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  • Ex-Profi Claus Costa (spielte für Düsseldorf und Osnabrück) ist seit Sommer 2019 Leiter Scouting beim HSV.
  • Foto: WITTERS

Scouting-Chef im Interview: „Viele Spieler brennen darauf, beim HSV zu spielen!“

Wenn man so will, dann ist er der Ursprung eines jeden HSV-Transfers. Als Leiter der Scouting-Abteilung arbeitet Claus Costa nicht nur Sportdirektor Michael Mutzel zu sondern knüpft in der Regel auch die ersten Kontakte zu Spielern und Beratern. Wer sind die Kandidaten? Ist ein Transfer machbar oder nicht? Für Costa, früher selbst als Profi für Düsseldorf und Osnabrück aktiv, ist dieser Corona-Sommer eine große Herausforderung, wie er im MOPO-Interview verrät.

MOPO: Herr Costa, leicht ketzerisch könnte man die Frage stellen, warum Sie zurzeit nicht in den Urlaub fahren. Auf dem Transfermarkt bewegt sich ja eh noch recht wenig. Claus Costa (36): Das mag den Anschein haben. Aber es geht ja auch darum, sich darauf vorzubereiten, dass sich etwas bewegt und Dinge umzusetzen. Das haben wir mit der Verpflichtung von Klaus Gjasula ja auch schon gezeigt.

Costa, Boldt und Mutzel

Die Drei am Schalthebel: Sportvorstand Jonas Boldt (Mitte), Sportdirektor Michael Mutzel (r.) und Scouting-Chef Claus Costa sind beim HSV für Transfers zuständig.

Foto:

WITTERS

Grundsätzlich gestaltet sich dieser Transfer-Sommer aufgrund der Corona-Krise und der Folgen ganz anders. Was ist die für Sie größte Veränderung?

Sicher der Fakt, dass sich die Aktivitäten fast ausschließlich auf das Video-Scouting verschoben haben. Bis Februar waren wir permanent in den Stadien. Ab März steigt man dann in die finale Sichtung ein, die im April und Mai ihre absolute Tiefe findet. Das ist aber in einigen Ligen, die abgebrochen wurden, komplett weggefallen. Wenn man etwa in Belgien Spieler beobachtet hat, dann kommt das letzte Video-Bild, das du verwenden kannst, aus dem Februar. Das war’s.

In anderen Ländern wiederum wird immer noch gespielt …

…was zur Folge hat, dass viele Spieler noch gar nicht wissen, wie es mit ihren Klubs weitergeht und ob sie überhaupt wechseln dürfen. Für uns bedeutet das: Wir müssen gut vorbereitet sein, Dinge antizipieren und Geduld haben.

In früheren Zeiten wurde Video-Scouting häufig abgetan. Der Tenor war: Wer zu bequem ist, zu reisen, der schaut halt Videos.

Zu sagen, man hält nichts vom Video-Scouting, ist eine komplett überholte und nicht mehr zeitgemäße Aussage. Die Masse an Videos ist im Vergleich zur Möglichkeit des Live-Scoutings deutlich größer. Aber natürlich ist der Live-Eindruck das Salz in der Suppe und ausschlaggebend für den finalen Eindruck. Dafür gibt es auch keinen Ersatz.

Könnte dieser Sommer dann insbesondere für Talente zum Problem werden? Von denen gibt es deutlich weniger Videos als von gestandenen Spielern.

Für Talente ist dieser Sommer in der Tat schwieriger. Von älteren Spielern kannst du dir auch noch Videos aus der Hinrunde angucken. Bei Jugendspielern ist das kaum möglich, weil die Bilder kaum oder gar nicht vorhanden sind.

Wie wichtig ist es, Kandidaten bei Trainingseinheiten zu sichten?

Das muss nicht entscheidend sein. Zumeist rundet sich das Bild eines Spielers ab, wenn man mit ihm am Tisch sitzt, spricht und ihm dabei eine halbe Stunde in die Augen guckt.

Sie haben zuvor in Leverkusen gearbeitet. Auf welche Entdeckungen sind Sie besonders stolz?

Von solchen Aussagen und Eitelkeiten halte ich nichts – weil das Meiste in der Regel auf Teamarbeit basiert. Und es geht nicht darum, hinterher zu erzählen, wer wen entdeckt hat. Mir ist übrigens auf der Tribüne auch noch nie jemand begegnet, der erzählt hat: Übrigens, der Flop da, der zwölf Millionen gekostet hat, das war mein Fehler, den habe ich geholt.

In Leverkusen hatten Sie ganz andere finanzielle Möglichkeiten als jetzt beim HSV. Ist das mitunter in Verhandlungen etwas frustrierend?

Natürlich spielt der finanzielle Hintergrund eine Rolle. Und dennoch: Als Bayer Leverkusen hast du auch eine andere Konkurrenz, denn Leverkusen hätte in der Regel gern den Spieler, der dann aber eher zum FC Bayern geht. Und wir als HSV hätten vielleicht gern Spieler, für die sich auch Vereine aus dem unteren Drittel der Bundesliga interessieren. Die Vereine haben zurzeit aber andere Argumente. Man hat immer Mitkonkurrenten und duelliert sich auf Augenhöhe. In Leverkusen bietest du für Spieler, die 10 bis 15 Millionen kosten, hier geht es zurzeit eher um ablösefreie Spieler. Es ist die gleiche Arbeit, nur auf einem anderen finanziellen Niveau. Ich nehme das eher als Herausforderung.

Dazu kommt, dass Sie lange nicht wussten, in welcher Liga der HSV spielen würden und unter welchem Trainer.

Richtig. Finanzen, Liga, Trainer – das waren drei Variablen, die diesen Sommer sehr anspruchsvoll machen. Wobei ich der Meinung bin, dass es der falsche Ansatz ist, wenn du die Namen neuer Spieler zu abhängig von den Wünschen eines Trainers machst. Dass ein Trainer Forderungen stellt und diese immer total erfüllt werden, ist der falsche Ansatz. Wichtiger ist es, einen Trainer zu haben, der zum Verein passt. Zur Philosophie und der Idee, wie man Fußball spielen will.

Beim HSV soll dieser Trainer nun Daniel Thioune sein. Hatte er keine Wünsche?

Wir haben gemeinsam diskutiert und uns Fragen gestellt: Was hat uns als HSV in der Vorsaison gefehlt? Was brauchen wir? Auch das war eine Teamarbeit.

Dabei kam heraus, dass es der Mannschaft an Erfahrung und Führungsspielern mangelte.

Die Mischung ist wichtig. Wir haben eine ganze Reihe richtig talentierter Jungs. Onana, Opoku, Amaechi, Suhonen. David oder Vagnoman. Die entwickeln sich aber nicht, wenn nur sie alle unter sich zusammen spielen. Du brauchst ein Gerüst, eine Achse.

Wie überzeugt man momentan Spieler davon, zum HSV zu kommen? Schließlich gehen Sie ins nun schon dritte Zweitligajahr.

Die externe Wahrnehmung des Vereins ist trotzdem weiter stark. Ich habe mit vielen Spielern gesprochen, die richtig für diese Aufgabe brennen. Dass der HSV unattraktiv ist, konnte ich nicht feststellen.

Erst am 5. Oktober endet die Transferperiode. Empfinden Sie das als Fluch oder Segen?

Es ist schwer abzuschätzen, was am Ende überwiegen wird. Theoretisch hätte jeder Trainer gern am ersten Tag der Vorbereitung seinen kompletten Kader zur Verfügung. Das ist in diesem Sommer aber erst recht nicht möglich, weil noch kein Geld im Markt ist. Die großen Transfers, die noch kommen, sorgen auch immer für viele Folgetransfers. Auf der anderen Seite könnte dieser Sommer auch ein Segen sein. Weil man viel später noch die Möglichkeit hat zu reagieren und an Stellschrauben zu drehen.

Klingt nach stressigen Monaten. Zumal die Planungen danach ja zügig von neuem beginnen. Verraten Sie uns eines: Gibt es in Ihrer Position überhaupt den passenden Zeitpunkt, mal Urlaub zu machen?

Den gibt es! Zwischen Weihnachten und Silvester ist eine Phase, da wollen Spieler, Vereinsvertreter und sogar Berater alle mal für sich sein. Da ist wirklich Ruhe. Da bleibt mein Handy dann sogar mal im Hotel liegen.

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