Kommentar zum deutschen WM-Aus: Mit Bierhoff darf es nicht weitergehen
Am Freitagabend war sie aus deutscher Sicht dann also endgültig vorbei, diese desaströse und auf allen Ebenen unglückselige WM. Die Nationalspieler stiegen in Frankfurt aus dem Flugzeug und in die vom DFB für sie bereitgestellten Limousinen. Abfahrt in den Urlaub. Mit traurigen Gesichtern. Und dem Wissen, dass die kollektive Enttäuschung in der Bevölkerung weit weniger groß ist als vor sechs Jahren zum Beispiel.
Damals war man bei der EM an Frankreich gescheitert. Im Halbfinale. Unglücklich. Stolz umkreiste damals die deutsche Volksseele. Weil die Mannschaft zwei Jahre nach dem WM-Titel wieder ein starkes Turnier gespielt hatte. Und Trauer. Weil es nicht gereicht hatte. Und diesmal? Kein Stolz. Worauf auch? Aber es macht sich unter deutschen Fußballfans auch kaum Niedergeschlagenheit breit, geschweige denn Trauer. Frust, ja. Aber auch und vor allem Gleichgültigkeit. Die Nationalmannschaft hat sich nach zehn starken Jahren von 2006 bis 2016 systematisch entfremdet von den deutschen Fußballfans. Und klar ist, dass ein Mann diese Entzweiung ganz sicher nicht wird aufheben können: Oliver Bierhoff.
- Deutsch (Deutschland)
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Am Freitagabend war sie aus deutscher Sicht dann also endgültig vorbei, diese desaströse und auf allen Ebenen unglückselige WM. Die Nationalspieler stiegen in Frankfurt aus dem Flugzeug und in die vom DFB für sie bereitgestellten Limousinen. Abfahrt in den Urlaub. Mit traurigen Gesichtern. Und dem Wissen, dass die kollektive Enttäuschung in der Bevölkerung weit weniger groß ist als vor sechs Jahren zum Beispiel.
Damals war man bei der EM an Frankreich gescheitert. Im Halbfinale. Unglücklich. Stolz umkreiste damals die deutsche Volksseele. Weil die Mannschaft zwei Jahre nach dem WM-Titel wieder ein starkes Turnier gespielt hatte. Und Trauer. Weil es nicht gereicht hatte. Und diesmal? Kein Stolz. Worauf auch? Aber es macht sich unter deutschen Fußballfans auch kaum Niedergeschlagenheit breit, geschweige denn Trauer. Frust, ja. Aber auch und vor allem Gleichgültigkeit. Die Nationalmannschaft hat sich nach zehn starken Jahren von 2006 bis 2016 systematisch entfremdet von den deutschen Fußballfans. Und klar ist, dass ein Mann diese Entzweiung ganz sicher nicht wird aufheben können: Oliver Bierhoff.
Oliver Bierhoff hat aus der Nationalmannschaft ein Kunstprodukt gemacht
Der Manager der Nationalmannschaft hat die Probleme längst erkannt. Er bekommt sie ja auch abseits der WM bei jedem Länderspiel vor Augen geführt: Kaum ein Stadion, in dem die DFB-Elf spielt, ist noch ausverkauft, die Einschaltquoten der TV-Sender gehen ebenso kontinuierlich wie dramatisch zurück. Dass in diesem Jahr mehr Menschen das EM-Finale der deutschen Frauen als das WM-Aus der deutschen Männer verfolgten, wäre auch für Bierhoff, seit jeher alles andere als ein Förderer des Frauenfußballs, vermutlich noch vor dem Turnier unvorstellbar gewesen. Es ist aber die logische Folge, wenn man(n) auf der einen Seite mit Marketing-Gewalt versucht, ein Team zu einem Kunstprodukt zu stilisieren, das einen passenden Namen (Stichwort: Die Mannschaft) tragen muss, während die Frauen einfach nur spielen durften. Bierhoff hat den von Coca-Cola gesponserten Fanclub Deutsche Nationalmannschaft nicht erschaffen, aber er pflegt dieses Monstrum – und verkennt dabei, dass Fußballkultur und Fannähe keine Dinge sind, die vom Schreibtisch geregelt werden können.
DFB-Manager greift bei der Wahl des Quartiers erneut daneben
Oliver Bierhoff trägt natürlich nicht die alleinige Schuld am WM-Aus, er ist nicht einmal der Hauptschuldige, aber er hat auch bei dieser Weltmeisterschaft verheerende Fehlentscheidungen getroffen. Wie schon 2018 lag er bei der Wahl der Unterkunft total daneben, weil er ein Quartier wählte, das so abgeschieden war, dass die Wege zu den Pressekonferenzen für die Profis am Tag vor dem Spiel viel zu lang waren. Sein Versuch, die Schuld im Nachhinein der FIFA in die Schuhe zu schieben, ist durchschaubar und untauglich. Bierhoffs Verhalten beim Streit um die „One Love“-Binde war zudem desaströs. Der frühere Torjäger knickte ein, beeinflusste mit seinem Schlingerkurs die Mannschaft offenbar negativ und war ohnehin kein geeigneter Vertreter für eine solch wichtige Botschaft. 2011 hatte er schließlich noch mit homophoben Aussagen in der „Bild“-Zeitung die queere Community gegen sich aufgebracht.
Bierhoff verhält sich viel zu oft wie ein Fähnchen im Wind
Und so verfestigt sich das Bild eines früheren Top-Stürmers und eines früheren Atomenergie-Lobbyisten, der sich viel zu oft wie ein Fähnchen im Wind verhält, der es 2018 nicht schaffte, Mesut Özil und Ilkay Gündogan nach einem Foto mit dem türkischen Despoten Recep Tayyip Erdogan eine klare Ansage zu machen, nach dem verkorksten Turnier aber sehr wohl in der Lage war, Özil zum Sündenbock abzustempeln. Gleiches muss mit Oliver Bierhoff nun nicht passieren. Er muss nicht als Sündenbock herhalten, nicht nur wegen vergangener Fehltritte auf im weitesten Sinne politischem Parkett das Feld räumen, er muss auch geradestehen für die zu langsame, zu ungenaue Nachwuchsförderung im DFB. Allein den Bau der Ende Juni eröffneten DFB-Akademie ins Feld zu führen, ist viel zu wenig für einen DFB-Manager, der seit 18 Jahren Zeit hatte, dieses Thema voranzutreiben.
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18 Jahre, die Frankreich und England – um nur zwei Länder zu nennen – genutzt haben, um den DFB bei der Ausbildung von Talenten nicht nur zu überholen, sondern meilenweit abzuhängen. „Ich bin jetzt seit 18 Jahren da“, sagte Oliver Bierhoff am späten Donnerstagabend in der ARD und forderte: „Vielleicht schaut man sich die gesamte Bilanz an, schaut sich das sachlich an.“ DFB-Präsident Bernd Neuendorf und sein Vize Hans-Joachim Watzke werden das tun. Und können eigentlich nur zu einem Schluss kommen.