„Kretzsche“ im Interview: Wir brauchen die „Andi-Wolff-Mentalität“ gegen Dänemark
Aus dem dänischen Starensemble ragt ein Mann noch heraus: Rückraum-Wirbelwind Mathias Gidsel (24). Mit 42 Toren in sechs Spielen ist er bester Schütze beim Weltmeister, viertbester im Turnier – und hat eine irre Trefferquote. Für viele ist der Linkshänder der derzeit beste Spieler der Welt. Was zeichnet Gidsel aus? Und wie kann man ihn stoppen? Vor dem Halbfinal-Kracher gegen Deutschland fragt die MOPO Handball-Legende Stefan Kretzschmar (50), der ihn als Sportvorstand der Füchse Berlin in die Bundesliga lockte und bestens kennt.
Was macht Gidsel als Spieler so stark und besonders?
Kretzschmar: Er ist der Prototyp des modernen Handballers. Schnell, dynamisch, beweglich, überragend im Eins-gegen-eins und ein herausragender Entscheider, der das Spiel absolut verstanden hat. Er macht kaum Fehler. Was Mathias von vielen anderen Weltklassespielern unterscheidet: Er macht seine Nebenleute besser. Er ist ein unfassbarer Spieler und Typ.
Kretzschmar: Gidsel will auch an trainingsfreien Tagen in die Halle
Unfassbar ist seine Trefferquote bei dieser EM: 84 Prozent …
Wahnsinn. Das ist außergewöhnlich. Eine der besten Quoten, die ich je bei einem Rückraumspieler gesehen habe. Aber Mathias ist auch ein Spieler, wie ich ihn in 35 Jahren Handball nicht erlebt habe. Seine Einstellung – phänomenal.
Wie äußert sich das?
Ein Beispiel: Er hat mich mal gefragt, ob er einen Schlüssel für unseren Kraftraum bei den Füchsen bekommen kann. Damit er auch außerhalb der Trainingszeiten oder an freien Tagen da trainieren kann. Der ackert da jeden Tag vor und nach dem Training. Der will jeden Tag besser werden. Der liebt und lebt Handball, hat einen wahnsinnigen Spaß am Sport. Der Junge hat einen großartigen Charakter, das Herz am rechten Fleck und ist ein durch und durch positiver Mensch. Ich muss gestehen: Von seinem Optimismus habe ich mir noch eine Scheibe abschneiden können.
„Von zehn Spielen gegen Dänemark können wir eins gewinnen – warum nicht dieses?“
Wie optimistisch sind Sie, dass die deutsche Mannschaft Gidsel in Schach halten kann? Was muss man tun, um ihn zu stoppen?
Ganz ausschalten kann man Gidsel nicht. Unmöglich. Aber seine Kreise einschränken. Dafür muss man ihn doppeln, die Abwehr auf seiner Seite verdichten, aggressiv decken. Das wird woanders Lücken reißen, aber einen Tod muss man halt sterben. Ich würde lieber andere Spieler werfen lassen als Gidsel.
Hat die deutsche Mannschaft wirklich eine Chance?
Eine Chance gibt es immer. Auf deutschem Boden, mit dem Publikum im Rücken, halte ich das Wunder gegen die vermeintlich beste Mannschaft auf diesem Planeten für möglich. Dafür muss natürlich alles passen. Die deutsche Mannschaft muss mit der Andi-Wolff-Mentalität reingehen. Realistisch betrachtet: Von zehn Spielen gegen Dänemark können wir eins gewinnen – warum nicht dieses?