• Nach der ersten Saison-Niederlage herrschte bei den Profis des HSV großer Frust.
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Thioune-Team wackelt: HSV-Boss: „Wir haben nie die totale Dominanz gefordert“

Und schon sind sie wieder da, diese Diskussionen. War das 1:3 des HSV gegen Bochum nur ein Ausrutscher, der irgendwann kommen musste? Oder ist der Spitzenreiter dabei, sich von einer anhaltenden Tristesse umschlingen zu lassen, die ihm schon in den vergangenen beiden Jahren das Leben schwer machte? Das Gute: Der HSV hat es selbst in der Hand, diese Fragen zu beantworten.

Zumindest äußerlich war alles wie immer. Als Daniel Thioune am Montag inmitten seiner Profis auf die Plätze im Volkspark marschierte, grüßte und lächelte der 48-Jährige in die Runde aus Fans und Journalisten. Ein freundliches „Moin“ kam ihm über die Lippen, wie zuvor bei allen Siegen nun auch nach der ersten Pleite dieser Spielzeit.

Polzin, Thioune und Mutzel

Analyse nach Abpfiff: Sportdirektor Michael Mutzel, Trainer Daniel Thioune und sein Assistent Merlin Polzin (v.r.) versuchten schnell, Schlüsse aus der Niederlage gegen Bochum zu ziehen.

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Die offensichtliche Botschaft: Thioune ist ein höflicher Mensch. Die versteckte, aber vor allem für seine Profis nicht minder Wichtige: Der Trainer ist weit davon entfernt, Anzeichen des Frusts erkennen zu lassen.

Die kritischen Stimmen rund um den HSV nehmen zu

Er wird die Unkenrufe dennoch wahrnehmen. „Geht doch schon wieder los“ – „Läuft alles wie in den beiden Vorjahren“, so in etwa ist der häufig gehörte Tenor. Der klang zuletzt nach dem spät kassierten 1:1 in Kiel erstmals an. Und jetzt erst recht, nach der Bochum-Pleite. Also: Alles wie immer im Volkspark?

Beim HSV sind sie bezüglich solcher Andeutungen sensibilisiert. Und man gewinnt den Eindruck, dass Verantwortliche, Trainer und Spieler eines viel mehr fürchten als ihre Zweitliga-Gegner: Den Kampf gegen die bösen Geister und eine öffentlich geführte Diskussion darüber, ob der HSV erneut nach und nach sein großes Ziel verspielen könnte.

Die HSV-Verantwortlichen sehen sich auf dem richtigen Weg

Auch deshalb wählte Michael Mutzel am Montag klare Worte, während Thioune mit den Reservisten arbeitete. Die Tendenz der jüngsten Ergebnisse sei nicht gut, erklärte der Sportdirektor. „Aber wir lassen uns dadurch nicht von unserem Weg abbringen.“ 

Und deutlicher: „Wir sind Erster, haben jetzt drei Spiele nicht gewonnen und das Bochum-Spiel war nicht gut. Aber wir haben die Siege nicht überbewertet und werden auch Niederlagen nicht überbewerten. Wir werden sachlich ran gehen und wieder in die Spur finden.“

Nun muss man dem HSV zu Gute halten, dass die Fallhöhe enorm hoch war. Fünf Siege zum Start und  damit ein neuer Vereinsrekord im bezahlten Fußball,  das war außergewöhnlich. Dass der Pfeil irgendwann nach unten gehen musste, ebenso klar. „Aber wir haben nie die totale Dominanz in der Liga gefordert“, sagt Mutzel. „Wir müssen wegkommen von der Denke, dass wir über allen schweben.“

Findet der HSV in der Mini-Krise die passenden Antworten?

Damit hat er Recht. Doch die entscheidende Frage wird sein: Findet der HSV jetzt Lösungen, um auf die erste Mini-Krise sportlich antworten zu können? Und gelingt es vor allem den Profis, die Vergangenheit auszublenden?

„Wir befassen uns nicht mit den letzten beiden Jahren“, sagt Mutzel dazu und schiebt hinterher: „Es sind viele neue Spieler da und ein neues Trainerteam. Wir schauen nicht nach hinten, weil es nichts bringt.“

Zwei Mal schon verpasste der HSV den Aufstieg

Klingt einfach. Allerdings wird jeder Psychologe bestätigen, dass Negativerlebnisse aus der Vergangenheit sehr wohl immer wieder zur mentalen Hypothek werden können. Die des HSV heißt: Auch in den beiden Vorjahren startete er stark, führte teilweise wochenlang die Tabelle an. Und schmierte dann ab.

2018/19 unter Hannes Wolf mit acht sieglosen Spielen am Stück zwischen März und Mai. Ein Jahr später, mit Dieter Hecking am Ruder, wankte der HSV bereits vor der Winterpause (nur ein Sieg aus sieben Spielen) – und stürzte im Mai und Juni (nach der Corona-Pause) mit vier entscheidenden Gegentreffern in der Nachspielzeit. Traumatische Erlebnisse.

Einer dieser Gegner, der den HSV schockte, wartet am Sonntag. Dann geht es nach Heidenheim, das Hamburg im Juni in der Nachspielzeit mit 2:1 bezwang und einen Spieltag vorm Saisonende von Rang drei verdrängte. „Aber da wird kein Spieler dran denken“, meint Mutzel. „Wir sind in einer völlig anderen Situation.“

Sonntag muss der HSV nach Heidenheim

Sie wollen es erst gar nicht dazu kommen lassen, dass weitere Parallelen gezogen werden können. Und tatsächlich sind die Signale, die Thioune aussendet, vielversprechend. Der Trainer ist weit davon entfernt, Kritik von sich zu weisen, er ließ sie nach dem Bochum-Spiel zu. Das war bei seinen Vorgängern nicht immer so. Thioune vermittelt den Eindruck, auch aus eigenen Fehlern lernen zu wollen. Demut und harte Arbeit als Schlüssel zum Erfolg?

Ein guter Ansatz. Vielleicht dann doch mal weniger taktische Änderungen oder Einwechslungen. Nur das mit der Erwartungshaltung, das werden sie im Volkspark nicht ändern können. Die erste Pleite hin oder her, nach einem Viertel der Saison hat sich der HSV als Top-Favorit der Liga positioniert. Er hat alles selbst in der Hand, so scheint es. Oder wie Mutzel es sagt: „Unser Plan kann auch mal nicht aufgehen, das wird noch öfter passieren. Ich weiß aber, dass wir uns eine Idee einfallen lassen, wie wir Heidenheim packen.“

Geht sie auf, war Bochum nur eine Niederlage. Wenn nicht, wird weiter eifrig diskutiert. So ist Fußball, so ist der HSV.

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