Lehren aus Katar: Wie in Zukunft saubere WM-Vergaben möglich sind
Was umstritten ist, darüber wird gestritten. So betrachtet, kann die WM in Katar günstigstenfalls ein Schritt sein, um die Vergabe sportlicher Großereignisse an die Menschenrechtssituation im Gastgeberland zu koppeln. Aber wie geht das überhaupt: eine saubere WM-Vergabe?
Was umstritten ist, darüber wird gestritten. So betrachtet, kann die WM in Katar günstigstenfalls ein Schritt sein, um die Vergabe sportlicher Großereignisse an die Menschenrechtssituation im Gastgeberland zu koppeln. Aber wie geht das überhaupt: eine saubere WM-Vergabe?
„In jedem Land der Welt kommt es zu Verletzungen der Menschenrechte“, betont Minky Worden von „Human Rights Watch“: „Der Fehler war nicht, die WM nach Katar zu vergeben, sondern in den zwölf Jahren seitdem nichts zu tun und keine Veränderungen einzufordern.“
Schleppende Reformen im Arbeitsrecht, keine Entschädigung für gestorbene Arbeitsmigranten, die Unterdrückung von LBGTQI-Personen: Die Menschenrechtsbilanz von zwölf Jahren Entwicklung in Katar fällt bescheiden aus, allen Sonntagsreden über die positive Kraft des Sports zum Trotz. Olympische Winterspiele in Sotschi 2014 und Peking 2022, die Fußball-WM in Russland 2018 … allzu wählerisch waren IOC und FIFA zuletzt nicht bei der Vergabe ihrer Großveranstaltungen.
FIFA beteuert Berücksichtigung von Menschenrechten bei WM-Vergabe
„Es darf nie wieder eine WM geben, ohne dass grundlegende Menschenrechte bei der Vergabe berücksichtigt werden“, fordert Worden: „Und dabei sind Zusicherungen nicht dasselbe wie ein rechtlicher Rahmen.“ Den rechtlichen Rahmen könnten die 2011 verabschiedeten Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte bilden, die Staaten und Unternehmen auf einen Mindeststandard verpflichten und den freien Zugang zu Rechtsmitteln einfordern.
„Das Sportrecht beginnt gerade erst, sich den Menschenrechten anzunehmen, und die bestehenden Einrichtungen sind oft nicht gut darauf vorbereitet“, sagt die Juristin Daniela Heerdt: „Das Problem ist, dass Verbände den Einfluss von Sport auf die Menschenrechtssituation oft nicht sehen und ihn als neutral und unpolitisch bezeichnen.“
Sowohl das IOC als auch die FIFA beteuern, Menschenrechte bei ihren Vergaben zu berücksichtigen und haben entsprechende Passagen in ihre Leitlinien aufgenommen. Wie viel dies wert ist, darf skeptisch beurteilt werden. „In der politischen und rechtlichen Realität existieren bislang keine Anforderungen an Sportverbände, dies auch tatsächlich umzusetzen“, stellt das Zentrum für Menschenrechte und Sport fest und beklagt: „Solange ungeklärt bleibt, welche Rahmenbedingungen für die Umsetzung und Achtung von Menschenrechten im Sport gelten, ist die individuelle Gestaltung von Umsetzungsschritten schwierig.“
WM in Katar: Schwierigkeiten entbinden Fußball nicht von seiner Verantwortung
Tatsächlich spielten Menschenrechte bei der WM-Vergabe 2010 an Katar formal schon eine Rolle. „Der Bewerber zielt darauf ab, die Situation durch lokale und globale Initiativen auf Basis des Fußballs zu verbessern“, heißt es im FIFA-Bericht zur Katar-Bewerbung: „Eine Angleichung an die Ziele der FIFA würde allerdings eine enge Zusammenarbeit erfordern.“
Doch davon war wenig zu sehen, 2010 nicht und 2022 auch nicht. Mit dem (teilweisen) Verbot von Bierausschank und Regenbogenfarben setzte Katar bei der WM früh ein Zeichen, dass es sich weder von einer kritischen Öffentlichkeit noch von der FIFA beeindrucken lässt. Da zeigten sich auch die Grenzen des Sports.
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Gerade dem Fußball wird bisweilen eine Rolle zugewiesen, die eigentlich Diplomaten auszufüllen hätten. Selbst eine nicht korrupte und gut organisierte FIFA täte sich wohl schwer, einem autoritären Regime Reformen abzuringen. Das entbindet den Fußball aber nicht von der Verantwortung, seine Rolle in Politik und Gesellschaft zu definieren – und die richtigen Orte für seine Großveranstaltungen zu finden.