Geschlechtstest zur WM-Teilnahme gefordert: Boxerin Khelif wehrt sich
Die erste WM wird für den neuen Weltverband World Boxing zur Feuertaufe. Doch der prominenteste Name fehlt – und wehrt sich vor dem CAS.
Wirklich genießen konnte Imane Khelif den ersten Jahrestag ihres Olympiasieges im August nicht. Sie durchlebe „eine schwierige Phase voller Herausforderungen, Stille und Warten“, schrieb die algerische Boxerin vor wenigen Wochen in den Sozialen Netzwerken – und den nächsten Rückschlag in ihrem schier endlosen Kampf für Gerechtigkeit kannte sie da noch nicht.
Die 26-Jährige hatte die Einführung von genetischen Geschlechtstests durch den neuen Amateur-Weltverband World Boxing vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS angefochten – aber durch das Schiedsgericht mit Sitz in Lausanne einen Wirkungstreffer kassiert. Denn bei den am Donnerstag in Liverpool beginnenden Weltmeisterschaften darf sie nicht starten, einen bereits am 5. August gestellten Antrag auf Aussetzung des geforderten Geschlechtstests bis zur Verhandlung des Falls lehnte der CAS ab.
Von der IBA suspendiert, bei Olympia am Start
Es ist der nächste Schlag ins Gesicht für Khelif. Bei der WM 2023 war die Algerierin von der mittlerweile suspendierten IBA vor ihrem Goldmedaillenkampf disqualifiziert worden, weil sie angeblich einen Testosteron-Test nicht bestanden hatte. 2024 durfte sie bei Olympia in Paris starten, weil für das Internationale Olympische Komitee (IOC) nur das im Pass angegebene Geschlecht relevant war. Khelif wurde daraufhin zum Zentrum einer hitzigen Debatte um Geschlechtsidentität.
Für die Wettkämpfe im Nordwesten Englands (4. bis 14. September) will sie sich dem geforderten Geschlechtstest nicht unterziehen – im Gegensatz zu der in Paris ebenfalls angefeindeten Lin Yuting, die dem Test zwar zustimmte, aber nun trotzdem nicht zur WM fahren wird. Vor allem durch Khelif rückt die Debatte wieder in den Vordergrund.
Und das dürfte World Boxing gar nicht schmecken. Der Weltverband hatte mit der historischen ersten gemeinsamen Ausrichtung für Männer und Frauen eigentlich ein wichtiges Zeichen gesetzt, das nun verblasst. Dennoch: Es habe „ganz großen Beifall“ vom IOC für die Entscheidung gegeben, „dass dieses Genderthema dann auch wirklich gelebt wird und man da keine Unterschiede mehr macht, was die Durchführung angeht“, sagte DBV-Sportdirektor Michael Müller, der im Exekutivkomitee von World Boxing sitzt, im SID-Gespräch.
Erstes großes Event für World Boeing
World Boxing war nach den Skandalen um den lange zuständigen Verband IBA im Februar 2025 vom IOC vorläufig als neuer Weltverband anerkannt worden. Bei den Sommerspielen 2028 in Los Angeles wird World Boxing die Wettbewerbe verantworten. Der Zulauf ist riesig, rund 120 Nationalverbände haben sich World Boxing bereits angeschlossen. Der DBV ist, angetrieben von Müller, Gründungsmitglied. Nun kommt es zur Bewährungsprobe.
„Es ist das erste große Event, wo natürlich hingeschaut wird, ob das alles klappt“, sagte Müller, der trotzdem eine „gewaltige Vorfreude“ verspürt und „guter Dinge“ ist. Bis zu den Olympischen Spielen 2028 ist noch viel Zeit – für den jungen Verband aber auch noch viel zu tun. Das IOC habe World Boxing „eine To-do-Liste mit rund 50 Punkten“ mitgegeben, berichtete Müller.
Für zusätzlichen Diskussionsstoff könnte jetzt auch Lin sorgen – weil ihr Verband, wie die taiwanesische Central News Agency berichtet, trotz des eingereichten Geschlechtsnachweis noch keine Antwort von World Boxing erhalten hat. Es könne der Athletin nicht erlaubt werden, „ohne jegliche Garantie nach Großbritannien zu reisen“.
Die WM wird in zehn Gewichtsklassen ausgetragen. Der DBV hat drei Frauen und sechs Männer nominiert, Aushängeschild und Paris-Bronzemedaillengewinner Nelvie Tiafack fehlt nach seinem Wechsel ins Profilager. Die deutschen Erwartungen sind aufgrund einer durchwachsenen Vorbereitung gedämpft. Aber: „Vielleicht gibt es ja die ein oder andere Überraschung“, sagte Müller.

Auf diese hofft auch Khelif vor dem CAS. Ihr Kampfgeist ist ungebrochen. „Danke an jeden, der an mich glaubt“, schrieb sie im August: „Und danke an mich selbst, dass ich niemals aufgebe.“ (sid/sd)
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