Ersatztorwart Mauro Alcaraz feiert den Aufstieg von Altona 93.

Ersatztorwart Mauro Alcaraz feiert den Aufstieg von Altona 93. Foto: noveski.com

„Wunder von Verden“: So feiert Altona 93 seinen Aufstieg

Unverhofft schafft Altona 93 doch noch den Sprung in die Regionalliga Nord. Dafür reichte ein verdienter 2:0-Erfolg gegen den FSV Schöningen und ein 0:0 im Parallelspiel zwischen dem Heider SV und SV Hemelingen. Die Aufstiegshelden erklären das „Wunder von Verden“.

Das Strahlen war Gianluca Przondziono nicht mehr aus dem Gesicht zu kriegen. „Dass wir das noch so gedreht haben, ist Wahnsinn“, freute sich der 25-Jährige, der mit einem verwandelten Handelfmeter den 2:0-Sieg gegen den FSV Schöningen eingeleitet hatte. Mit dem Altona 93 wider alle Erwartungen doch noch den Aufstieg in die Regionalliga Nord geschafft hat. Unter dem Flutlicht von Verden bildete sich ein Fahnenmeer in Altonaer Farben, als die Überraschung perfekt war. Die Mannschaft entrollte ein Transparent und sagte ihren Fans so „Danke für die Saison“. In die Freude der Anhänger:innen mischte sich Staunen. Das glückliche Ende einer bravourös begonnenen Saison hatte sich erst spät abgezeichnet.

Denn nur drei Tage zuvor herrschte Tristesse. „Dass unser 1:2 in Heide keine Glanzleistung war, war uns allen bewusst“, blickte Przondziono auf den Auftritt am Sonntag zurück, der Altona in einer ungünstigen Position hinterließ: „Das haben wir auch angesprochen – und uns gesagt: Wir spielen zu Ende, egal wie es steht.“ 

Heide hielt alle Karten in der Hand

Der Champion-Knipser, der Altona 93 mit einem Schlussphasen-Hattrick am letzten Oberliga-Spieltag zum Hamburger Meister gemacht hatte, betonte die Moral. Die Mathematik hielt ganz nüchtern dagegen: Ein Sieg des Heider SV im Parallelspiel gegen Hemelingen hätte alle Altonaer Chancen zunichte gemacht.

Auf fremde Hilfe angewiesen zu sein, hieß aber auch, nichts mehr (oder zumindest deutlich weniger) zu verlieren zu haben. Und so schwand der Druck, der die Altonaer in der Aufstiegsrunde beim 2:2 zum Auftakt gegen Hemelingen belastet und in Heide über weite Strecken fast gelähmt – Trainer Andreas Bergmann sprach von „blockiert“ – hatte. „Im letzten Spiel zählen nur zwei Dinge: Wille und Glaube“, erklärte Rasmus Tobinski, der kurz vor Schluss zum Endstand traf. Das Parallelspiel war da schon torlos beendet, sodass Tobinskis Kopfball quasi den Aufstieg klargemacht hatte.

Rasmus Tobinski köpft das 2:0. noveski.com
Rasmus Tobinski köpft das 2:0.
Rasmus Tobinski köpft das 2:0.

„Ich hatte keine Kraft mehr, eigentlich sollte ich vorher schon raus“, sagte Altonas Torjäger über seinen späten Treffer: „Dann war es Ekstase pur, nur noch Freude.“ Rund 200 Altonaer Fans sangen die erst einmal letzten Oberliga-Minuten herunter. Und Tobinski konnte nach dem Schlusspfiff um 21.03 Uhr und einigen Selfies mit Fans, Freunden und Familie seine Emotionen kaum beschreiben. 

Tobinski fand nach Verletzung zu alter Form zurück

Eine Verletzung hatte den überragenden Hinrunden-Goalgetter in der Rückrunde länger zum Zuschauen gezwungen, erst in den letzten Wochen fand der 27-Jährige langsam wieder zu alter Form zurück. „Das ist die positivste Leere, die ich je gespürt habe“, fasste er seinen Gefühlshaushalt zusammen. „Die Jungs haben sich für eine Super-Saison belohnt, das ist klasse“, freute sich Coach Bergmann: „Nach der Niederlage in Heide haben wir uns gesagt: Jetzt machen wir nochmal das Wunder von Verden.“

Altonas Fans feiern auf dem Verdener Rasen. Folke Havekost
Altonas Fans feiern auf dem Verdener Rasen.
Altonas Fans feiern auf dem Verdener Rasen.

Um 21.35 Uhr tönte aus der Altonaer Kabine „Kling Klang“, ein halber Hit der Brandenburger Band Keimzeit, noch zu DDR-Zeiten geschrieben. Ein Lied über Fernweh („Bloß von hier weg, so weit wie möglich“) und unerreichbar scheinende Ziele („Lass uns heute noch nach England fliegen“), das Selbstzweifel zulässt: „Und wie ich überleg, was ich denn wirklich kann, seh ich, dass ich zu nichts taug.“ Nicht die klassische Mallorca-Mucke für Aufstiegsfeiern. Aber angemessene Klänge für ein Saisonende, an dem Altona 93 in einem letzten Kraftakt doch noch alle Hindernisse überwand und in seinem vierundvierzigsten Pflichtspiel zum Happy End fand. Da war das „Wunder von Verden“ gerade eine halbe Stunde alt. 

Gruppenbild eines Aufsteigers: Altona 93 spielt künftig in der Regionalliga. noveski.com
Gruppenbild eines Aufsteigers: Altona 93 spielt künftig in der Regionalliga.
Gruppenbild eines Aufsteigers: Altona 93 spielt künftig in der Regionalliga.

Nur wenige Wunder geschehen ganz ohne Glück. Fortuna zwinkerte den Altonaern auch ein bisschen zu. Die bereits aufgestiegenen Schöninger traten mit vielen Ersatzspielern an, setzten sich zwar seriös zur Wehr, waren jedoch auch ein Abschlussgegner, den man sich so wünschen würde. Dass den Rivalen aus Heide gegen Hemelingen kein einziges Tor gelang, war dann aber doch erstaunlich, da die knifflige Konstellation ja bekannt war. Doch erst als Altona dank Przondziono in Führung lag, gab Heides Trainer Markus Wichmann die Devise „volle Kraft nach vorne“ aus. Minuten vor dem Ende traf Patrick Storb tatsächlich, wurde aber wegen seiner Abseitsstellung zurückgepfiffen. Ab Mitte der zweiten Hälfte habe er auf den Zwischenstand bei der Konkurrenz geschaut, verriet Bergmann: „Um taktisch darauf reagieren zu können, falls notwendig.“

Das Tor zum Aufstieg: Gianluca Przondziono verwandelt einen Handelfmeter zum 1:0. noveski.com
Das Tor zum Aufstieg: Gianluca Przondziono verwandelt einen Handelfmeter zum 1:0.
Das Tor zum Aufstieg: Gianluca Przondziono verwandelt einen Handelfmeter zum 1:0.

Es war nicht notwendig, was die AFC-Fans vor Ort – viele von ihnen eher mit realistischer Skepsis angereist – in helle Verzückung versetzte. Nach dem Abpfiff stürmten sie den Platz und feierten mit der Mannschaft. Unverhoffte Erfolge sind die schönsten, sagen Fußball und Leben in seltener Eintracht. Kurz nach neun Uhr an einem Mittwochabend im Juni strahlte das Flutlicht im Verdener Stadion am Berliner Ring über Altona 93 jedenfalls wie eine gütige Sonne.

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Altonas Fans feierten nach ihrer Rückkehr aus Verden am Klubheim in der Griegstraße weiter. Die Regionalliga Nord wird den Verein, der mehrere Versuche unternommen hat, sich dort zu etablieren, vor einige Aufgaben stellen. „Ich werde definitiv brauchen, um das zu realisieren“, erklärte Tobinski. Einige Wochen Zeit haben er und sein Verein dafür, dann geht es weiter. Denn so schön Wunder auch sind: Im Fußball haben sie eine geringe Halbwertzeit.

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