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  • Der deutsche Sportartikel-Riese Adidas sieht sich nach seinem Miet-Boykott heftiger Kritik ausgesetzt.
  • Foto: picture alliance / Daniel Karman

Kommentar: Adidas, euer Miet-Boykott war ein denkwürdiges Eigentor

Köln –

Nach der Ankündigung, seine Mietzahlungen für zahlreiche deutsche Filialen einzustellen, ist der deutsche Sportartikel-Hersteller Adidas heftig in die Kritik geraten (hier lesen Sie mehr). Vorstandsboss Kasper Rorsted (58) ruderte daraufhin zurück, teilte mit, privaten Vermietern die Miete weiter zahlen zu wollen. Das Image des Weltkonzerns allerdings dürfte heftige Risse bekommen haben, findet unser Autor. Ein Kommentar.

Eins vorweg: Niemand – außer Adidas selbst natürlich – kann mit Sicherheit sagen, wie viel Miete der deutsche Sportartikel-Gigant für seine Filialen Monat für Monat abdrücken muss. Allein in Deutschland sind es rund 200 Shops, weltweit kommen unzählige weitere hinzu. Es dürfte sich also zweifelsfrei um eine stattliche Summe handeln, die auch im Budget eines international agierenden Milliardenunternehmens ein wahrnehmbarer Posten ist.

Dennoch: Viele Menschen haben sich erstaunt die Augen gerieben, als der Weltkonzern am Wochenende angekündigt hatte, die Mietzahlungen für seine Shops im Zuge der Corona-Krise vorerst auszusetzen. Noch viel mehr reagierten mit Unverständnis und Wut.

Adidas: Miet-Boykott ist unsolidarisch und rücksichtslos

Erst in der vergangenen Woche war ein Gesetz erlassen worden, welches Mietern in der Corona-Krise erlaubt, ihre Zahlungen zu stunden, ohne dass ihnen die Kündigung droht – gedacht war die Maßnahme für jene, deren Existenz durch die Krise aktuell bedroht ist: Betreiber kleiner Läden, privat geführte Geschäfte, Friseure oder Gastronomen, denen in diesen Tagen die Einnahmequelle versiegt ist. Menschen, die ums nackte Überleben kämpfen.

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Adidas als Milliarden-Konzern, der in den vergangenen Jahren stets Rekordgewinne erwirtschaftet hatte (zwei Milliarden Euro waren es 2019), könnte sich es allerdings ohne Not leisten, weiter regulär seine Miete zu zahlen – dafür braucht es keinen Insider-Blick in die Bilanzen.

Dass sich das Unternehmen mit den berühmten drei Streifen den Not-Erlass für die Bedürftigen kurzerhand ebenfalls zunutze macht, mag am Ende des Tages auf dem Papier vielleicht sogar irgendwie legal sein – in moralischer Hinsicht ist es dennoch schlichtweg egoistisch, unsolidarisch und rücksichtslos.

Adidas-Boss Kasper Rorsted rudert zurück

Natürlich spürt auch Adidas die Auswirkungen der Krise. Aber auch wenn Tausende Filialen aktuell geschlossen sind, fließen weiter Millionen in die bayerische Kleinstadt Herzogenaurach – Amazon, Ebay und unzählige weitere in Krisenzeiten immer stärker frequentierte Online-Shops machen’s möglich. Friseurtermine und Kneipenbesuche wiederum lassen sich nicht so einfach übers Netz abwickeln.

DFB-Team

Adidas ist Ausrüster der deutschen Nationalmannschaft – deren Spieler spendeten jüngst in der Corona-Krise 2,5 Millionen Euro.

Foto:

picture alliance/dpa

Die heftige Kritik ließ Adidas derweil nicht unbeantwortet, Vorstandsboss Rorsted und seine Kommunikationsabteilung versuchten sich in der Rolle rückwärts: Die Mietstundungen seien abgesprochen gewesen, zahlreiche Vermieter seien zudem wohl situierte Fonds und Immobilien-Konstrukte, versicherte das Unternehmen. Private Vermieter würden weiter regulär ihr Geld bekommen. Adidas bemüht sich um Schadensbegrenzung.

Adidas schießt sich ein verheerendes Eigentor

Das verheerende Image-Eigentor hat sich der Sport-Riese aber längst geschossen. Und die Folgen werden Adidas noch eine lange Zeit beschäftigen. Denn der nationale Shitstorm, an dem sich Bundespolitiker, Prominente und TV-Stars mit einer enormen Netz-Reichweite beteiligt haben, wird viele alte – und neue – Kunden ins Grübeln bringen.

Zudem wirkt es arg befremdlich, wenn Fußball-Stars des FC Bayern, von Real Madrid oder der deutschen Nationalmannschaft in der Krise ihre Solidarität bekunden, auf Teile ihrer Millionen-Gehälter verzichten und zu Solidarität aufrufen – während dabei auf ihrer Brust das weltbekannte Emblem mit den drei Streifen prangt. Und wie kommt es eigentlich bei den Profi-Vereinen an, wenn diese kostspielige Verzichtsmaßnahmen einleiten – während es dem eigenen Ausrüster offensichtlich nur darum geht, die Kohle irgendwie zusammenzuhalten?

Nein, dieser Schaden wird nicht zu reparieren sein. Vor allem eines hat die Causa Adidas aber besonders beeindruckend gezeigt: Dass Worte wie Solidarität, Gemeinschaft und Gemeinsinn für viele Menschen nicht nur bloße Floskeln sind.

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