Vorstands-Zoff: Gegenwind für Boldt – HSV-Aufsichtsrat gefordert
Davon muss sich der HSV erstmal erholen. Am Dienstag erklärte das Arbeitsgericht die Freistellung von Sportdirektor Michael Mutzel für unwirksam, insbesondere die Nebengeräusche aber sorgten für heftiges Kopfschütteln. Das zerrüttete Verhältnis der HSV-Vorstände Jonas Boldt und Thomas Wüstefeld wurde öffentlich sichtbar, nun ist der Aufsichtsrat des Vereins gefordert. Insbesondere auf Boldt dürften einige Fragen zukommen.
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Davon muss sich der HSV erstmal erholen. Am Dienstag erklärte das Arbeitsgericht die Freistellung von Sportdirektor Michael Mutzel für unwirksam, insbesondere die Nebengeräusche aber sorgten für heftiges Kopfschütteln. Das zerrüttete Verhältnis der HSV-Vorstände Jonas Boldt und Thomas Wüstefeld wurde öffentlich sichtbar, nun ist der Aufsichtsrat des Vereins gefordert. Insbesondere auf Boldt dürften einige Fragen zukommen.
Der Tag nach dem großen Knall beim HSV brachte vor allem eines: Gespräche. Jede Menge. Nicht nur die Kontrolleure des Vereins tauschten sich aus, überall gab es ein vorherrschendes Thema: Wie soll das weiterhin gutgehen? Wie können zwei Vorstände Seite an Seite den Verein führen, wenn das Vertrauensverhältnis untereinander zerstört ist? Und: Wann und wie wird der Aufsichtsrat handeln?
Streit zwischen Boldt und Wüstefeld nun öffentlich
Das Wichtigste vorab: Eine schnelle Lösung ist nicht zu erwarten. Die sieben Räte, mit Boss Marcell Jansen (36) an der Spitze, sind um Sachlichkeit bemüht und wollen zeitnah Gespräche mit Sportvorstand Boldt und seinem für die Finanzen zuständigen Kollegen Wüstefeld führen. Da soll dann alles angesprochen werden, was derzeit schwelt.
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Das ist eine ganze Menge. War es bislang nur so, dass hinter den Kulissen geschossen wurde, machten Boldts Aussagen vor Gericht die Differenzen nun öffentlich. Vordergründig ging es dabei um Mutzel, der zunächst Anfang Juni degradiert und dann vor rund zwei Wochen freigestellt wurde. Doch die Argumentationskette, die sich Boldt bei seinem Plädoyer zurechtgelegt hatte, ließ vor allem keinen Zweifel daran aufkommen, dass er Wüstefeld – seinem direkten Kollegen also – misstraut und in ein Lager einordnet, dass ihm nicht wohlgesonnen ist. Pures Gift für einen Verein.
HSV-Aufsichtsrat wünscht sich Professionalität
Dass Mutzel sich in einer Transfer-Angelegenheit (bezogen auf den Kauf des zuvor geliehenen Mario Vuskovic) per Mail ohne Absprache an beide Vorstände (und nicht nur an Boldt) wandte, führte der Sportvorstand ebenso ins Feld wie die An- und Abreise Mutzels und Wüstefelds in einem Auto zum Spiel in Kiel, das Anfang April stattfand. Für die einen stellt dies Vertrauensbrüche dar, für andere (wie auch das Gericht) normale Vorgänge. Eine E-Mail und eine Autofahrt eben. Mehr nicht. Und gewiss kein Grund für den 40-Jährigen, Mutzel derart abzusägen.
Wie aber denkt der Aufsichtsrat darüber? Die Kontrolleure sollen den durch Boldts Aussagen öffentlich zu Tage getretene Riss im Vorstand mit großer Sorge und sehr irritiert aufgenommen haben. Denn in eigentlich jeder Sitzung der Räte sollen die beiden Vorstände auch auf Nachfrage alle Differenzen stets beiseite gewischt haben. Motto: Alles halb so wild, wir machen das schon, keine Sorge.
„Kindergarten“: HSV-Aufsichtsrat reagiert irritiert auf Boldts Aussagen
Klar, dass Teile des Gremiums verstimmt sind. Der Begriff „Kindergarten“ macht die Runde. Damit müsse nun Schluss sein.
Zeitnah soll es zu Gesprächen mit beiden Vorständen kommen, dann aber einzeln, um den Dingen genauer auf den Zahn fühlen zu können. Mit Spannung dürfte zu beobachten sein, ob beide dann bei ihrer Haltung des „Wir schaffen das schon“ bleiben. Boldt zumindest dürfte nach seinen Darstellungen vor Gericht Probleme haben, die These des unproblematischen Miteinanders vor den Räten aufrecht zu erhalten.
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Offen, wie es nach den Gesprächen weitergeht und ob die Gräben zwischen den Vorständen überhaupt zu kitten sind. Grundsätzlich wünschen sich die Räte, dass beide Vorstände ohne Wenn und Aber ihren Pflichten nachkommen und den Verein führen. Jeder in seinem Territorium. Das sei möglich, heißt es, teilweise ohne größere Überschneidungen, da die Bereiche strikt voneinander getrennt sind. Boldt kümmert sich um das Sportliche, Wüstefeld um die Finanzen. Klingt einfach. Aber ist es das auch? Zumindest bei der Vorstandssitzung am Mittwoch soll es zwischen beiden professionell zugegangen sein.
HSV: Bei sportlichem Misserfolg könnte es für Jonas Boldt eng werden
Daran werden beide auch gemessen. Genau das macht die Angelegenheit für Boldt derzeit etwas komplizierter. Denn sollte der mit einem Sieg und einer Niederlage durchwachsen in die Saison gestartete HSV nicht rasch die Kurve kriegen, sondern in eine sportliche Krise schlittern, fiele das in die Verantwortung des zurzeit ohnehin geschwächten Sportvorstands. Dann könnte es auch aufgrund aller nun entstandenen Nebengeräusche eng werden für Boldt, der eine Allianz mit Trainer Tim Walter (46) bildet und vor dieser Saison mit 10,4 Millionen Euro Transferausgaben klarer Spitzenreiter der Zweiten Liga ist.
Beobachtet wird allerdings auch Wüstefeld. Der ist momentan noch mit der so oft zitierten Transformation (Zusammenlegung von Abteilungen) innerhalb des HSV beschäftigt, die dem Verein pro Jahr mehrere Millionen Euro Ersparnis einbringen soll. Zudem ist der 53-Jährige händeringend auf der Suche nach Geldgebern für die zwingend nötigen Renovierungen und Modernisierungen des Volksparkstadions, die zwischen 30 und 40 Millionen Euro verschlingen könnten. Auch Wüstefeld sei nun aufgerufen zu liefern, heißt es intern.
Vertragsverlängerungen der HSV-Vorstände Boldt und Wüstefeld vertragt
Bis Ende des Jahres ist er laut Vertrag noch Vorstand. Wird der Kontrakt nicht verlängert, würde Wüstefeld zurück in den Aufsichtsrat rücken. Boldts Vertrag läuft noch bis zum Saisonende. Beiden wurde zwischenzeitlich eine Verlängerung ihrer Kontrakte in Aussicht gestellt, dieses Thema wurde im Volkspark aber ohnehin auf unbestimmte Zeit vertagt. Eine Maxime, die nun umso mehr gilt.
Und Mutzel? Der wartet nach der für ihn positiven Rechtsprechung darauf, was der HSV mit ihm vorhat. Dass er ganz normal wieder in den sportlichen Bereich eingegliedert wird, ist eigentlich ausgeschlossen. Boldt allein obliegt die Entscheidung, wie er den 42-Jährigen nun beschäftigen will. Auch diese Vorgehensweise wird von den Räten beäugt.
Eine Abfindung für Mutzel wäre für den HSV teuer
Der HSV hat weiterhin die Chance, gegen das Urteil Berufung einzulegen. In drei Wochen könnte zudem der nächste Gerichtstermin mit Mutzel anstehen, dann soll über eine mögliche Entfristung seines Vertrags gesprochen werden. Man muss kein Prophet sein, um zu erahnen, dass eine verdammt teure Angelegenheit auf den HSV zukommt, will er den Mutzel-Vertrag vorzeitig auflösen. Etwas über eine Million Euro sollen der Sportdirektor und seine Anwälte dafür vor dem ersten Gerichtstermin gefordert haben, der HSV winkte da noch entschlossen ab.
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Nun wird es trotzdem teuer. Dazu kommt reichlich zerschlagenes Porzellan, eine empfindliche Niederlage vor Gericht und die Offenlegung zerrütteter Arbeitsbeziehungen im Vorstand. Das Ende dieser Tristesse ist noch nicht in Sicht.