Nach Alkoholfahrt: Geläuterter Handball-Star „brennt” auf DHB-Comeback
Erst stoppte ihn Corona, dann sorgte er mit einer Alkoholfahrt für Schlagzeilen: Bei der Heim-EM kehrt Timo Kastening zurück. Der Rechtsaußen ist geläutert – und hat jede Menge Lust.
Sein Comeback auf der großen Handball-Bühne kann Timo Kastening kaum erwarten. „Ich brenne”, sprudelt es aus dem Energie-Bündel heraus. Nach schwierigen Jahren mit schmerzhaften Rückschlägen fiebert Kastening der Heim-EM, seinem „gefühlt” ersten Turnier seit knapp drei Jahren, wie kaum ein Zweiter entgegen. „Ich habe richtig, richtig Lust”, betont er.
Kastenings Nationalmannschaftskarriere geprägt von Zwischenfällen
Kastenings Geschichte in der Nationalmannschaft liefert trotz seiner vergleichsweise kurzen DHB-Karriere ausreichend Stoff für eine eigene Biografie. Unvergessen bleibt der Fauxpas von Ex-Bundestrainer Christian Prokop, der den Rechtsaußen bei dessen Turnier-Debüt 2020 in einer Teambesprechung vor laufenden Kameras und einem Millionenpublikum nach dessen Namen fragte („Wie heißt du?“). Und auch der Coronafall bei der EM vor zwei Jahren, als Kastening anstatt zu spielen weite Teile des Turniers mit Hals- und Kopfschmerzen in Isolation auf dem Hotelzimmer hockte, sorgte für Aufsehen.
Handball: Kastening mit Alkohol am Steuer erwischt
In die Schlagzeilen vor allem des Boulevards gelangte Kastening schließlich mit einer Alkoholfahrt, nach deren Ende er seinen Führerschein verlor. „Ein schlimmer Fehler”, sagt Kastening heute und erinnert sich an die schweren Tage und Wochen danach: „Viele Kinder und Fans haben mir das nicht zugetraut, weil ich sonst der Lebensfrohe mit Vorbildcharakter war. Das hat, um ehrlich zu sein, noch einmal reingehauen. Wenn du etwas tust, das Menschen nicht von dir erwarten, macht das etwas mit dir. Mein Verhalten zu hinterfragen, hat mir in dieser Angelegenheit wirklich die Augen geöffnet.”
Mit der dunklen Seite seiner Vergangenheit geht Kastening bewusst offen um. Er ist geläutert, der Handballer des Jahres 2019 will wieder Vorbild sein. „Als mir diese Alkoholfahrt passiert ist, habe ich sofort meine Mutter angerufen. Sie sagte: ‘Du hast einen Fehler gemacht, sieh’ zu, dass es nicht noch einmal passiert. Ein Fehler ist okay, wer zwei- oder dreimal denselben Fehler macht, ist nicht ganz knusper im Kopf. Du hast die Chance, dich zu ändern, daraus zu lernen’“, erzählt Kastening und fragt: „Warum soll man damit nicht transparent umgehen?”
Inzwischen liegt Kastenings Fokus wieder voll auf dem Sport. Die im vergangenen Jahr nach einem Kreuzbandriss verpasste WM ist abgehakt, in den kommenden Wochen will der Linkshänder mit seiner Spezialität, den blitzschnellen Tempogegenstößen, wieder als „Speedy Gonzales” für Furore sorgen.
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Kastenings Rolle im Team hat sich im Laufe der Zeit verändert, mit seinen 28 Jahren gehört der kleinste Spieler (1,80 m) im deutschen EM-Aufgebot inzwischen zu den erfahreneren Akteuren. „Das heißt nicht, dass ich die Richtung vorgebe, sondern in gewissen Stresssituationen zeigen möchte: Wir bleiben bei unserem Plan, es ist alles okay, wir machen es weiter so”, sagt Kastening und formuliert einen hohen Anspruch an sich selbst: „Was das Verhalten auf und neben dem Platz, was Respekt, was Leidenschaft, was Wille angeht, möchte ich ein Vorbild sein.” (ms/sid)