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  • Jordan Beyer hat sich unter Dieter Hecking schnell im HSV-Team festgespielt.
  • Foto: Bongarts/Getty Images

Stimmungs-Killer Derby-Pleite: HSV-Aufstieg wäre Heckings Meisterleistung

Bonjour Tristesse! Rund sechs Monate lang ließ sich der HSV auf einer Welle tragen, die ihn trotz zwischenzeitlicher Gegenwinde geradewegs zurück in die Bundesliga zu spülen schien. Doch nach dem 0:2 gegen den FC St. Pauli treten erhebliche Zweifel auf. Trainer Dieter Hecking steht nun eine der wohl größten Aufgaben seiner Trainerkarriere bevor – zumindest die komplizierteste, seit er im Sommer beim HSV anheuerte.

Was denn nun wirklich schwerer ist, wird er wohl erst nach dieser Saison beurteilen können. Hecking hat vieles mitgemacht, er stellte die Profis des VfL Wolfsburg im Frühjahr 2016 auf Champions-League-Spiele gegen Real Madrid ein und gewann eines davon. Ein paar Monate zuvor hatte er seinen „Wölfen“ verdeutlicht, wie man Borussia Dortmund im Pokalfinale schlagen könne und stemmte kurz darauf den Pott in die Höhe. Aber kann Hecking auch einen Verein, der gerade in einem Orkan aus schlechten Gedanken zu versinken scheint, gegen alle Widerstände zurück in die Bundesliga führen?

HSV-Boss Hoffmann spricht schon von Relegation

HSV-Trainer Dieter Hecking

HSV-Trainer Dieter Hecking ist alarmiert. Eine Krise will der Coach aber noch nicht erkennen.

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WITTERS

Wenn der 55-Jährige seine Profis heute nach einem Tag Pause wieder in den Volkspark bittet, wird er wissen, was die Stunde geschlagen hat. Die Zielgerade naht. Auf Heckings HSV warten 82 Tage und elf Spiele bis zum Saisonende. „Vielleicht auch 13“, unkte HSV-Vorstandsboss Bernd Hoffmann am Sonntag bereits im NDR Sportclub und dachte an eine mögliche Relegation.

Direkter Aufstieg, Relegation oder totales Scheitern. Diese Möglichkeiten gibt es. Ein schmaler Grat also zwischen grenzenlosem Jubel und tiefster Frustration. Die MOPO nennt die wohl kniffligsten Baustellen und Stolpersteine, die in den entscheidenden Saisonwochen auf Hecking warten.

HSV: Die Stimmung droht zu kippen

Emotional gesehen war das 0:2 gegen St. Pauli der erste gewaltige Rückschlag dieser Spielzeit. Schon ist sie da, die Erinnerung an das Scheitern der Vorsaison. Damals war das 2:3 (nach 2:0-Führung) gegen Darmstadt ein ähnlich traumatisches Erlebnis, der HSV holte aus den folgenden sieben Partien keinen Sieg (bei nur drei Unentschieden) und verpasste den Aufstieg.

Sehr böse Geister, die sich da gerade im Volkspark breit machen. Hecking weiß das. „Diese Zweifel kann man nicht von der Mannschaft weghalten, sie werden ja transportiert“, sagt er. Umso wichtiger wird die Partie in Aue sein: Setzt der HSV gleich ein Zeichen, kann er die Derby-Pleite schnell verdauen. Weitere Punktverluste aber wären der nächste Rückschlag – und die bösen Geister noch allgegenwärtiger.

Narey Kinsombi Ewerton

Hecking muss es schaffen, die unzufriedenen Profis im Kader bei Laune zu halten – wie etwa Khaled Narey, David Kinsombi und Ewerton (v.l.).

Foto:

imago images/Jan Huebner

Hoher Frustfaktor bei HSV-Ersatzspielern

Die Unzufriedenheit im Kader wächst. Zahlreiche Profis, wie Ewerton, Jairo Samperio, Khaled Narey oder Christoph Moritz kamen nach der Winterpause wenig oder noch gar nicht zum Einsatz. Kapitän Aaron Hunt verlor seinen Stammplatz und schiebt ebenfalls Frust.

Allerdings könnte sich hier Heckings wohl größte Stärke auszahlen: Er besitzt eine natürliche Autorität und ist im Team sehr angesehen. Es gebe überhaupt keine Tendenzen, dass die Mannschaft dem Trainer entgleiten könne, heißt es aus der Kabine.

Hecking profitiert dabei auch von seinem gewachsenen Trainerteam mit seinem ewigen Vertrauensmann Dirk Bremser und Weltmeister-Bruder Tobias Schweinsteiger. Das war unter Vorgänger Hannes Wolf im Vorjahr anders. Wolf fand kein Rezept, den HSV aus der Krise zu führen und hatte mit André Kilian und Maik Goebbels eher unerfahrene Assistenten. Erst verlor die Mannschaft den Glauben an ihren Trainer, schließlich auch Wolf den an sich selbst.

Gut auch für Hecking: Klassische Stinkstiefel befinden sich nicht in seinem Kader.

Aufstieg ist für den HSV alternativlos

Hecking selbst änderte die Wortwahl nach dem Derby. „Unser Ziel ist der Aufstieg. Punkt!“, stellte er klar. Aussagen, die Stärke demonstrieren sollen, den Trainer aber auch selbst weiter unter Druck setzen. Grundsätzlich aber benannte Hecking nur das, was eh jeder weiß: Der Aufstieg ist für den HSV in dieser Serie alternativlos, ansonsten würde er in einem dann dritten Jahr als Zweitligaklub weiter schrumpfen.

Ein Beispiel: Wäre die Saison jetzt beendet, würden die Aufsteiger Stuttgart (47 Millionen) und Bielefeld (34) deutlich mehr TV-Geld erhalten, als der klassentiefere HSV (rund 25,6 Millionen), der auch im Unterhaus an Größe verlieren würde.

HSV-Fans

Während der Pleite gegen St. Pauli wanderten viele HSV-Fans vorzeitig ab.

Foto:

Oliver Ruhnke

HSV-Fans schieben bereits Frust

Der Frust der Anhänger ist nach zwei Derby-Pleiten gegen St.Pauli enorm. Aber: Zumindest auswärts, wenn die Treuesten der Treuen mitreisen, kann sich der HSV bedingungsloser Unterstützung gewiss sein. Auch in Aue, wo 1800 Hamburger im ausverkauften Gästeblock stehen werden.

Wie sich der Support bei den Heimspielen entwickelt, wird sich zeigen müssen. Zu erwarten ist, dass die Mannschaft unterstützt wird, der Geduldsfaden der Fans nach der Derby-Pleite aber kürzer geworden ist – und entsprechend früher auch mal Pfiffe zu vernehmen sein dürften.

HSV bedankt sich bei Fans für Unterstützung

Der HSV trat am Montag gewissermaßen in Vorleistung und richtete sich an seine Anhänger. „Uns ist bewusst, dass wir nach der Derby-Pleite nichts Richtiges sagen können. Ganz egal, welche Worte wir wählen“, ließ der Klub über die sozialen Netzwerke ausrichten. „Wir machen es aber trotzdem: Denn es ist uns wichtig, danke zu sagen für euren bedingungslosen Einsatz und Support.“

Ein gut gemeinter Tweet, der aber vor allem verdeutlichte, dass etwas zerbrochen ist beim HSV. Und nun? Hecking hat Madrid geschlagen und den Pokal gewonnen. Jetzt muss er den HSV aus einer Tristesse erlösen, die im Grunde genommen nicht neu ist – sondern schon viele Jahre anhält. Es wäre sein Meisterwerk.

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