Sie war die letzte Deutsche am Rothenbaum: Caroline Werners unglaubliche Geschichte
Wer Caroline Werner eine Viertelstunde nach ihrem Match ins Gesicht schaute, der konnte nur zu einem Schluss kommen: Da war jemand glücklich, richtig glücklich. Die 29-Jährige war zwar bei den MSC Hamburg Ladies Open am Donnerstagabend als letzte Deutsche im Achtelfinale ausgeschieden und beim 2:6. 2:6 gegen die russische Turnierfavoritin Ekaterina Alexandrova auch weitgehend chancenlos gewesen. Zurückblicken aber konnte sie im Gespräch mit der MOPO auf die Tennis-Woche ihres Lebens.
Nur ausgewiesene Experten dürften ihren Namen vor dem Rothenbaum-Turnier schon gehört haben. Caroline Werner hatte nie zuvor bei einem WTA-Turnier aufgeschlagen, noch nie gegen eine Top-50-Spielerin gespielt. In der Weltrangliste wird die gebürtige Karlsruherin auf Platz 303 geführt. Als Qualifikantin schaffte sie es ohne Satzverlust bis ins Achtelfinale. Am Donnerstag war sie überhaupt der einzige deutsche Tennis-Profi, der auf der ATP- oder WTA-Tour noch dabei war. Keine schlechte Premiere. Mit 29 Jahren.
Werner feiert „bestes Ergebnis meiner Karriere“
„Es hat wirklich Spaß gemacht, es war eine tolle Woche für mich“, freute sich Werner. „Das war das beste Ergebnis meiner Karriere.“ Alexandrova, die mit einem Triumph in Hamburg von Platz 16 auf 12 in der Weltrangliste springen könnte, war die mit Abstand hochkarätigste Gegnerin ihrer Karriere. Nervös aber sei sie nur vor dem Match gewesen, versicherte Werner: „Sobald ich auf dem Platz bin, ist die Nervosität weg.“

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Trotz des klaren Ergebnisses hatte Werner ihre Momente im Spiel, konnte die haushohe Favoritin bisweilen ärgern. Der Lohn: 3624 Euro und ein Sprung um mindestens 30 Plätze in der Weltrangliste. Werner wird im WTA-Ranking ab Montag so gut dastehen wie nie zuvor – und mit ziemlicher Sicherheit weiter klettern. Wie weit es gehen kann? „Ich will in die Top 200 und dann in die Top 180, 150 und langfristig in die Top 100 oder in die Top 50, mal schauen“, sagt sie. Bei den Grand-Slam-Turnieren zu starten, das sei der nächste Traum.
Atemprobleme stoppten Caroline Werners erste Karriere
Diesen vor Augen zu haben, ist eigentlich unglaublich, wenn man die Geschichte von Caroline Werner kennt, die mit einem anderen Namen zur Welt gekommen ist (aber dazu später). Im November 2019 war die Karriere von Werner nämlich eigentlich vorbei. „Ich hatte immer Probleme mit dem Atmen“, blickt sie zurück. Die Weltrangliste führte sie damals auf Platz 460. „So hat es keinen Spaß mehr gemacht, zu spielen. Ich habe mir dann gesagt, dass ich eine Pause machen und zu Ärzten gehen muss, um das abzuklären. Aber niemand konnte mir helfen.“
Im März 2020 versuchte es Werner noch mal, spielte drei Turniere. Dann der Cut. „Es kam noch dazu, dass meine Mama damals schwer erkrankte, an Krebs.“ Das breite und ansteckende Lächeln, es weicht in diesem Moment aus dem Gesicht von Caroline Werner. „Das war eine Situation, in der ich wusste, du kannst jetzt nicht weiter um die Welt reisen.“
Fast vier Jahre fasste Werner keinen Tennis-Schläger an
Fast vier Jahre habe sie keinen Tennis-Schläger angefasst. Kein Turnier. Kein Training. Nichts. Tennis war vorbei. Werner fing ein Sportmanagement-Studium an, schloss es erfolgreich ab.
Und dann? „Dann war ich Ende 2023 Bergsteigen. Da habe ich gemerkt, das geht wieder, ich kriege Luft, das ist ganz anders.“ Ein Erweckungserlebnis. „Viele Freunde haben mir gesagt: ,Komm, probier es doch noch mal, komm zurück! Sonst wirst du es bereuen.’“
Werner: „Ich bin jetzt eine andere Spielerin als früher“
Caroline Werner hört auf ihre Freunde, nimmt den Schläger wieder in die Hand, meldet sich für ein kleines Turnier in Valencia an. Mit null Weltranglistenpunkten. Ihr erstes Match gewinnt sie 6:0, 6:1, das zweite 6:0, 6:1, das dritte 6:1, 6:0, das vierte 6:3, 6:2. Sie spielt und spielt und spielt. 107 Matches bestreitet sie vor ihrem Start in Hamburg, 72 davon gewinnt sie. „Ich bin jetzt eine andere Spielerin als früher“, sagt sie. Die Luft ist da. Die Lust ist da. Es ist ein Tennis-Märchen. „Dass ich so zurückkomme, das hätte niemand gedacht.“
Eine genaue Erklärung für die Atemprobleme habe sie nie erhalten. „Am Ende hieß es, dass mein Lungenvolumen viel zu gering war.“ Inzwischen habe Werner ihre Ernährung umgestellt, auch ein Physiotherapeut habe ihr sehr geholfen, indem er mit ihr an der Atemtechnik arbeitete. „Dann hat es sich regelmäßig Stück für Stück verbessert, bis ich dann gemerkt habe, okay, jetzt ist es fast weg.“
Fußprobleme hätten Hamburg-Start fast gestoppt
Auf ihrem Weg zurück bekam Werner nichts geschenkt. Der Deutsche Tennis Bund (DTB) hatte sie gar nicht auf dem Schirm. „Ich habe leider nie eine Wildcard bekommen“, sagt die Badenerin, die inzwischen in Barcelona lebt und trainiert. „Das heißt aber auch, dass ich sehr stolz auf meinen Weg bin, weil ich den Weg allein gegangen bin. Das gibt mir Mut, Kraft und Selbstvertrauen.“

In Hamburg wäre sie fast gar nicht angetreten. Wegen Schmerzen im linken Fuß stand Werners Teilnahme auf der Kippe. Deswegen kam sie auch ganz allein in die Hansestadt – und um Kosten zu sparen. „Ich bezahle alles selbst, deswegen haben mein Trainer und ich gesagt, dass er erst im Viertel- oder Halbfinale kommt“, sagt sie und lacht herzlich.
Caroline Werner hat eigentlich einen anderen Nachnamen
In Prag und auf Gran Canaria soll sie weitergehen, die Jagd nach Weltranglistenpunkten. Je besser das Ranking, desto größer die Turniere. „Aber erst mal schauen wir, ob der Fuß hält oder ob es besser ist, wenn ich jetzt mal eine Pause mache“, sagt Caroline Werner, von der bei Wikipedia zu lesen ist, dass sie als Caroline Übelhör geboren wurde.
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Der Namenswechsel, er kam aber nicht durch eine Hochzeit zustande. „Nee, nee“, winkt sie ab. „Den Namen habe ich schon viel früher geändert, weil er im Englischen ganz schwierig zu schreiben ist: mit Ue und oe.“ Auf den Turnieren habe kaum jemand ihren Nachnamen aussprechen können. „Deswegen haben wir gesagt: ,Komm, wir ändern den und nehmen den Nachnamen meiner Mutter.’“ Es ist ein Name, den man sich merken sollte. In Hamburg und in der Tennis-Welt.
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