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Jette Fleschütz
  • Jette Fleschütz ist das Küken der Hockey-Damennationalmannschaft.
  • Foto: WITTERS

Olympia-Verschiebung: Segen für Hamburgs Hockey-Frauen

Die eine: Olympia-Debütantin, gerade erst A-Nationalspielerin geworden und Jüngste im Team der deutschen Hockey-Frauen, das Küken. Die andere: mehr als 150 Länderspiele, zum dritten Mal bei Olympia, Bronze-Gewinnerin 2016 in Rio, eine der beiden ältesten Spielerinnen in der DHB-Auswahl, zweifache Mutter. Jette Fleschütz (18) und Lisa Altenburg (32). Zwei Generationen – ein Ziel.

Es klingt verrückt, fast schon schlimm, aber es ist nun einmal wahr: Ohne die Pandemie wären die beiden Hamburgerinnen jetzt nicht gemeinsam in Tokio beim olympischen Turnier, in das die deutschen Frauen am Sonntag mit einem hart erkämpften 2:1 gegen Rio-Olympiasieger Großbritannien gestartet sind. Beide haben von der Verschiebung der Spiele von 2020 auf 2021 profitiert. Ein Fluch als Segen.

„Ohne Corona wäre ich gar nicht dabei“, bringt es Fleschütz im Gespräch mit der MOPO auf den Punkt. „Vor einem Jahr hatte ich mit Olympia gar nix am Hut. Da hätte ich mir die Hockey-Spiele als Fan im Fernsehen angeschaut.“ Im Sommer 2020, 17 Jahre jung, war sie noch nicht reif für eine Olympia-Nominierung, die auch in diesem Jahr eine Überraschung war, wenn man bedenkt, dass die Nachwuchs-Hoffnung vom Großflottbeker THGC erst im März ihr Debüt im A-Nationalteam gegeben hat. „Das ging alles sauschnell.“

Hockey: Fluch der Olympia-Absage wurde zum Segen

Auch Altenburg, die nach dem Schock der Absage zunächst das Karriereende erwogen hatte, hat von der Verschiebung profitiert, wie sie rückblickend sagt. „Im Grunde wurde mir ein zusätzliches Jahr geschenkt, um nach der zweiten Geburt körperlich noch mal voll aufzutrainieren und in Topform zu kommen“, sagt die Stürmerin, die mit dem ehemaligen Herren-Bundestrainer Valentin Altenburg verheiratet ist und zwei Kinder hat. Tochter Sophie ist acht Jahre alt, Sohn Noah kam im Juni 2019 zur Welt.

Nach zwei Schwangerschaften ein Comeback im Leistungssport zu schaffen, wieder höchstes Niveau zu erreichen und erneut nach einer Geburt bei Olympia dabei zu sein – das ist eine Wahnsinns-Leistung. „Es ist nicht einfach, Familie und Leistungssport unter einen Hut zu bekommen. Das ist Orga hoch zehn“, erzählt Altenburg und gesteht offen: „Es gibt auch Tage, da denke ich ‚Boah, ich kann nicht mehr!‘“

Olympia: Jette Fleschütz ist die Jüngste der Hockey-Frauen

Warum also nimmt sie das auf sich und hat noch ein Jahr drangehängt?

„Ich liebe Hockey!“, antwortet die Angreiferin vom Club an der Alster fröhlich. Die Familie stehe natürlich über allem, „aber auch der Sport gibt mir ganz viel. Zeit mit den Mädels, Zeit für mich. Hockey ist meine Me-Time, so nenne ich das. Es gibt mir Kraft und tut mir gut. Davon profitiert auch wieder die Familie.“

Um einfach nur noch mal bei Olympia dabei zu sein, dafür würde die 1,55 Meter große Powerfrau die Mehrfach-Belastung nicht auf sich nehmen. „Wir wollen eine Medaille“, formuliert sie das Ziel der „Danas“, wie sich die Hockey-Frauen nennen, Kurzform von Damennationalmannschaft. Ganz persönlich will Altenburg nach Platz drei in Rio sogar nach den Sternen greifen.

„Bronze ist schön, aber der Reiz für mich ist, Gold zu holen“, bekennt sie offen. „Ich bin überzeugt, dass wir das Potenzial haben, das ganz große Ding mit nach Hause zu bringen.“ Dafür muss alles passen bei den „Danas“, die bei der EM im Juni Silber hinter den auch in Tokio favorisierten Niederländerinnen geholt hatten. Es wäre die absolute Krönung ihrer langen und erfolgreichen Karriere.

Fleschütz steht noch ganz am Anfang. Die Mittelfeldspielerin, die bei ihren Eltern wohnt, hat 2020 Abitur gemacht. Der Traum von einem Auslandsjahr platzte aufgrund der Pandemie, zum Wintersemester begann sie ein Jura-Studium. „Dann kam die Hockey-Sache.“ Und jetzt ist sie bei Olympia.

„Befreit aufspielen“, wolle sie, sagt Fleschütz, „mir nicht zu viele Gedanken und Druck machen. Drauflos spielen und meiner Mannschaft bestmöglich helfen.“ Und neben dem olympischen Hockey-Feld „alles aufsaugen, mitnehmen und genießen. Das ist eine Mega-Erfahrung“.

Olympia: Zehn Hamburgerinnen in der Hockey-Damennationalmannschaft

Dass bei allem Staunen und aller Begeisterung der Fokus auf dem Sport bleibt, dafür wird auch Altenburg sorgen, die der fünfköpfigen Führungsgruppe um Kapitänin Nike Lorenz angehört. „Es ist auch meine Rolle, die jüngeren Spielerinnen ein bisschen an die Hand zu nehmen und wenn es sein muss, auch mal die Spielverderberin zu sein, auf die nette Art“, sagt Altenburg und erzählt schmunzelnd: „Mir wird ja nachgesagt, ich sei die Mami der Mannschaft. Dabei fühle ich mich im Kreis der Mädels gar nicht alt.“

Fleschütz wiederum will „von den erfahrenen Spielerinnen wie Lisa lernen“. Sie hole sich häufiger mal einen Rat. „Ich kann mit allen Fragen zu ihr kommen. Wir verstehen uns echt gut – auch abseits vom Hockey.“

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14 Jahre sind Altenburg und Fleschütz auseinander. Auf dem Spielfeld zählen nur die sportlichen Qualitäten. „Jette kann gerade mit ihrer Unbekümmertheit und Frische ein wichtiger Faktor sein“, betont Altenburg. „Mit ihrem Tempo bringt sie eine andere Facette in unser Spiel.“ Die Mischung im Team, in dem zehn Hamburgerinnen dabei sind, sei gut.

Für Spaß auf dem Zimmer, das sich Fleschütz mit Pauline Heinz (20), der zweitjüngsten Spielerin im Team teilt, sorgt ein Mini-Basketball-Korb. Für die ruhigen Momente hat Fleschütz ein Buch dabei. „Mitternachtspalast von Carlos Ruiz Zafon“, erzählt sie. Es spielt in Indien. Das passt. Denn so heißt auch der heutige Gegner im zweiten Gruppenspiel der „Danas“.

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