„War gefährlicher“: Was ist mit der großen Offensiv-Stärke des HSV passiert?
Es wäre nicht nur übertrieben, sondern beim Blick auf die Statistiken auch falsch, dem HSV nun plötzlich eine Schwäche bei eigenen Offensiv-Standards nachzusagen. Ransford Königsdörffer traf gegen Köln (1:0) per Elfer-Nachschuss, Davie Selke in Münster (2:1) und in Regensburg (1:1) jeweils direkt vom Punkt, außerdem erzielte Jean-Luc Dompé gegen Hannover (2:2) ein direktes Freistoß-Tor. Und auch Hereingaben an sich sind nicht das Problem, vielmehr weiterhin erfolgsversprechend. Aber eine HSV-Stärke wurde zuletzt harmloser.
Loic Favé, der den erkrankten Merlin Polzin am Freitag als HSV-Chefcoach an der Seitenlinie vertreten hatte, sprach eines der wenigen (Mini-)Mankos nach dem 3:0-Heimsieg gegen den 1. FC Kaiserslautern selbst an. „Ich glaube, wir hatten elf Eckbälle. Da waren wir in dieser Saison schon gefährlicher als in dieser Phase.“ Laut offizieller Statistik auf bundesliga.com hatte der HSV gegen die Pfälzer sogar zwölf eigene Ecken – das ist Höchstwert in dieser Spielzeit.
HSV-Höchstwert: Zwölf Eckbälle gegen FCK – aber kein Tor
Die meisten eigenen Eckstöße in einer Partie hatte der HSV bis zum vergangenen Freitag am 10. Spieltag getreten, damals im September waren es zehn – ebenfalls gegen den FCK, im Hinspiel. Da hatte Robert Glatzel eine der vielen Ecken von Miro Muheim sogar zum zwischenzeitlichen 1:2 (Endstand 2:2) ins Tor geköpft. Und um es klarzustellen: Der HSV ist nach Eckbällen gemeinsam mit dem 1. FC Köln auch weiterhin das gefährlichste Team der Zweiten Liga, beide Klubs trafen in dieser Saison auf diese Weise sechsmal. Der HSV hatte im Unterhaus nie einen besseren Wert.

Trotzdem steht auch fest: Nicht zuletzt gegen Lautern konnten sich die Hamburger nicht mehr auf diese besondere Torgefährlichkeit nach Ecken-Flanken von Muheim, Jean-Luc Dompé oder Adam Karabec verlassen. Bisher hat der HSV in der Rückrunde zwar dreimal durch einen Strafstoß, einmal durch einen direkten Freistoß und zudem dreimal nach Hereingaben aus dem Spiel (jeweils Selke beim 3:2 in Berlin, beim 2:1 in Münster und nun beim 3:0 gegen den FCK) getroffen – aber im neuen Jahr noch nicht nach einem Eckstoß. Kein Grund zur Panik? Das stimmt sicherlich.
Meffert spürte sein Fehlen: Polzin ist weiter Standard-Chef
Denn der HSV hat die letzten elf Spiele nicht verloren und bewiesen, dass er auch ohne die neue Offensivstärke bei Ecken eine Serie starten und ausbauen kann. Dass es auch im Sinne der Trainer ist, Antworten zu finden auf die Frage, warum Eckbälle jüngst weniger Torgefahr ausgelöst haben, offenbarten am Freitag aber die Sätze von Favé (siehe oben). Dazu muss man wissen: Als Steffen Baumgart im Februar 2024 sein HSV-Amt angetreten hatte, wurde Ex-Assistent Polzin zum neuen Standard-Chef auserkoren. Weil die Coaches im Sommer Potenziale erkannten und der 34-Jährige sich akribisch der Thematik widmete, kamen Ecken-Stärke und -Kreativität überhaupt erst zustande.

Seit Ende November jedoch ist Polzin Cheftrainer – und hat womöglich nicht mehr genügend Kapazitäten, um neue Ecken-Ideen zu erarbeiten? Und um das defensive Standard-Verhalten der jeweiligen Gegner zu analysieren, die sich inzwischen womöglich auch besser auf die Varianten des HSV einstellen können? Jonas Meffert ließ am Freitag durchblicken, dass Polzin sich innerhalb des neuen Trainerteams weiterhin um die Standards kümmert. „Sie teilen sich die Aufgaben auf“, sagte der Abräumer nach dem 3:0. „Merlin ist ja teilweise auch für die Standards zuständig, weil er es auch unter Baumgart schon gemacht hat.“ Am Freitag aber fehlte Polzin seinen Profis an der Seitenlinie.
Das könnte Sie auch interessieren: „Nur Verlierer“: Selke verrät Details zum HSV-Poker – und Wunsch seiner Frau
Und die Abstinenz des Bramfelders im Stadion habe man gegen Lautern dann auch bei den eigenen Eckbällen und Freistößen „ein bisschen gemerkt“, sagte Meffert. „Aber in der Halbzeit haben wir dann trotzdem einen guten Plan mitbekommen, auch für die Standards. Wir haben dann auch nicht mehr so viele zugelassen.“ Der FCK verbuchte in Hamburg lediglich zwei Ecken, also zehn weniger als der HSV, der im Durchschnitt in dieser Zweitliga-Saison auf 5,4 Eckstöße pro Partie kommt. Sechs erzielte Tore aus insgesamt 124 Ecken klingen auch nach wie vor nicht schlecht, sondern effektiv, zumal es allein acht Zweitligisten wie Köln (154) bislang auf eine höhere Eckball-Anzahl bringen. Aber nicht nur Favé hofft, dass diese Offensivstärke des HSV alsbald wieder verstärkt zum Vorschein kommen wird.
Anmerkungen oder Fehler gefunden? Schreiben Sie uns gern.