Stadionsprecher Zeigler und Rann: Darum gewinnt Werder das Derby – und darum der HSV
Seit Bundesliga-Gründung treffen der HSV und Werder zum 120. Mal aufeinander. Während Christina Rann ihr erstes Derby am Mikrofon erleben wird, hat ihr Bremer Kollege Arnd Zeigler schon unzählige davon moderiert. Im gemeinsamen MOPO-Interview erzählen die Stadionsprecher von einem emotionalen Hinspiel, dem gemeinsamen Aufstiegstraum und einem Glücks-Trikot.
Seit Bundesliga-Gründung treffen der HSV und Werder zum 120. Mal aufeinander. Während Christina Rann ihr erstes Derby am Mikrofon erleben wird, hat ihr Bremer Kollege Arnd Zeigler schon unzählige davon moderiert. Im gemeinsamen MOPO-Interview erzählen die Stadionsprecher von einem emotionalen Hinspiel, dem gemeinsamen Aufstiegstraum und einem Glücks-Trikot.
MOPO: Liebe Frau Rann, lieber Herr Zeigler, das Derby zwischen dem HSV und Werder kann jetzt sogar vor 25.000 Zuschauer:innen stattfinden. Welche Bedeutung hat das für das Spiel am Sonntag?
Rann: Die Bedeutung ist riesengroß. Auch 1000 Fans sind eine lautstarke Unterstützung für die Mannschaft, aber 25.000 Fans sorgen natürlich für eine ganz andere Atmosphäre. Es freut mich auch, dass Gästefans aus Bremen mit dabei sein können. Das braucht es für einen echten Derby-Charakter.
Zeigler: Wir haben beide Geisterspiele als Stadionsprecher erlebt. Da fehlt einfach alles. Deshalb habe ich mich sehr gefreut. Jetzt kann es ein richtiges Derby werden. Und je näher der Sonntag rückt, desto mehr merke ich, wie sehr mir genau dieses Spiel in den letzten Jahren gefehlt hat.
Rann: Durch das Hinspiel ist ja auch schon wieder so viel Geschichte entstanden. Das macht HSV gegen Werder Bremen einfach aus. Das Derby gehört für beide Seiten immer zu den Saison-Highlights.
HSV gegen Werder: Arnd Zeigler beruhigte im Hinspiel die Fans
Im Hinspiel haben Sie, Herr Zeigler, in der Halbzeit den aufgebrachten Werder-Fans erklärt, wieso das vermeintliche 1:1 zu Recht nicht anerkannt wurde. Dafür gab es im Nachhinein viel Anerkennung.
Zeigler: Es hat mich überrascht, wie viel Aufmerksamkeit das bekommen hat. Ich dachte in diesem Moment: Die Fans im Stadion können nicht kapieren, warum uns zu Recht ein wichtiges Tor aberkannt wurde. Die Stimmung kochte hoch, dabei brauchte unsere Mannschaft doch eigentlich Unterstützung. Ich wollte die Atmosphäre wieder in eine richtige Bahn lenken. Ich wollte zeigen, dass es verkehrt ist, den Schiedsrichter als Ersatz-Sündenbock dafür zu nehmen, dass wir gerade zurückliegen. Es war ja noch alles drin, und ich wollte einfach erreichen, dass die Unterstützung der eigenen Mannschaft im Vordergrund steht.
Rann: Das fand ich sehr bemerkenswert. Man muss als Stadionsprecher:in nicht alles vorgeben, die Fans sollen und müssen sich ihre eigene Meinung bilden. Aber in solchen Situationen ist es auch wichtig, dass man den Fans Informationen liefert und sie nicht alleine lässt.
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Wie gehen Sie beide im Derby mit Ihrem eigenen Fan-Herz um?
Zeigler: Als Bremer macht es natürlich viel mehr Spaß, gegen den HSV zu gewinnen als gegen Regensburg oder Aue. Aber trotz allem ist das ein sportliches Derby – da gibt es zwar Frotzeleien und eine gewisse Rivalität, aber keinen Hass.
Rann: Das geht mir genauso. Leichte Frotzeleien gehören dazu, das macht mir auch Spaß. (lacht) Doch genau wie die Fußballer sollten auch die Fans das auf dem Platz lassen. Wenn das Spiel vorbei ist, endet nicht die Rivalität, aber man sollte keinen Hass weitertragen.
Zeigler: Dieses Mal stehen wir ja auch gemeinsam auf den ersten beiden Plätzen. Egal, wie das Spiel ausgeht, stürzt kein Verein ins Bodenlose, so wie bei den historischen Spielen 2009, in denen es um alles oder nichts ging. Jetzt haben wir einfach ein Zweitliga-Spitzenspiel mit zwei Mannschaften, die sportlich richtig gut drauf sind. Darauf kann man sich als Fußballfan ganz unbefangen freuen.
Werder Bremen: Zeigler hofft auf Aufstieg mit dem HSV
Kann das Derby schon eine Weichenstellung für den Aufstiegskampf sein?
Rann: Nein, auf gar keinen Fall. Das würde zu viel Wert auf diese eine Partie legen. Natürlich ist es emotional wichtig, dieses Spiel zu gewinnen, wir sind aber erst an Spieltag 24.
Zeigler: Ich glaube schon, dass der Derby-Sieger mit einem wahnsinnigen Rückenwind in die letzten zehn Spiele geht. Beide Mannschaften haben diesmal viel zu gewinnen. Aber der Verlierer ist wahrscheinlich immer noch Zweiter oder Dritter und hat noch zehn Spiele vor sich, in denen er das noch geradebiegen kann. Man hat diesmal noch nichts verloren, nur weil man das Derby verliert. Beide haben tolle Wochen und Monate hinter sich, die am Sonntag nicht enden werden. Es wäre ein Traum, wenn es Werder und der HSV schaffen würden, zusammen wieder aufzusteigen. Dann wäre das Derby nächstes Jahr wieder erstklassig.
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Halten Sie einen gemeinsamen Aufstieg für realistisch?
Zeigler: Am liebsten wäre es mir, wenn Werder und der FC St. Pauli auf den ersten beiden Plätzen landen und es der HSV über die Relegation schafft. Da haben sie ja viel Erfahrung und eine große Tradition. (lacht) Andererseits glaube ich, dass sich keiner von uns eine Relegation wünscht. Im Gegenteil: Unsere Vereine sind nur noch sehr selten in der Situation, etwas gewinnen zu können. Deshalb hätte ich total Lust, die Meister-Felge der Zweiten Liga zu gewinnen.
Rann: Ich bin als Nordkind grundsätzlich immer positiv gestimmt, wenn sich ein Nordklub in Richtung Aufstieg bewegt. Ich finde den Weg des HSV sehr angenehm, dass der Aufstieg nicht die große Überschrift über jedem Spiel ist. Dem folge ich als Stadionsprecherin auch, denn das tut dem HSV gerade gut. Der HSV weiß ganz genau, in welcher Situation er sich gerade befindet.
HSV-Stadionsprecherin Rann: Jeder kann zum Derby-Helden werden
Herr Zeigler, Sie haben jetzt frei. Werden Sie trotzdem im Volksparkstadion sein?
Zeigler: Ich schaue das Derby seit vielen Jahren immer mit Olli Dittrich zusammen. Das ist eine sehr schöne Tradition zwischen uns. Wir werden am Sonntag im Stadion sein. Es ist etwas anderes, das Derby mit einem HSV-Fan zu gucken. Irgendeiner freut sich am Ende auf jeden Fall mehr als der andere. Das ist kein großer Trost, aber immer noch besser, als alleine zu Hause eine Niederlage verarbeiten zu müssen.
Wer hat Ihrer Meinung nach am Sonntag die besseren Karten?
Zeigler: Ich wäre normalerweise mit einem 1:1 nicht unzufrieden, aber vor dem Hintergrund, dass mich das Hinspiel schon sehr genervt hat, möchte ich gerne 3:1 gewinnen. Das tippe ich jetzt einfach mal, um Stärke und Selbstbewusstsein zu demonstrieren. (lacht) Ich trage seit Beginn der aktuellen Siegesserie bei jedem Spiel unser Aufstiegstrikot von 1981. Seither haben wir nicht mehr verloren. Und ich werde das Trikot am Sonntag natürlich auch anziehen. Der HSV ist also relativ chancenlos. (lacht)
Rann: Ich setze trotzdem ganz klar auf einen Heimsieg für den HSV. Ich glaube nicht, dass ich mit einem Unentschieden so glücklich wäre. Aber ich möchte mich nicht auf ein Ergebnis oder auf Torschützen festlegen, denn das ist gerade das Spannende bei Derbys: Jemand, den man vielleicht gar nicht auf dem Zettel hat, kann plötzlich zum Derbyhelden werden – und steht dann für immer in den Geschichtsbüchern.