen vor Ort in Gefahr bringen könnte“, sagt die Mitbegründerin von „Three Lions Pride“, dem LBGTQI-Fanklub der englischen Auswahl. Die WM-Spiele werde sie zu Hause verfolgen, weil sie sich weder von Katar noch von der FIFA den Fußball wegnehmen lasse. Gemeinsamen Support ihres Fanklubs in der Öffentlichkeit werde es aber nicht geben, so Cunningham. Schließlich gebe es nichts zu feiern.
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Das sieht David Beckham vielleicht anders. „Moderne und Tradition vereinigen sich zu etwas wirklich Besonderem“, schwärmt der ehemalige Kapitän der „Three Lions“ in einem Werbespot: „Katar ist der ideale Ort, um hier einige Tage zu verbringen.“ Hört sich so an, als müsste Lycett am Sonntag den Aktenvernichter anwerfen. „Mit dem Geld“, resümiert er, „würde auch Beckhams Rolle als Ikone der Schwulenbewegung geschreddert.“