Alfred Gislason kaut auf seinen Fingernägeln.
  • Bundestrainer Alfred Gislason hatte am verlorenen Spiel um Platz drei zu knabbern.
  • Foto: WITTERS

DHB-Auswahl nur Vierter: Fragen zu Gislasons Zukunft als Bundestrainer

Wieder nichts. Nur Blech. Leere Hände, Frust ohne Ende. Vierter. Der undankbarste aller Plätze. Deutschlands Handballer haben ein glänzendes Happy End bei der Heim-EM verpasst. Im Spiel um Platz drei unterlag das DHB-Team Schweden nach einem Fehler-Festival mit 31:34 (12:18), warf die Chance auf das Edelmetall und das Olympia-Ticket weg. Sie hatten Bronze auch nicht verdient. Zu spät wachte die Mannschaft auf. Das wird sehr lange schmerzen. Und es stellen sich Fragen nach der Zukunft von Bundestrainer Alfred Gislason.

Als die Schlusssirene ertönte in der Kölner Arena, wich alle Anspannung und Anstrengung aus den Gesichtern der deutschen Spieler, war da nur noch Leere. Totale Erschöpfung, Enttäuschung.

Der aufmunternde Applaus der rund 20.000 Fans, der letzte nach fast drei Wochen Heim-EM, konnte den Schmerz nicht lindern. Auch die individuellen Ehrungen – Andreas Wolff und Juri Knorr wurden ins All-Star-Team gewählt –  waren kein Trost.

Deutscher Handballer nach Niederlage geknickt

„Es tut wahnsinnig weh“, sagte Rückraum-Kanonier Sebastian Heymann und starrte den grauen Betonboden an. Philipp Weber sprach von einem „beschissenen Gefühl“ und Kapitän Johannes Golla meinte: „Es fühlt sich schlecht an, weil wir uns selbst eine große Chance genommen haben.“ Die Chance auf die erste Medaille seit EM-Gold und Olympia-Bronze 2016.

Platz vier – wie bei der WM 2019. Auch der Heimvorteil zahlte sich nicht aus. Stattdessen geht die DHB-Auswahl mit drei Niederlagen in Serie aus dem Turnier raus.

Die ersehnte Medaille hatte die Mannschaft schon in der ersten Halbzeit weggeschmissen. Mit zum Teil „blöden Würfen“, wie Bundestrainer Alfred Gislason kritisierte, und durch eine Vielzahl technischer Fehler, manche haarsträubend. Die Köpfe waren nicht da.

Schlechte Chancenverwertung auch gegen Schweden

Die schlechte Chancenverwertung zog sich wie ein roter Faden durch das Turnier. Mit der Trefferquote von 58,3 Prozent liegt Deutschland nur auf Rang 15 von 24 EM-Teilnehmern. Im Bronze-Spiel waren es miese 53 Prozent. Das lag natürlich auch daran, dass Schweden-Keeper Andreas Palicka (19 Paraden) überragend hielt, aber die deutschen Schützen eben auch oft schlecht warfen.„Es ist extrem bitter, aber auch nicht zum ersten Mal in diesem Turnier passiert“, bemängelte Golla.

Wieder einmal zeigte das DHB-Team Moral, kämpfte sich nach 14:21-Rückstand (36.) zurück ins Spiel und sogar auf ein Tor heran (29:30/54.), doch der Europameister von 2022 brachte es mit Klasse und Routine über die Runden. Die Schweden wackelten nicht.

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Das Ziel Halbfinale wurde erreicht, aber von der Leistungsstärke der drei Medaillengewinner ist das deutsche Team ein gutes Stück entfernt. Gegen alle drei gab es Niederlagen, jeweils mit drei Toren. Auch der Heimvorteil reichte nicht, um einen Großen zu schlagen. Dennoch befand Gislason: „Wir sind in dem einen Jahr deutlich nähergerückt. Ich bin unglaublich stolz auf die Jungs.“

Auf dem Papier ist EM-Platz vier eine Steigerung zu WM-Platz fünf 2023. Aber auf dem Papier steht auch: Deutschland hat bei dieser EM vier Spiele gewonnen, vier verloren und einmal Remis gespielt. Ausgeglichen. Man könnte auch sagen: durchschnittlich.

Golla und Gislason sehen Fortschritt bei DHB-Auswahl

Fortschritt? „Es war ein Schritt nach vorne, ja“, sagte Golla. Die Mannschaft hat Zehntausende in den Arenen und Millionen am TV begeistert, aber sie hat nicht voll überzeugt. „Wir müssen ganz klar an unserer Konstanz arbeiten.“

Die Frage, in welchem Maße sich die Mannschaft seit der WM 2023 weiterentwickelt hat und ob das zufriedenstellend ist, muss der Verband jetzt intern analysieren. Das gilt auch für die Arbeit von Gislason, der seit März 2020 im Amt ist.

Gislason will bis zur Heim-WM 2027 weitermachen

Der Vertrag des populären Isländers läuft bis nach den Olympischen Spielen in diesem Sommer – aber Deutschland muss sich erst für Paris qualifizieren. Im März geht es in einem Turnier gegen Kroatien, Österreich und Algerien um das Ticket. „Das hätten wir gerne vermieden“, gibt Gislason zu.

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Was seine Zukunft als Bundestrainer angeht, gibt sich der 64-Jährige entspannt. „Ich bin da sehr, sehr locker.“ Er will weitermachen, die Mannschaft auch in die Heim-WM 2027 führen. Im Verband scheint es derzeit keine Opposition zu diesem Plan zu geben. Verpasst Deutschland Olympia, ist eine Vertragsverlängerung fraglich. Dann liefe der aktuelle Kontrakt vorzeitig aus. Viele Fragezeichen.

Antworten lieferte am Abend Rekord-Weltmeister Frankreich, das Dänemark in einem hochklassigen Finale mit 33:11 nach Verlängerung bezwang und sich zum vierten Mal Europas Handball-Krone aufsetzte.

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